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Anscheinsvollmacht des Architekten zum Abschluss von Nachträgen, wenn Architekt bereits Hauptvertrag verhandelt hat?

Eine Anscheinsvollmacht des Architekten zur Beauftragung von Nachträgen kann in Betracht kommen, wenn der Architekt bereits den Hauptauftrag für den Bauherrn mit dem Unternehmer verhandelt hat.
Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Die Befugnisse des Architekten, den Bauherrn gegenüber Dritten, beispielsweise Bauunternehmern, zu vertreten, richtet sich nach der ihm erteilten Vollmacht.

Liegen die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor, so ist eine Erklärung des Architekten dem Bauherren wie bei einer Bevollmächtigung zuzurechnen.
Beispiel
(nach KG Berlin , Urt. v. 10.10.2006 - 21 U 75/04, Nichtzulassungsbeschluss BGH v. 21.09.2007 – VII ZR 232/06)
Der Architekt hat mit einem Unternehmer im Namen des Bauherrn einen VOB/B-Bauvertrag geschlossen, nachdem der ursprünglich beauftragt gewesene Unternehmer die Arbeiten wegen Insolvenz nicht fortgeführt hatte. Im Verlaufe des Projektes kündigte der Unternehmer mehrere Nachträge an, die der Architekt im Namen des Bauherrn zum Teil auch beauftragte. Bauherr und Unternehmer streiten schließlich über Restwerklohnforderungen. Der Bauherr beruft sich unter anderem darauf, dass der Architekt keine Vollmacht zur Erteilung der Nachträge gehabt habe und auch die Rechnungsprüfungen des Architekten, die zum Teil auch bereits die Nachträge erfassten, keine Anerkennung der Forderungen mit sich brächten.
Das Gericht folgt der Argumentation des Bauherrn in dem konkreten Fall nicht. Der Tatbestand der Anscheinsvollmacht liege im Hinblick auf Nachtragsaufträge vor, wenn der Architekt selbständig die Vertragsverhandlungen führt, den Hauptauftrag allein als Vertreter abschließt und das Bauvorhaben leitet. Das ist gerechtfertigt, weil man von demjenigen, der mit dem Willen des Bauherrn den Hauptauftrag nicht nur erteilen sondern auch aushandeln darf und auch im übrigen auf der Baustelle leitend auftritt, ohne konkrete anderslautende Hinweise erwarten darf, dass er auch ergänzende Leistungen in Auftrag geben dürfe, wenn es sich im Rahmen der notwendigen Arbeiten hält, also nicht zu einem ganz anderen Projekt führt.
Hinweis
Der Architekt war gemäß des Architektenvertrages mit dem Bauherrn nicht zu einem solchen Handeln berechtigt. Das betrifft aber nur die Frage, ob der Bauherr sich nun beim Architekten schadlos halten kann. Aber auch der Architekt wird sich wohl darauf berufen können, dass der Bauherr ihm gegenüber das Handeln geduldet hat, weil der Bauherr im übrigen auch die Abschlagsrechnungen des Unternehmers nach Prüfung durch den Architekten gezahlt hat.

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