https://www.baunetz.de/recht/Bauaufsichtsfehler_des_Architekten_100_Regress_beim_Bauunternehmer__1476295.html


Bauaufsichtsfehler des Architekten: 100% Regress beim Bauunternehmer?

Der Umstand, dass sich der Bauunternehmer grundsätzlich gegenüber dem Bauherrn nicht darauf berufen kann, nicht ordnungsgemäß vom Architekten beaufsichtigt worden zu sein, führt nicht zwangsläufig dazu, dass der vom Bauherrn in Anspruch genommene Architekt sich zu 100% beim Bauunternehmer schadlos halten kann.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Sind neben dem Architekten noch weitere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich, so bestimmt sich die Haftung eines jeden nach seinen ihn im Verhältnis zu den anderen treffenden Pflichten.

Zur Abgrenzung der Pflichten von Architekt und Bauunternehmer.
Beispiel
(nach OLG Stuttgart , Urt. v. 07.12.2010 - 10 U 140/09)
Ein Architekt wird vom Bauherrn wegen Bauaufsichtsfehlern erfolgreich auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Der Architekt wendet sich nun an den Bauunternehmer und verlangt im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleiches die vollständige Übernahme des Schadens. Gegenstand der Auseinandersetzung waren Putzabplatzungen, Rissbildungen und Wasserschäden im Bereich von Fenstern. Sachverständig war festgestellt worden, dass der Bauunternehmer Herstellerrichtlinien und den Stand der Technik bei der Bauausführung unbeachtet gelassen hatte und deshalb grob fahrlässig ein mangelhaftes Werk hergestellt hatte.
 
Gleichwohl setzt sich der Architekt gegen den Bauunternehmer mit seinem Regress nicht vollständig durch. Die alleinige Haftung des Unternehmers auch im Innenverhältnis zum Architekten könne nicht damit begründet werden, dass der Bauherr dem Unternehmer keine Aufsicht schulde. Das begründe nur, warum sich der Auftraggeber das Verschulden des bauaufsichtsführenden Architekten nicht anrechnen lassen müsse. Verursachungsbeiträge von Bauleitern, die fehlerhafte Ausführung nicht bemerkt haben, dürften nicht bagatellisiert werden. Für die Mithaftung des bauüberwachenden Architekten sei von Bedeutung, ob die Pflichtverletzung des Architekten besonders schwerwiegend sei oder der Bauaufsichtsfehler einen besonders fehlerträchtigen Bauabschnitt betreffe. Dies hat das Gericht im vorliegenden Fall angenommen und ist zu einer quotalen Mithaftung des Architekten gelangt. Der Architekt konnte nicht vollständig Rückgriff beim Bauunternehmer nehmen.
Hinweis
Die Beurteilung, ob sich ein Architekt auch im Innenverhältnis zu dem Bauunternehmer, mit dem er gesamtschuldnerisch gegenüber dem Bauherrn haftet, schadlos halten kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Ob die Kriterien besonderer Fehlerträchtigkeit eines Bauabschnittes oder besonders schwerwiegenden Verstoßes des Architekten tatsächlich insoweit entscheidend sind, könnte im hier wesentlichen Verhältnis zu dem gesamtschuldnerisch haftenden Bauunternehmer durchaus fraglich sein, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zu handwerklichen Selbstverständlichkeiten, die schon keine Bauaufsichtspflicht auslösen soll.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck