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Architektonisches Neuland: Wie ist angemessener Leistungszeitraum zu bemessen?

Ist eine Leistungsfrist im Vertrag nicht vereinbart, so hat der Planer im Zweifel mit der Herstellung des Werkes nach Vertragschluss alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen, § 271 BGB; bei der Beurteilung der Frage, welcher Leistungszeitraum angemessen ist, sind die Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere wenn mit einem einmaligen Bauwerk architektonisches bzw. statisches Neuland betreten wird.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Den Architekten kann eine Haftung treffen, wenn er seine Leistungen nicht rechtzeitig erbringt.
Beispiel
(nach OLG Celle , Urt. v. 06.01.2011 - 16 U 37/10)
Ein Ingenieurbüro wird mit den Leistungen zur Tragwerksplanung für die Großdachkonstruktion am Hermessee für die Expo Hannover im Jahre 2000 beauftragt. Es kommt im Hinblick auf die Vorlage geprüfter Planungen zu einer Verzögerung von mehreren Monaten. Die Auftraggeberin behauptet erhebliche Schäden, die unter anderem (wohl) in Folge der Verzögerung bei den bauausführenden Unternehmen entstanden sein sollen (das Dach konnte allerdings offenbar rechtzeitig errichtet werden). Die Auftraggeberin klagt fast 1,8 Millionen Euro gegenüber dem Ingenieurbüro ein.
 
Die Klage wird in beiden Instanzen abgewiesen. Nachdem die Vereinbarung einer konkreten Vertragsfrist nicht festgestellt werden konnte (vgl. hierzu Parallelbesprechung des Urteils), sei eine Pflichtverletzung des Planerbüros nur dann anzunehmen, wenn dieses ihre Leistungen nicht in angemessener Zeit zu Ende geführt habe. Unter Berücksichtigung der konkreten hier vorliegenden Umstände sei der Zeitraum, welchen das Ingenieurbüro angemessen für eine Fertigstellung ihrer Leistungen in Anspruch nehmen konnte, so zu bemessen, dass er – selbst unter Berücksichtigung der unstreitigen Verzögerung von mehreren Monaten – nicht überschritten worden sei. Es habe sich bei der Konstruktion um eine Weltneuheit gehandelt, man habe statisches Neuland betreten. Entsprechend führten auch die Verzögerungen, verursacht durch die Notwendigkeit der statischen Prüfung durch den Prüfingenieur sowie durch vorzunehmende Windkanaluntersuchungen, nicht zur Überschreitung eines angemessenen Zeitraums. Das Ingenieurbüro habe keinen Einfluss auf die benötigte Prüfungszeit des Prüfingenieurs gehabt. Von vorne herein war auch der Auftraggeberin bekannt, dass die Planung eines solchen Bauwerkes besondere Schwierigkeiten bereite, die auch von dem Ingenieurbüro nicht ohne weiteres zu beeinflussen waren.
 
Soweit die Auftraggeberin geltend macht, die Ausgangsstatik sei unzureichend gewesen und hätte später umfangreich nachgebessert werden müssen, weshalb jedenfalls unter anderem die Verzögerungen eingetreten seien, so sei dieser Vortrag nicht Streit entscheidend. Denn das Planerbüro schuldete letztlich aus dem Vertrag eine prüffähige statische Berechnung und diese habe sie im Ergebnis auch unstreitig geliefert, und zwar eben im angemessenen Zeitraum.
Hinweis
Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz wegen verzögerter Herstellung des beauftragten Werkes durch den Auftragnehmer waren schon immer schwer durchzusetzen, wie auch dieses Urteil zeigt. Unter Berücksichtigung der Besonderheit des Auftrages – statisches Neuland für die tatsächlich beeindruckende Dachkonstruktion des Expo-Daches – waren die zeitlichen Anforderungen des Auftraggebers hier allerdings wohl auch etwas überspannt. Das Gericht verzieh dem Tragwerksplanerbüro – soweit aus der Urteilsbegründung ersichtlich – deshalb offenbar selbst, dass die Ausgangsstatik nicht von vorne herein völlig fehlerfrei war; denn die Fehler konnten jedenfalls in Rücksprache mit dem Prüfingenieur noch innerhalb des angemessenen Zeitraums "nachgebessert" werden.

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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck