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Auf konkrete Gefahr wesentlicher Kostensteigerungen hat der Architekt hinzuweisen!

Dient die Erstellung einer Kostenschätzung der Entscheidungsfindung des Auftraggebers, ist der Architekt verpflichtet, auf etwaig konkrete Gefahren von wesentlichen Kostensteigerungen rechtzeitig vor der Investitionsentscheidung hinzuweisen.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Voraussetzung einer Haftung wegen Bausummenüberschreitung ist zunächst eine Pflichtverletzung des Architekten.
Beispiel
(nach OLG Karlsruhe , - Urt. v. 30.04.2020 - 8 U 92/18 -, BGH, Beschluss v. 10.02.2021, VII ZR 80/20 NZB zurückgewiesen )
Ein Bauherr beabsichtigt ein privates Bauvorhaben auf einem noch zu erstehenden Grundstück mit aufstehendem Gebäude. Er beauftragt einen Architekten mit der Erstellung zweier "Kostenberechnungen", einmal voraussichtliche Kosten für die Sanierung des Gebäudes, alternativ die voraussichtlichen Kosten für Abriss und Neubau. Auf der Grundlage einer kurzen Begehung des Gebäudes ermittelt der Architekt daraufhin für Sanierung / Modernisierung und Umbau des Bestandsgebäudes Gesamtkosten in Höhe von rund Euro 180.000,-, für Abriss und Neubau Kosten in Höhe von rund Euro 240.000,-. Das für die Erstellung der "Kostenberechnungen" vereinbarte Honorar in Höhe von Euro 238,- brutto bezahlte der Bauherr.

Nach Abschluss der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen stellt sich eine nicht unerhebliche Formaldehyd- sowie eine Schimmelbelastung heraus, welche einer umfangreichen Sanierung bedürfen. Der Bauherr klagt nunmehr die ihm bereits entstandenen Sanierungskosten in Höhe von rund Euro 240.000,- gegenüber dem Architekten ein mit dem Hinweis, er wolle nunmehr einen Neubau errichten lassen.
 
Während das Landgericht die Haftungsklage des Bauherrn gegen den Architekten noch abwies, spricht das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Bauherrn den eingeklagten Schaden weitgehend zu. Diene die Erstellung einer Kostenermittlung der Entscheidungsfindung des Auftraggebers zu einer Investition, müsse der Architekt die zum Ausdruck gebrachten wirtschaftlichen Belange des Auftraggebers beachten; das erfasse auch die Verpflichtung, auf eine etwaig konkrete Gefahr von wesentlichen Kostensteigerungen rechtzeitig vor der Investitionsentscheidung hinzuweisen. Nach Angaben eines Sachverständigen im Prozess bestanden im Hinblick auf das Herstellungsjahr und der einfachen Ausführungsart des Bestandsgebäudes klare Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude mit schadstoffbelasteten Bauteilen errichtet worden war. Unter diesen Umständen hätte der Architekt im Rahmen der beauftragten Kostenschätzung die Kläger darauf hinweisen müssen, dass mit weiteren erheblichen Kosten wegen Schadstoffbeseitigung zu rechnen sei. Er hätte den Bauherrn darauf hinweisen müssen, dass zur Klärung der Schadstofffrage eine Begutachtung möglich und erforderlich sei.
Hinweis
Der Architekt hatte sich in dem Verfahren damit verteidigt, er habe den Bauherrn hier sehr wohl – allerdings nur mündlich – über das Risiko der Schadstoffbelastung und damit einhergehender Kostensteigerungen aufgeklärt. Der Bauherr bestritt dies und nach einer Anhörung der Parteien ließ sich das OLG Karlsruhe von der Richtigkeit der Bauherrn-Version überzeugen. Wesentlich für die Entscheidung des Oberlandesgerichts war dabei, dass der Architekt keine vernünftige Erklärung dafür finden konnte, warum er die mögliche Schadstoffbelastung nicht in die schriftliche Kostenermittlung aufgenommen hatte.
 
Für den Architekten ist der Ausgang des Prozesses unter Berücksichtigung seines Honorars natürlich eine bittere Pille; dass über Schwächen von Kostenangaben aufgeklärt werden muss, ist aber nicht neu (vgl. z.B. OLG Nürnberg, Urteil vom 24.09.2016). Dass solche Hinweise, die sich aus einer ansonsten schriftlich erbrachten Leistung nicht von selbst ergeben, die vielmehr wegen ihrer Wichtigkeit die im Übrigen schriftlich erbrachte Aussage erheblich verändern, ebenfalls schriftlich erbracht werden müssen, kann nicht oft genug wiederholt werden.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck