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16.03.2006

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Das PoMo-Schloss

Einkaufszentrum in Berlin-Steglitz eröffnet - mit Kommentar


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In Berlin-Steglitz wurde am 16. März 2006 das Einkaufszentrum „Das Schloss“ eröffnet. Aufgrund eines redaktionellen Versehens hatten wir dieses Ereignis bereits fälschlich für den 1. März 2006 gemeldet.

Für den 200 Millionen Euro teuren Neubau zeichnet der Berliner Architekt Manfred Pechthold verantwortlich. Auf zwei Stockwerken wurden an der Ecke Schlossstraße/Grunewaldstraße 36.000 Quadratmeter Verkaufsfläche gebaut. In das dritte Obergeschoss zieht die Hauptbibliothek des Bezirks, in das vierte ein Radiosender.

Als „optisches Highlight“ des Hauses preist der Bauherr die historisierende Fassade, die zum benachbarten neugotischen Rathaus passen soll. Der Investor, die Firma H.F.S. Immobilienfonds, hatte bereits in Chemnitz einen ähnlichen stilistischen Fremdkörper errichtet, der im Volksmund das „marokkanische Bügeleisen“ genannt wird (BauNetz-Meldung vom 27. 4. 2000).

Kommentar der Redaktion:

Dem „marokkanischen Bügeleisen“ wäre noch die „aserbeidschanische Postmoderne“ hinzuzugesellen – so hatten westliche Baufachleute über die begonnene DDR-Bebauung an der Friedrichstraße in Berlin gewitzelt, die dann nach der Wende, erst halb fertig, abgebrochen und durch die bekannten Blocks von Pei, Ungers und Nouvel ersetzt wurden.

Wer geglaubt hatte, mit dem Ende der postmodernen 80er Jahre sei der Spuk der Retro-Architektur vorbei, muss sich derzeit eines Besseren belehren lassen.
Kaum eine Fahrt durch die noblen Villenviertel im Berliner Südwesten, dem bürgerlichen Einzugsgebiet dieser Einkaufspassage also, bei der man nicht auf einen Neubau stößt, der so tut, als stamme er von 1910. Nicht nur gediegene Einfamilienhäuser, die von Architekten wie Kollhoff oder Kahlfeldt biedermeierlich gestaltet werden, sondern vor allem auch Geschosswohnungsbauten im Stadtvillen-Look entstehen hier inzwischen durchgängig im historisierenden Kleid.

Im Gegensatz zu den Vorbildern werden hier allerdings sämtliche Flächen bis in die letzte Dachgaube verwertet. Dennoch scheint der Markt sie anzunehmen – Retro-Look als Verkaufs- oder Vermietungshilfe.
Wen wollte es da wundern, wenn clevere Investoren den architektonischen Rück-Schritt nicht nur für den Wohnungsbau wählen, sondern ihn ihrer Klientel auch für Verkaufstempel anbieten? Das Überangebot an Einzelhandesflächen mit den immer gleichen Kettenläden ruft nach architektonischen Alleinstellungsmerkmalen, und diese werden hier so lange bedient, bis der Nostalgie-Look zum Mainstream geworden ist. Und das führt zu der guten Frage am Schluss: Was kommt danach? Sixties-Revival?

Benedikt Hotze


Kommentare

1

Bertrand Zunker | 28.04.2022 12:12 Uhr

Historismus einseitig kritisiert

Stimmig wäre es, wenn auf einschlägigen Seiten wie diesen auch der Bauhaus-Historismus kritisiert würde. Über 100 Jahre ist die Gründung des Bauhauses nun schon her, dennoch wird rückwärtsgewandte Architektur, die sich - meistens als billigster Abklatsch - daran orientiert, als "modern", "zeitgenössisch" und "aktuell" gepriesen.

Eine reflektierte Selbstkritik und der Blick in Umfragen und Forschung zum Thema würde ergeben, dass einer großen Mehrzahl der Menschen dieser Würfelhusten auf die Nerven geht und es eine große Sehnsucht nach Ornament, Kleinteiligkeit, Abwechslungsreichtum gibt. Kurz, nach einer Tradition, die viel weiter zurückreicht als jene des Bauhauses.

Nur leider können Architekt/innen heute bis auf wenige Ausnahmen gar keine Fassade mehr gestalten. Sie haben es im Studium nicht gelernt und ihre Professoren haben es auch schon nicht mehr gelernt. Deshalb wirken Gebäude wie "Das Schloss" in Steglitz dann auch so seltsam. Der Versuch ist trotzdem aller Ehren wert. Wäre es ein primitiver Würfel mit gleichförmiger Rasterfassade geworden, wäre die Kritik in Baunetz sicher weniger verheerend ausgefallen.

 
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