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17.03.2006

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Überteuerte Pommes im Furnierambiente

Buchrezension im BauNetz


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„Vor uns liegt das graue Band, weiße Streifen, grüner Rand“ so besangen Kraftwerk in „Autonbahn“ diesen zentralen Landschaftsraum der Moderne – und auf dem (immer seltener) grünen Band stehen Gebäude, die dafür entworfen sind, aus dem Augenwinkel beim Vorbeirasen wahrgenommen zu werden aber auch dazu animieren sollen, eine Rast einzulegen. Die 720 deutschen Autobahnstätten werden gemeinhin mit freudlosen WC-Stopps, überfüllten Parkplätzen, Rückbank-Gequengel und schlechtem Kaffee im Furnierambiente assoziiert - zu Unrecht wie ein neues Buch beweist. Der Band „Die Autobahn und ihre Rastanlagen - Geschichte und Architektur“ unternimmt erstmals den Versuch einer umfassenden Kulturgeschichte der Autobahn und ihrer Rastanlagen vom vormodernen Ort zum postmodernen Raum.

Die Geschichte des Autobahnbaus beginnt in Berlin mit der „Automobil-Verkehrs- und Uebungs-Straßen-Gesellschaft“ (AVUS) von 1921, dem Prototyp aller Autobahnen, und also nicht wie oft behauptet mit den Nationalsozialisten. 1929 folgt die erste öffentliche Autobahn zwischen Köln und Bonn und acht Jahre darauf die ersten Rastanlage. Nach dem zweiten Weltkrieg wird der Bautypus von der staatlichen „Tank & Rast“ bestimmt, die Deutschlands Raststätten am Rande der Piste von Illertal Ost bis Wattenheim Nord kontrolliert. Die Service-Philosophie der Dr. Erich Kauth Consulting gab den Raststätten ihr anonymes, westdeutsches Gesicht, ein „Inbegriff der Ortlosigkeit“. Höhepunkt des deutschen Raststättenbaus sind die beiden einzigen deutschen Brückenrasthäuser (Frankenwald und Dammer Berge) - ein Typus, der leider schon 1970 vom Verkehrsminister für unrentabel und nicht nachahmenswert erklärt wurde.

Die Entwicklung der letzten Jahren führt zur Esoterik: Die neue Raststätte Gruibingen an der A8 beispielsweise versteht sich als „Feng-Shui-Restaurant“, das Autofahrer mit positiver Energie beflügeln soll. Statt Ecken und Kanten gibt es hier Wok-Gerichte. Und auf einer anderen Raststätte ertönt auf den Toiletten Vogelgezwitscher, es gibt einen Hochzeitssaal und kitschige Türme, die der österreichische Raststätten-Architekt Herbert Maierhofer als „Symbol für die drei Weltreligionen“ herhalten lässt - angesichts dieser popkulturellen Fundgrube ist der ansonsten gelungene Band etwas steif geraten.

Ulf Meyer

  • „Die Autobahn und ihre Rastanlagen Geschichte und Architektur“
    Ralph Johannes, Gerhard Wölki
    Michaela Imhof Verlag, Petersberg Februar 2005
    Gebundene Ausgabe, 200 Seiten, 281
    Abbildungen
    ISBN: 3932526686
    Preis: 39,90EUR


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