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Ausschluss eines Bieters wegen Mischkalkulation unterbleibt: haftet der Architekt?

Rät der Architekt dem Öffentlichen Auftraggeber nicht zum Ausschluss eines ersichtlich mischkalkulierten Angebotes, soll er dem Öffentlichen Auftraggeber in Höhe des Unterschiedsbetrags, um den der nächstfolgende Bieter günstiger abgerechnet hätte, haften.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 6 und 7 schuldet der Architekt eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe.

U.a. bei der Ausschreibung kann es zu Fehlern des Architekten kommen.
Beispiel
(nach OLG Nürnberg , Urt. v. 18.07.2007 - Beschluss - 1 U 970/07)
Der Architekt war unter anderem auch mit der Vorbereitung der Vergabe und der Mitwirkung an der Vergabe von unter anderem Leistungen zum Abtrag und Andecken von Oberboden beauftragt. Die Leistungen wurden auf der Grundlage der Leistungen des Architekten von seinem Auftraggeber, einer Gemeinde (Öffentlicher Auftraggeber) nach den Vorgaben der VOB/A ausgeschrieben. Der günstigste Bieter erhielt den Zuschlag. Die von ihm angebotenen Einheitspreise zu den ausgeschriebenen Positionen mit den vom Architekten vorgegebenen Mengen und Massen waren ganz erheblich günstiger als die von Mitbietern angebotenen Einheitspreise. Die Preise waren nach den Feststellungen des Gerichtes nicht realistisch. Sie waren zum einen bezüglich des Abtragens vollkommen untersetzt und zum anderen bezüglich des Andeckens vollkommen übersetzt. Das Andecken war vom Architekten versehentlich mit nur mit einer Menge von 350 cbm ausgeschrieben, während das Abtragen mit einer Menge von 750 cbm ausgeschrieben war. Tatsächlich betrugen beide Positionen 813 cbm, die der Bieter auch abgerechnet hat.
Die Gemeinde stellte fest, dass der nächstgünstigste Bieter um mehr als 100.000,- € günstiger abgerechnet hätte als der Bieter, dem sie den Zuschlag erteilt hatte. Den Differenzbetrag beansprucht die Gemeinde von dem Architekten wegen des Mengenfehlers bei der Ausschreibung und des unterbliebenen Hinweises auf die Mischkalkulation.
Das Landgericht gab der Gemeinde recht. Das OLG stellt klar, dass es dem Landgericht folgen will. Der Architekt nimmt seine Berufung gegen das Urteil daraufhin zurück. Das OLG verdeutlicht, dass der Bieter, dem der Zuschlag erteilt worden war, mit seinem Angebot hätte ausgeschlossen werden müssen. Wegen seiner Preisgestaltung, die offensichtlich an den Mengenfehlern orientiert war, wäre der Bieter als unzuverlässig einzustufen gewesen. Darüber hinaus sei er wegen offenkundiger Mischkalkulation auszuschließen gewesen. Der hohe Einheitspreis für das Andecken habe offenkundig einen Entgeltanteil aus der Abtragposition enthalten. Der Architekt habe insoweit eine Beratungspflicht gegenüber der Gemeinde gehabt, die er verletzt habe. Es komme daher grundsätzlich nicht darauf an, dass der Zuschlag durch die Gemeinde erfolgt ist.
Hinweis
Der Beschluss lässt aufhorchen. Grundsätzlich darf die Öffentliche Hand/ Vergabestelle die Vergabeentscheidung nicht delegieren. Der Architekt schuldet aber im Rahmen der Leistungsphasen 6 und 7 unter anderem eine Beratung seines Auftraggebers. Dazu gehört nach Ansicht des OLG auch die Beratung im Rahmen der Wertung der Angebote (§§ 23, 25 VOB/A). Im Einzelfall mag über derartige Fallkonstellationen trefflich gestritten werden können. Insbesondere die vergaberechtlichen Entscheidungen der Vergabekammern und -senate zu u.a. Spekulationspreisen sind nicht immer eindeutig. Im Rahmen der Mischkalkulation muss grundsätzlich durch die Vergabestelle der Nachweis geführt werden, dass eine Mischkalkulation vorliegt. Der Architekt müsste sich in Rücksprache mit seinem Auftraggeber/Vergabestelle allerdings sowieso bei erheblichen Abweichungen auch einzelner Positionen über die Preisgestaltung des Bieters informieren. Erkennt der Architekt seinen Fehler bei der Mengen-und Massenberechnung muss er dies grundsätzlich offenbaren.
Ob schließlich Versicherungsschutz in derartigen Fallgestaltungen besteht, könnte problematisch werden. Bestenfalls werden derartige Konstellationen im Vorfeld bei Abschluss des Versicherungsvertrages geregelt. Ein weiteres Problem kann auch entstehen, wenn wegen des Fehlers bei der Ausschreibung und Vergabe Fördergelder zurückverlangt werden.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck