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Bausummenüberschreitung: Vorteilsausgleich kann bei unverhältnismäßiger finanzieller und psychischer Belastung entfallen!

Ein Vorteilsausgleich findet dort seine Grenze, wo das Ergebnis dem Zweck des Ersatzanspruchs zuwiderläuft, d. h. dem Auftraggeber nicht mehr zuzumuten ist und den Architekten unangemessen entlastet (hier unverhältnismäßige finanzielle und psychische Belastungen des Auftraggebers durch Sanierungskosten).
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Steht eine Haftung des Architekten wegen Bausummenüberschreitung dem Grunde nach fest, so bereitet die Feststellung des Schadens oft Probleme.
Beispiel
(nach OLG Hamm , Urt. v. 11.01.2022 - 24 U 65/20, BGH Beschluss vom 18.01.2023 – VII ZR 23/22, NZB zurückgewiesen)
Ein Bauherr beabsichtigt den Umbau eines Altbaus und einen daran neu zu errichtenden Anbau. Der Bauherr erklärt ausdrücklich, er habe einen Finanzierungsrahmen von lediglich DM 600.000, eine Überschreitung des Rahmens sei für ihn nicht tragbar. Nachdem der Architekt vorgab, dass das Bauvorhaben auch zu einem Betrag in Höhe von DM 600.000 machbar sei, wenn man bescheidener baue, wird das Bauvorhaben durchgeführt. Am Ende ergeben sich Kosten in Höhe von DM 676.000. Der Bauherr klagt den Betrag, der über sein Budget hinausging, nämlich DM 76.000 gegenüber dem Architekten ein; dieser hält dem Schadensersatzanspruch entgegen, dass der Bauherr sich den höheren Wert des Gebäudes als Vorteilsausgleich zurechnen lassen müsse.

Das OLG Hamm, welches eine Haftung des Architekten dem Grunde nach bereits bejaht hatte (vgl. Urteil vom 21.07.2011), spricht dem Bauherrn den vollständigen eingeklagten Betrag zu. Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs seien aus Treu und Glauben entwickelt worden. Der Vorteilsausgleich finde somit dort seine Grenze, wo das Ergebnis dem Zweck des Ersatzanspruchs zuwiderlaufe, d. h. dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten sei und den Schädiger unangemessen entlaste. Das Gericht nimmt zwar eine Wertsteigerung für die Umbaumaßnahme (über die vorgegebene Summe von DM 600.000 hinaus) in Höhe von rund 65.000 DM an, geht andererseits allerdings auch davon aus, dass die tatsächlich durchgeführte Sanierung nicht den ursprünglich geplanten Sanierungstand erreicht habe. Maßgeblich gegen eine Berücksichtigung der Wertsteigerung spreche im Übrigen, dass – wovon das Gericht aufgrund der persönlichen Angaben des Bauherrn und der im Termin vernommenen Zeugen überzeugt sei – die tatsächlichen Sanierungskosten eine unverhältnismäßige finanzielle und psychische Belastung für die Familienmitglieder des Bauherrn bedeutet hätten.

Hinweis
Die Frage des Vorteilsausgleichs (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 21.05.2015) wird für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden und letztlich durch die Parteien schwer zu prognostizieren sein. Eine differenzierte Betrachtung zu einem Entfall des Vorteilsausgleiches legte das OLG Nürnberg seiner Entscheidung (Urteil vom 24.09.2016) zugrunde.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck