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Baugerüst stürzt ein: Haftung des Architekten gegenüber dem Mitarbeiter des mit der Demontage beauftragten Unternehmers?

Überprüft ein Architekt ein Gerüst und übersieht er grundlegende und ohne weiteres erkennbare Konstruktionsmängel eines Baugerüstes, haftet er grundsätzlich auch gegenüber dem Mitarbeiter des mit der Demontage beauftragten Unternehmers auch dann, wenn dem die Fachaufsicht vom Bauherrn übertragen wurde. Der Höhe nach mindert sich seine Haftung um die Quote der Haftung des Arbeitgeber-Unternehmers des verletzten Bauarbeiters.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Unabhängig von seinen Pflichten aus dem mit dem Bauherrn geschlossenen Vertrag kann der Architekt u.U. auch dann in Haftung genommen werden, wenn Gesundheit oder Eigentum von Dritten beschädigt wird, sog. deliktische Haftung.
Beispiel
(nach OLG Frankfurt , Urt. v. 09.11.2005 - 1 U 119/05)
Bei der u.a. beauftragten Demontage eines vom Rohbauer im Treppenauge eines Neubaus errichteten Gerüstes verletzt sich ein Mitarbeiter des Treppenbauers. Das Gerüst brach zusammen und der Mitarbeiter stürzte vom OG ins KG. Der Architekt wird auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen.

Der Architekt wendet u.a. ein, dass er nur eingeschränkt mit der Bauleitung beauftragt gewesen sei und dem Rohbauer als Errichter des Gerüstes und dem Treppenbauer, der das Gerüst demontieren sollte, die Verantwortung obliege. Beide seien ausdrücklich auch mit der Fachaufsicht beauftragt gewesen. Das Gericht lässt die Einwände nicht durchgreifen.

Der vom Bauherrn mit der Bauüberwachung betraute und diese tatsächlich wahrnehmende Architekt ist für die Verkehrssicherung auf der Baustelle unabhängig davon sekundär zuständig, wie die Bauüberwachungsaufgaben im Architektenvertrag im Einzelnen abgegrenzt sind und ob der Bauherr einzelne Bauunternehmer gewerkebezogen zu Fachbauleitern bestellt hat. Zur Verkehrsicherungspflicht des Architekten gehört es, grundlegende und ohne weiteres erkennbare Konstruktionsmängel von Baugerüsten beseitigen zu lassen. Ein Architekt müsse wissen, wie ein Gerüst stabil zu errichten ist. Das Gerüst war nicht ausgesteift und nicht verankert, sondern nur vertikal verspannt, so dass es beim Lösen dieser Spannung wie ein Kartenhaus zusammenbrach.

Den verletzten Bauarbeiter trifft nach Ansicht des Gerichtes zwar kein Mitverschulden. Sein Anspruch mindert sich aber um den Verschuldensanteil seines Arbeitgebers, der insoweit durch die Haftungsfreistellung nach § 104 Abs. 1 SGB VII privilegiert ist. Seine Haftung gegenüber seinem Arbeitnehmer ist ausgeschlossen. Das kommt auch dem Architekten in Höhe der Verantwortungsquote des Arbeitgebers zugute (hier 50%). Grundsätzlich kann dem Architekten noch eine Regressmöglichkeit gegenüber dem Errichter des Gerüstes zustehen.
Hinweis
Das Gericht erwägt quasi eine Unfallverhütungspflicht des Architekten für erkennbare Verstöße gegen die Standsicherheit von Gerüsten. Dem Architekten kam auch nicht zu Gute, dass das Gerüst während der Bauarbeiten gehalten hatte und im Rahmen der Gesamtbaumaßnahme in anderen Häusern die Gerüste problemlos demontiert worden seien. Der Bauarbeiter habe sich darauf verlassen können, dass die Standsicherheit gegeben war und erwarten können, dass dem Architekten Unzulänglichkeiten aufgefallen wären.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck