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Bestandsschutz durch Abbrucharbeiten gefährdet: Besondere Intensität der Objektüberwachung erforderlich !

Kann der Bestandsschutz eines Gebäudes durch Abbrucharbeiten gefährdet werden, dann treffen den mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten besondere Sorgfaltspflichten.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei wichtigen und kritischen Arbeiten.
Beispiel
(nach OLG Oldenburg , Urt. v. 29.05.1991 - 2 U 31/91 -)
Ein Bauherr wollte ein älteres Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu seinem Alterswohnsitz um- bzw. ausbauen. Er beauftragte einen Architekten mit Planung, Vergabe und Objektüberwachung. Die Genehmigungsplanung des Architekten sah im Wesentlichen eine Erhaltung des Außenmauerwerkes des vorhandenen Gebäudes sowie des Dachstuhls über dem Wohnbereich vor; Teile der Außenmauer des vormaligen Wirtschaftsbereiches sowie die Decke über EG und einige Pfosten und Sparren im Wirtschaftsbereich sollten erneuert werden. Der Architekt wurde durch das Bauaufsichtsamt darauf hingewiesen, dass weitergehende Eingriffe in den Bestand des Gebäudes nicht zulässig seien, insbesondere nicht die Errichtung eines Ersatzbaus. Die Genehmigung wurde erteilt.

Im Rahmen der Abbrucharbeiten erfolgte ein Abbruch weit über die Baugenehmigung hinaus, insbesondere wurde der Dachstuhl entfernt, im Wirtschaftsteil wurden sämtliche Mauern beseitigt. Nach einer Besichtigung wurde das Bauvorhaben durch das Bauaufsichtsamt stillgelegt. Der Bauherr muss das Grundstück zu einem erheblich geminderten Kaufpreis verkaufen; er macht Schadenersatz gegen den Architekten von über € 75.000,00 geltend. Der Architekt verteidigt sich mit dem Argument, der Abriss des Dachstuhls sei ohne sein Zutun und mit Erlaubnis des Bauherrn erfolgt. Der weitere Abbruch sei für ihn völlig unerwartet gekommen. Er habe die Bauunternehmer vor Umbaubeginn genau über die einzuhaltende Arbeitsabfolge zur Erhaltung des Bestandschutzes unterrichtet, sei aber von diesem absprachewidrig nicht von Beginn der kritischen Abrissphase unterrichtet worden. Er habe nicht täglich auf der Baustelle sein müssen.

Das Gericht verurteilt den Architekten antragsgemäß. Er habe seine Pflichten aus der Leistungsphase Objektüberwachung verletzt. Aufgrund der Gefährdung des Bestandsschutzes des Gebäudes habe er den Abbruchunternehmer sorgfältig im Einzelnen darauf aufmerksam machen müssen, welche Teile abgebrochen werden sollten. Er hätte ferner eine genau zeitliche Abstimmung vornehmen müssen, um sicherzustellen, dass er die Abbrucharbeiten überwachen und ggf. Einzelanweisung erteilen konnte. Dazu bestand umso größere Veranlassung, als ihm aufgrund von Baustellenbesuchen bekannt war, dass Nichtfachleute mit dem Abbruch des Daches beschäftigt waren. Außerdem habe der Architekt unzureichende Planunterlagen übergeben.
Hinweis
Von Architekten wird erwartet, dass sie erheblich detaillierte Kenntnisse des öffentlichen Baurechtes haben (vgl. insb. unter Haftung / .. / genehmigungsfähige Planung). Zum öffentlichen Baurecht gehört auch die Frage, ob Bestandsschutz vorliegt und unter welchen Voraussetzungen Bestandsschutz verloren geht (vgl. hierzu ausführlich Tipps & Mehr / Bestandsschutz). Die Gefahr eines Verlustes des Bestandsschutzes kann die Durchführung eines Bauvorhabens erheblich gefährden. Daher müssen Architekten, die im Rahmen von Umbauten oder auch nur Umnutzungen tätig werden, prüfen, ob hierdurch der Bestandsschutz gefährdet wird. Kommt es zu Abbrucharbeiten – wie im obigen Fall – hat der Architekt sorgfältig zu überwachen, das Vorhandenes nicht weitergehend als unbedingt nötig und geplant abgebrochen wird; der Abbruch führt grundsätzlich zum Verlust des Bestandsschutzes, der Verlust ist auch nicht mehr – durch Neuerrichtung – heilbar.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck