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Abgehängte Decke als komplexe Baumaßnahme durch bauleitenden Architekt intensiv zu überwachen?

Die Herstellung einer Unterdecke aus einer tragenden Unterkonstruktion aus Metallprofilen und einer aus Gipskartonplatten bestehenden Deckenlage ist eine komplexe Baumaßnahme, die der bauleitende Architekt intensiv zu überwachen und zu kontrollieren hat.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In der Leistungsphase 8 begründet die Verletzung u.a. von Überwachungspflichten oft eine Haftung des Architekten.

Der Umfang der Überwachungspflicht richtet sich nach dem Einzelfall; Besonderheiten ergeben sich z.B. bei wichtigen und kritischen Arbeiten.
Beispiel
(nach OLG München , Urt. v. 31.07.2015 - 13 U 1818/13; BGH, Beschluss vom 16.05.2018 – VII ZR 82/18 – NZB zurückgenommen)
Ein Architekt wird für die Errichtung eines Gymnasiums unter anderem mit der Leistungsphase 8 beauftragt. Im Rahmen des Ausbaus wird in fast allen Räumen des Gymnasiums eine abgehängte Decke angebracht. Diese besteht aus einer tragenden Unterkonstruktion aus Metallprofilen, die durch Abhänger an der darüber liegenden tragenden Decke angebracht ist, und einer aus Gipskartonplatten bestehenden Deckenlage. Später stellen sich erhebliche Mängel dieser abgehängten Decke heraus: Die untersuchten Decken weisen in allen Räumlichkeiten im Hinblick auf die darüber liegenden tragenden Bauteile, insbesondere Stahlbetondecken, keine sichere und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechende Übertragung der Lasten auf. Die maximal zulässigen Stützweiten bei den Abhängern und den Unterkonstruktionsmetallprofilen gemäß den Vorgaben des Systemherstellers sind  erheblich überschritten, ebenso die maximal zulässigen Randabstände zwischen tragenden Unter- und Abhängekonstruktionen an angrenzenden Bauteilen; eingebrachte Zusatzlasten, wie z.B. Trafos, wurden vielfach nicht durch zusätzliche Abhänger in die darüber befindliche Tragkonstruktion abgetragen; drch das Einfügen von Leuchten wurden tragerelevante Metallprofile entfernt oder durchtrennt. Sämtliche abgehängte Decken müssen ausgetauscht werden, es entstehen Mängelbeseitigungskosten von rund Euro 1.000.000,00. Der in Haftung genommen Architekt verteidigt sich mit dem Hinweis, er habe stichprobenhafte Kontrollen durchgeführt.

Das Oberlandesgericht München verurteilt den Architekten in voller Höhe. Bei der Montage der Trockenbaudecken habe es sich nicht um eine handwerkliche  Selbstverständlichkeit gehandelt, sondern um ein schwieriges und anspruchsvolles Vorhaben; entsprechend habe sich der bauüberwachenden Architekt nicht auf Stichproben beschränken dürfen, sondern musste diese Arbeiten gezielt und besonders sorgfältig überwachen.
Hinweis
Für die Frage, ob Gewerke intensiv in Anwesenheit des Architekten zu überwachen seien, konnte früher in etwa der Maßstab herhalten, ob das Gewerk für die Funktion des Gebäudes (standsicher, winddicht, trocken, etc.) erheblich sei oder nicht. Dass dieser Maßstab heutzutage nicht mehr ausreicht, zeigt unter anderem vorliegendes Urteil. Die Rechtsprechung hat die Einordnung von Bauteilen als solche Gewerke, die intensiv zu überwachen sein, in den letzten Jahrzehnten erheblich ausgedehnt.


Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck