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BGH verabschiedet den Begriff der „zentralen Leistungen“

Nach dem neuen Grundsatzurteil des BGH ist für die Frage, ob eine nicht erbrachte Teilleistung zu einer Honorarminderung führen kann, nicht zu prüfen, ob die relevante Leistung „zentral“ ist oder nicht; vielmehr entfällt der Honoraranspruch des Architekten ganz oder teilweise nur dann, wenn dem Bauherren entsprechende Gewährleistungsansprüche nach dem BGB gegen den Architekten zustehen.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Honorarminderungen muss der Architekt nach den Vorschriften des Gewährleistungsrechts hinnehmen, wenn er ihm übertragene Teilleistungen nur unvollständig erbracht hat.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 24.06.2004 - VII ZR 259/02)
Ein Bauherr kürzt das ihm in Rechnung gestellte Honorar des Architekten für Leistungsphase 2 (7 %) um 0,3 % wegen Nichterbringung der „Zusammenstellung der Vorplanungsergebnisse“ (vgl. § 15 II Nr. 2 linke Spalte, letzter Absatz). Der Bauherr begründet seine Ansicht damit, dass die entsprechende Leistung seitens des Architekten geschuldet worden sei und dieser die Leistung nicht erbracht habe.

Das Berufungsgericht sowie auch der BGH folgen dem Bauherrn im Hinblick darauf, dass die Leistung „Zusammenstellung der Vorplanungsergebnisse“ seitens des Architekten geschuldet seien (s. hierzu unter Haftung / .. / Grundsatzurteil II). Das Berufungsgericht schließt aus der Tatsache der Nichterbringung der Teilleistung „Zusammenstellung der Vorplanungsergebnisse“ – ebenso wie der Bauherr – ohne weiteres die Berechtigung des Bauherren zu einer anteiligen Kürzung des Architektenhonorars; dies entspricht der weitgehend verbreiteten Lehre zu den zentralen Leistungen. Diese Lehre ordnet vom Architekten zu erbringende Teilleistungen entweder als „zentral“ oder als „nicht zentral“ ein, mit dem Ergebnis, dass der Bauherr im Falle des Vorliegens einer „zentralen Leistung“ ohne weiteres zu einer anteiligen Honorarminderung berechtigt ist.

Der BGH sieht dies anders und verabschiedet damit den Begriff der „zentralen Leistung“. Alleine entscheidend dafür, ob die Nichterbringung einer (geschuldeten) Teilleistung den Bauherrn zu einer Honorarminderung berechtige, seien die Vorschriften zu den Gewährleistungsansprüchen des Bauherrn. Voraussetzung sei, dass der Tatbestand eines Gewährleistungsanspruches des Bauherrn erfüllt sei, welcher den Verlust oder die Minderung der Honorarforderung als Rechtsfolge vorsähe.


Hinweis
Ob und inwieweit die Abkehr vom Begriff der zentralen Leistung in der Praxis zu erheblichen Änderungen führen wird, muss abgewartet werden (zur Relevanz des Urteils i.ü. siehe bei Haftung / .. / Grundsatzurteil II unter HINWEIS). Eine erhebliche Änderung in der Praxis ist nur dann zu erwarten, wenn in Zukunft den Bauherrn in solchen Fällen, in denen sie früher nach der Lehre der zentralen Leistungen wegen Nichterbringung von Teilleistungen des Honorar mindern konnten, nunmehr eine Minderung versagt ist, weil eine der Tatbestandsvoraussetzungen des entsprechenden Gewährleistungsanspruches nicht vorliegt. Als Voraussetzung für die Gewährleistungsansprüche des Bauherrn zur Minderung des Honoraranspruches sind neben der Nichterbringung einer geschuldeten Leistung (zur Frage, ob eine Leistung geschuldet ist oder nicht, s. unter Haftung / .. / Grundsatzurteil II)
insbesondere zu benennen:

- eine Aufforderung zur Nachholung der geschuldeten Leistung unter Fristsetzung (nach altem Recht mit Ablehnungsandrohung, s. hierzu allgemein unter Sonderthemen / Schuldrechtsreform 2002)
oder
die Entbehrlichkeit der Aufforderung mit Fristsetzung wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit für den Bauherrn,

- kein Entfall des Gewährleistungsanspruches wegen Abnahme der Architektenleistung in Kenntnis des Mangels, d.h. der teilweisen Nichterbringung (vgl. § 640 II BGB).

Während also für den vorliegenden Fall der Nichterbringung der Leistung „Zusammenstellung der Vorplanungsergebnisse“ die Lehre von den zentralen Leistungen ohne weiteres zu einer Honorarminderung kam, wäre nach dem BGH weiter zu prüfen,

- ob der Bauherr hier den Architekten unter Fristsetzung zur Nachholung der Leistung aufgefordert hatte (was voraussichtlich nicht der Fall war) bzw. ob das Auffordern unter Fristsetzung für den Bauherrn unzumutbar war, weil die Leistung für ihn ohnehin nicht mehr zu gebrauchen war (ob die Tatsache, dass die Leistung für den Bauherrn nicht mehr zu gebrauchen ist, ohne weiteres zu einer Unzumutbarkeit und damit zu einem Entfall der Voraussetzung der Aufforderung mit Fristsetzung führt, könnt in Zukunft streitig sein)

- sowie ob nicht möglicherweise eine vorbehaltlose Abnahmehandlung des Bauherrn bezüglich der Architektenleistungen vorlag (dann könnte der Architekt argumentieren, dass sich der Bauherr die Gewährleistungsansprüche betreffend des ihm bekannten (?) Mangels hätte bei der Abnahmehandlung vorbehalten müssen).

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck