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04.04.2003

Die letzte Meldung

Kunst und Plattenbau in München


Am 3. April 2003 übergab die Stiftung Straßenkunst der Stadtsparkasse München im Münchener Plattenbauviertel Neuperlach die Skulptur „Pavillon“ von Kay Winkler an die Stadt München. Wir dokumentieren im Folgenden die kunstsinnige Pressemitteilung zu diesem Anlass. [Red.]

Mit der Architekturskulptur „Pavillon“ des Münchner Künstlers Kay Winkler (*1956) erhält Neuperlach am Ende der Ständlerstraße eine zweite künstlerische Arbeit im öffentlichen Raum. Die Arbeit, die eine funktionalistische Architektursprache in eine ihren Ort und Umraum reflektierende Skulptur überführt, wurde eigens für die Ständlerstraße konzipiert.

„Pavillon“ besteht aus vier Betonwänden (mit den Maßen von je 293 cm x 439 cm x 18.5 cm, H x L x B), die entsprechende Fertigteile aus dem benachbarten Siedlungsbau zitieren. Die frei stehenden und nach außen kippenden Platten werden durch zwei Eisenrohre gehalten, die sich im Neigungswinkel der Wände verkeilen. Formensprache und technische Mittel sind auf das Notwendigste reduziert und jederzeit nachvollziehbar; allem Künstlerisch-Genialistischen ist eine Absage erteilt.
Gleichwohl eröffnet die Arbeit ein Feld unterschiedlicher Assoziationen. Ein auf den Menschen bezogener Raum als schützender Ort des Privaten wird hier exemplarisch aufgebaut wie auch dekonstruiert. Es entsteht die Anmutung eines - im Zerfall begriffenen - Pavillons, der in der westlichen wie östlichen Kultur einen definierten Rückzugsort innerhalb einer Natur darstellt, die zumeist künstlich angelegt ist.

Zugleich akzentuiert „Pavillon“ den bislang nahezu undefinierten Ort am Ende der Ständlerstraße, ein „Niemandsland“ oder „Nicht-Ort“ zwischen Stadt und Trabantensiedlung, neu: Aufgegriffen und verdichtet werden jene Sichtachsen, die der urbanistischen Planung für Neuperlach Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahren zu Grunde lagen. Die Siedlung, die als Synonym für den utopischen Glauben an eine aufschwunghafte Zukunft und die Plan- und Steuerbarkeit urbanen Lebens durch Architektur und Städtebau galt, liest sich heute als desillusionierte Projektionsfläche einer „Vergangenheit von Zukunft“. Als besonderer Ort muss hierbei die Ständlerstraße gesehen werden, die - ehemals 6spurig geplant - die Lebensader für Konzept und Bevölkerung der Siedlung sein sollte, heute jedoch schlichtweg auf ein Nichts zurast. Diese Implosion von Utopie ist an den Trassen und Brachen im städtischen Gefüge abzulesen. Noch während der Umsetzung wurde die ursprüngliche Planung teilweise modifiziert, bereits fundamentierte Staßenspuren und Brückenköpfe schließlich mit Humus statt mit Teer versehen.

Für die so entstandene, jedoch nie geplante, „Parklandschaft“ in dem „Niemandsland“ entstand die Arbeit Pavillon von Kay Winkler, die ihren erhöhten „Belvedere“-Standort einem solchen nicht weiter verwendeten Brückenkopf an der Ständlerstraße verdankt. „Pavillon“ akzentuiert eine Brachlandschaft, die jedoch nicht bespielt oder möbliert wird, sondern die präzise Markierung einer - auch in der Diskussion um die „Kunst im öffentlichen Raum“ zunehmend wichtigen - urbanen Freifläche erfährt.

Die Peripherie des urbanen Raums mit all ihren Sollbruchstellen, die mit der Arbeit von Kay Winkler eine künstlerische Kommentierung erfahren, steht nicht mehr allein unter negativen Vorzeichen: Zunehmend findet sich ein Bewusstsein für den Wert all jener Orte im städtischen Gefüge, die keiner Inszenierung unterliegen, sondern als Freiflächen Raum zum Innehalten und Nachdenken, vielleicht sogar In-sich-gehen eröffnen. Und übernehmen heute nicht Straßen die vormalige Rolle von Plätzen und Agoren in der Funktion und Wahrnehmung von öffentlichem Raum?

Christopher Kramatschek


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