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54 Jahre nach Tod des Urhebers: Urheberrecht altersschwach!

Nach Ansicht des Landgerichtes Stuttgart kann auch der Zeitablauf – hier 54 Jahre nach Tod des Urhebers – eine Rolle bei der Abwägung zwischen dem urheberpersönlichkeitsrechtlichen Erhaltungsinteresse einerseits und dem Änderungsinteresse des Eigentümers andererseits spielen.
Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Aus dem Urheberrecht leiten sich u.a. Persönlichkeitsrechte sowie das Änderungsverbot ab.
Beispiel
(nach LG Stuttgart , Urt. v. 20.05.2010 - 17 O 42/10 (bestätigt: OLG Stuttgart, 06.10.2010 - 4 U 106/10))
Die Deutsche Bahn will den Stuttgarter Hauptbahnhof entsprechend eines Entwurfes der Architekten Ingenhoven unterirdisch verlegen. Entsprechend des Entwurfes soll insbesondere die beiden Flügelbauten des bisherigen, oberirdischen Bahnhofgebäudes abgerissen werden. Der Bahnhof wurde nach Plänen des Architekten Paul Bonatz 1928 fertig gestellt. 54 Jahre nach dem Tod des Architekten Bonatz wehrt sich nunmehr ein Enkel gegen den Teilabriss.
 
Das LG Stuttgart weist die Unterlassungsklage des Bonatz-Enkels ab. Zwar gesteht es dem Bonatz-Bau uneingeschränkt urheberrechtsschutzfähige Qualität zu, ebenso dem Enkel die grundsätzliche Berechtigung, die Rechte seines Großvaters geltend zu machen. Auch stellt das Gericht klar, dass es dem geplanten Teilabriss einer das Urheberwerk erheblich ändernde Qualität beimisst (vgl. LG Hamburg , Urt. v. 03.12.2004). Im Rahmen der Abwägung zwischen dem urheberpersönlichkeitsrechtlichen Erhaltungsinteresse und dem Änderungsinteresse des Bauherrn/Eigentümers gewichtet das LG Stuttgart allerdings die Position des Eigentümers als die stärkere.

Hierbei stellt das Gericht insbesondere auch darauf ab, dass das urheberrechtliche Erhaltungsinteresse durch Zeitablauf, hier mehr als 54 Jahre seit dem Tod des Urhebers, geschwächt werde. Zwar setze die Berücksichtigung der verbleibenden Schutzdauer im Rahmen der Interessenabwägung nicht zwingend ein Verblassen der Wahrnehmung des Urheberrechts voraus, es komme aber entscheidend darauf an, ob das Erhaltungsinteresse des Urhebers im Verhältnis zu den Interessen des Eigentümers geringer geworden ist. Dies sei vorliegend der Fall, da mehr als 3/4 der Schutzdauer von 70 Jahren bereits abgelaufen sei. Gerade bei einem Bahnhofsgebäude steige mit zunehmendem Zeitablauf das Interesse des Eigentümers an einer Modernisierung.
Hinweis
Ob sich die Ansicht des Landgerichtes Stuttgart in der Rechtsprechung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Vollständig überzeugt die Argumentation des Gerichtes nicht. Für Urheber-Nachkommen bleibt zusätzlich anzumerken, dass das Gericht zu Lasten des Bonatz-Enkels wertete, dass dieser sich mit der Geltendmachung seiner Rechte lange Zeit gelassen hatte.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck