30.09.2019

The Matter of Data

Anna Luise Schubert und Vera Heinemann über die Ausstellung in Weimar und Tel Aviv

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Am Freitag eröffnete die Ausstellung „The Matter of Data“ im Bauhaus-Museum Weimar, eine Woche zuvor startete bereits ein Ableger im frisch renovierten Max-Liebling-Haus in Tel Aviv. Die Ausstellung ist Teil des diesjährigen Bauhaus-Programms, doch statt Freischwinger oder Wagenfeld-Leuchte sieht man auf dem Plakat Nanofotografien und abgeblätterten Putz. Anna Luise Schubert und Vera Heinemann vom Weimarer Centre for Documentary Architecture (CDA) erklären warum.

Frau Schubert, Frau Heinemann, um was geht es in der Ausstellung „The Matter of Data“?

Das Projekt kratzt an den Schichten der vermeintlich weißen Fassaden der sogenannten White City in Tel Aviv, die gerade in Deutschland angesichts des Bauhaus-Jubiläums viel diskutiert wird. In den tieferliegenden Farb- und Materialschichten der White City lassen sich sowohl ihre Entstehungsgeschichte im Kontext von Flucht und Migration als auch ihre Politisierung und Vermarktung ablesen. Der Begriff „Bauhaus“ lässt sich nicht eins zu eins übertragen. Er steht in Tel Aviv umgangssprachlich und stellvertretend für den Internationalen Stil der Architekturmoderne. Gerade deshalb haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wer damals tatsächlich in Tel Aviv gebaut hat und woher die Architekt*innen kamen.

Einerseits geht es um Migrationsgeschichten, anderseits um digitale Techniken der Bauanalyse. Welche konkreten Fragestellungen haben Sie verfolgt und wie haben Sie methodisch gearbeitet? 
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Max-Liebling-Haus in Tel Aviv, das 1937 nach einem Entwurf von Dov Karmi fertiggestellt wurde. Seit 2015 hat das CDA das Haus und die Interessen an ihm dokumentiert. Daraus ist ein umfassendes Archiv entstanden, das sowohl die Expertise von Denkmalpflegerinnen, Architekten und Historikerinnen als auch Erinnerungen ehemaliger Bewohner umfasst. Wir haben eine digitale Plattform entwickelt, bei der das Architekturmodell als eine räumliche Datenbank fungiert, die Informationen über Menschen, Ideen, Migration und Einflüsse mit Daten zu Baumaterialien und Architekturelementen überlagert.

Die Spuren einiger Materialien und Objekte führten überraschend zurück nach Deutschland, da das kontroverse Ha’avara-Abkommen in den 1930ern den Export deutscher Waren in das Britische Mandat Palästina förderte. Dieses Abkommen wurde 1933 zwischen der Jewish Agency of Palestine und dem deutschen Reichswirtschaftsministerium geschlossen, um deutschen Juden überhaupt eine Auswanderung zu ermöglichen. Für uns nahm damit die Materialrecherche eine ganz neue Dimension an, denn in den Farben der Wände, im Terrazzo der Böden, an den Beschlägen von Fenstern und Türen und unter dem Putz der Wände lag der Zugang und die Aufforderung, die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Palästina sowie deren Auswirkungen auf die politischen und ökonomischen Bedingungen in der Levante in den 1930er Jahren zu erforschen.

Was hat es mit den beiden Standorten auf sich? Muss man nach Tel Aviv fliegen oder genügt eine Fahrt nach Weimar?
Die Ausstellungen in Tel Aviv und in Weimar sind konzeptionell eng miteinander verknüpft. Die Präsentation in Tel Aviv findet im Max-Liebling-Haus statt. Dort geht es schwerpunktmäßig um Schicksale jüdischer Bauhäusler*innen, die nach Palästina kamen. Die weitaus umfangreichere Ausstellung im Bauhaus-Museum bringt auf verschiedenen Maßstäben und durch verschiedene Medien das Max-Liebling-Haus nach Weimar.

Hinter dem Projekt steht das Centre for Documentary Architecture, das von Ines Weizman geleitet wird. Wann wurde das CDA gegründet und welche Themen wurden und werden dort verfolgt?
Das CDA wurde 2014 gegründet und ist inzwischen zu einem interdisziplinären Netzwerk angewachsen, zu dem unter anderem Architektinnen, Grafiker, Programmiererinnen, Historiker und Filmemacherinnen gehören. Wir arbeiten in wechselnder Besetzung an Projekten, in denen wir Architektur dokumentieren und in ihrem historischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext präsentieren. Unser Schwerpunkt liegt auf der Moderne und ihrem Nachleben.

Gropius, Meyer oder Mies?
Ise Gropius, Friedl Dicker, Marianne Brandt, Gunta Stölzl.

Die Fragen stellte Gregor Harbusch.


Zum Thema:

Die Ausstellung im Bauhaus-Museum Weimar läuft noch bis 3. November 2019, der Ableger im White City Centre in Tel Aviv noch bis 1. April 2020.