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Beschädigung nachbarlicher Hauswand beim Gebäudeabriss: Architekt haftet?

Droht beim Abriss eines Gebäudes mittels Baggereinsatzes dem Nachbargebäude Gefahr, so kann dies im Einzelfall die ständige Anwesenheit des mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten erfordern.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Unabhängig von seinen Pflichten aus dem mit dem Bauherrn geschlossenen Vertrag kann der Architekt u.U. auch dann in Haftung genommen werden, wenn Gesundheit oder Eigentum von Dritten beschädigt wird, sog. deliktische Haftung.
Beispiel
(nach OLG Frankfurt/M. , Urt. v. 17.06.1999 - 3 U 149/98 -, BauR 1999 1324)
Auf einem von mehreren nebeneinander grenzbebauten Grundstücken wird das Gebäude abgerissen. Es ist bekannt, dass insbesondere die Abrissarbeiten zum rechten nachbarlichen Gebäude hin riskant sind. Gleichwohl werden die Abrissarbeiten dort unter Einsatzes eines Baggers vorgenommen. Bei den Abrissarbeiten stößt der Baggerführer mit der Baggerschaufel mehrfach gegen die Mauer des Nachbargebäudes; diese wird erheblich beschädigt. Der Baggereinsatz war von dem bauleitenden Architekten bzw. dessen für die Baustelle abgestellten Mitarbeiters nicht durchgehend beaufsichtigt worden. Der Bauherr nimmt das Abbruchunternehmen sowie den Architekten auf Schadensersatz in Anspruch.

Das OLG Frankfurt verurteilt den Architekten zum Schadensersatz. Der Architekt hafte für die am Anwesen des Nachbarn durch die Baggerarbeiten verursachten Schäden, weil sein Mitarbeiter die im Rahmen der Bauaufsichtspflicht bestehende Verkehrssicherungspflicht gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB verletzt habe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne auch der mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragte Architekt wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten haften. Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten des Architekten hänge von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Der Architekt müsse aber eingreifen, wenn besondere Gefahrenquellen vorlägen. Im vorliegenden Fall sei von Anfang an bekannt gewesen, dass im Rahmen der Abrissarbeiten für das Nachbargebäude eine ganz erhebliche Gefährdung bestand. Im Hinblick auf dieses ungewöhnlich große Gefahrenpotential sei es schon fraglich, ob der Mitarbeiter des Architekten den Einsatz eines Baggers nicht hätte gänzlich untersagen und den Abriss ausschließlich per Handarbeit anordnen müssen. Jedenfalls hätte der Mitarbeiter während des gesamten Baggereinsatzes persönlich an der Baustelle anwesend sein müssen. Dies war jedoch unstreitig nicht der Fall. Dass der Mitarbeiter zuvor die Arbeiten ausführlich mit dem Baggerfahrer erörtert und sich von dessen Zuverlässigkeit überzeugt haben soll, reiche nicht aus, um dessen Abwesenheit während des Baggereinsatzes zu rechtfertigen.
Hinweis
Setzt ein Architekt Mitarbeiter ein, um seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Bauherren zu erfüllen, so haftet er regelmäßig für ein Verschulden dieser Mitarbeiter gegenüber dem Bauherren gemäß § 278 BGB; die Mitarbeiter sind sog. Erfüllungsgehilfen des Architekten (vgl. unter Haftung / weitere Beteiligte / Erfüllungsgehilfe). Kommt es auf Grund pflichtwidrigen Verhaltens eines Mitarbeiters des Architekten zu Schäden nicht (nur) des Bauherrn sondern eines Dritten, z.B. des Nachbarn, so kann der Nachbar ebenfalls direkt den Architekten unter den Voraussetzungen des § 831 BGB in Haftung nehmen. Gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB tritt die Ersatzpflicht allerdings nicht ein, wenn der Architekt bei der Auswahl und ggf. bei der Leitung seines Mitarbeiters die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Im oben besprochenen Fall berief sich der Architekt darauf, sein Mitarbeiter sei zuverlässig und vertrauenswürdig gewesen. Das Gericht befand, dass den Architekten diese allgemeine und unsubstantiierte Behauptung nicht entlasten könne.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck