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17.07.2020

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Zerstören erlaubt

Zur Zukunft der Berliner Hedwigskathedrale


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Es ist schon sechs Jahre her, dass der Wettbewerb zum Umbau der St.-Hedwigskathedrale entschieden wurde. Doch schon 2014 sorgte diese Entscheidung bundesweit für Aufruhr, sollte doch das wesentliche Merkmal der nach Plänen von Architekt Hans Schwippert wiederaufgebauten Kirche beseitigt werden: Die Öffnung im Zentrum des Innenraumes, die Kirchensaal und Unterkirche verbindet. Nun aber entschied das Berliner Landgericht: Der geplante Umbau verstößt nicht gegen Urheberrecht.

Das Urheberrecht könne nicht als Argument gegen eine Veränderung angeführt werden, so Richter Claas Schaber. Die katholische Kirche habe vielmehr das Recht, das Gotteshaus nach ihren Wünschen umzugestalten – und zur Not in Teilen auch zu zerstören. Die Rechte des Eigentümers haben Vorrang, so die Urteilsbegründung. Geklagt hatten Nachfahren und Erben der beteiligten Künstler und des Architekten. Schwippert hatte die katholische Bischofskirche nach der Teilzerstörung im Zweiten Weltkrieg mit Künstlern aus Ost- und Westdeutschland wiedererrichtet.

Die Kritiker*innen argumentieren, mit dem Umbau der Rundkirche werde ein wichtiges Zeugnis des kirchlichen Lebens in der DDR und ein Zeugnis der liturgischen Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört. Schwippert, der auch das Bonner Bundeshaus umgebaut und einen der Türme im Berliner Hansaviertel entworfen hatte, habe ein einzigartiges Denkmal der Zusammengehörigkeit in der Zeit der Teilung geschaffen. Ein Vorhaben, das von Ost und West als kleines, aber wichtiges gesamtdeutsches Projekt bewertet wurde.

Nur: Ob ein Bauwerk zeitgeschichtliche Bedeutung hat, sei dem Urheberrecht egal, stellte das Gericht klar. Außerdem haben Eigentümer das Recht, sich neu zu erfinden. Wer ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk besitzt, darf es also zerstören – aber nicht verändern, denn das wäre eine Entstellung. Letzteres sei bei St. Hedwig aber nicht der Fall, so die Kammer: „Von dem alten Werk wird nichts mehr übrigbleiben.“

Er sei von dem Urteil sehr enttäuscht, so Schwipperts Neffe und Testamentsvollstrecker Horst Peter, der mit seiner Klage zuvor bereits am Berliner Verwaltungsgericht gescheitert war. Die Entscheidung berücksichtige nicht den religiösen und kulturellen Stellenwert der Kathedrale.

Der Umbau, der unter anderem den Altar ins Zentrum der Kirche rückt, war vom früheren Berliner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki beschlossen und von seinem Nachfolger Heiner Koch in Angriff genommen worden, um nach Angaben des Erzbistums den gegenwärtigen kirchlichen Vorgaben entsprechend Gottesdienste feiern zu können. 2023 sollen die Arbeiten an der Kathedrale abgeschlossen sein. (kat)


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Kommentare

10

Göbel | 21.07.2020 15:03 Uhr

Eintrag des architekt vom 17.7. 20

Die Redensart, dass Archtiekten eben bauen (und Geld verdienen) wollen, ist mir nicht neu, aber dass dieser Wunsch so ungeniert zur Schau gestellt wird, ist doch eine Überraschung.Bei manchen dieses ehrenwerten Standes ist doch angekommen, dass auch ökologische, ökonomische, historische und sogar künstlerische Gesichtspunkte eine Rolle spielen - und auch bauerhaltende. Die Substanz bei Hedwig war nicht verfallen und könnte durch den Umbau gefährdet sein.

9

Manuel Mauder | 20.07.2020 10:55 Uhr

Nutzbarkeit

In dieser Diskussion zeigt sich meiner Meinung nach das ganze Problem des heutigen Denkmalschutzes in Deutschland: die Nutzbarkeit spielt eine völlig untergeordnete Rolle in den Erwägungen. Ich habe seinerzeit selbst am Wettbewerb teilgenommen und mich wirklich lange und intensiv mit der Frage beschäftigt, ob ein Umbau angemessen ist und wenn ja welcher.

Der Schwippert'sche Raum ist architektonisch unbestritten äußerst reizvoll, und gerade ob seiner Einzigartigkeit von hohem künstlerischen Wert. Leider ist die liturgische Idee nie ganz aufgegangen – das Loch im Boden hat Priester und Gemeinde getrennt statt "entlang der vertikalen Achse zu einen". Ich sehe Kardinal Woelki als Person äußerst kritisch, steht er doch für einen extrem konservativen Katholizismus, aber hier hatte er Recht – und als Nutzer der Kirche auch DAS Recht, den Raum so umzugestalten, dass sich eine bessere Nutzbarkeit ergibt.

Auch wir hatten damals den Altar in die Mitte gestellt (der Satz in der übrigens äußerst umfangreichen und erschöpfenden Auslobung, der Altar solle "auf keinen Fall in die Mitte gestellt werden" hat mich sogar erst zur Teilnahme bewogen, weil er räumlich gesehen so falsch war), ich gestehe aber ein, dass die Lösung von Sichau & Walter noch wesentlich eleganter war und mich insbesondere durch einen – hier muss ich Kommentar 7 deutlich widersprechen – fantastischen halbkugelförmigen Altar überzeugt hat, vermutlich ein Beitrag des beteiligten Künstlers Leo Zogmayer. Ein absolut würdiger 1. Preis.

Rainer Woelki hat sich übrigens wohl zunächst gegen den Entwurf gewehrt und selbst den 3. Preis präferiert, der den Altar nicht in die Mitte stellte. Man kann auch daran erkennen, dass dieser Wettbewerb wesentlich korrekter ablief als die meisten Investoren-basierten Verfahren, wo gegen den Investor kein 1. Preis möglich ist. Wie alle undifferenzierten Angriffe, führt auch pauschales Kirchen-bashing zu keiner Verbesserung. Attackieren wir die Kirchen lieber dort, wo sie sich moralisch verstricken und diskutieren wir gerne die Finanzierung.

Und lernen wir von Ländern wie Spanien, dass einem Denkmal am besten geholfen ist, wenn man seine Nutzung dauerhaft sichert – ziemlich egal wie. Nachfolgende Generationen können die Decke ja auch wieder öffnen.

8

STPH | 20.07.2020 08:08 Uhr

bodenlos


Beten in ein Loch, das aufwärts will sich nicht einstellen mit dem Loch, dem Hubaltar und der Abwärtstreppe. Der seltsamste Kirchenraum den ich kenne. Ich bin ja bereit für jede Entdeckung.

Die zentrale Anordnung des ersten Preises ist wohl die natürliche Anordnung, die sich einstellen würde bei spontaner Zusammenkunft. Hier hat Mitte mal einen Sinn.

7

F.W. Freund der Hedwigskathedrale | 19.07.2020 14:49 Uhr

zu auch ein architekt

Der Erzbischof hat die Kathedrale auch nicht gekauft. Er hat sich durch seine Rechtsberater und seine Stellung als Bischof, dem nan nicht widerspricht, die Kathedrale im Erbbaurecht von der Gemeinde St. Hedwig "abgepresst". Er ist also durch das Kunstrukt eines Erbbaurechtsvertrages zum bauberechtigten Eigentümer geworden. Wenn die Gemeinde bzw. der Erbbaurechtsgeber (ein vom Bischof eingesetzter Administrator) nicht so "blauäugig" gewesen wäre, wäre es nie so weit gekommen. Aber das Projekt scheint ja unter ganz besonderem Schutz und Beteiligung zu stehen, so dass man jetzt nur noch abwarten kann, welche geniale Raumschöpfung dort umgesetzt wird. Lediglich der Altar wird nicht besonderes sein, auch wenn er in der Mitte unter Kuppel seinen Platz findet. ES WIRD LITURGISCH KAUM MÖGLICH SEIN, DORT WÜRDIG einen Gottesdienst zu feiern, aber vielleicht will man dass auch gar nicht mehr. Schade um die gelungene Schwippertsche Raumfassung, die schon vor einen halben Jahr als "bauvorbereitenden Masnahme" ohne Baugenehmigung zerstört wurde.

6

Prof. i.R. Dr. Wolfgang Wolters | 19.07.2020 10:22 Uhr

St. Hedwig

Ein Lehrstück. Der für die Berliner Denkmalpflege zuständige Senator Lederer (Die Linke) überlässt Bischof Koch kampflos das Feld. Er schwächt so ohne Not "seine" Fachbehörde, die sich für die Erhaltung des Innenraums mit besten Argumenten ausgesprochen hatte. Staatsministerin Grütters (CDU) fördert zudem durch einen hohen finanziellen Zuschuss zum Umbau die restlose Zerstörung eines bedeutenden Denkmals deutscher Geschichte vor 1989. Die Hoffnung, diese für den Bauherrn und seine Unterstützer beschämende Angelegenheit könnte als abschreckendes Beispiel dienen, teile ich nicht. Im Gegenteil.

5

kein Architekt | 18.07.2020 22:48 Uhr

Kommentar A.v.Buttlar

Formal hat ein launiger Richter ein nicht ganz so launiges Urteil gefällt: Die schon begonnene Zerstörung der Hedwigs-Kathedrale ist rechtens! Den wenigen der anwesenden Zuhörer stockte schon nach den ersten drei Sätzen des Richters der Atem.Nichts scheint einfacher als Generationen von Menschen mit einer Handbewegung ins Aus zu befördern. Nichts ist mehr Wert,nichts hat mehr Wert. Zu Zerstören ist gesellschaftsfähig geworden.
Wir, ostdeutsche Katholiken,waren felsenfest davon überzeugt, dass an diese hochgeachtete, geliebte Kirche niemand Hand anlegen würde.Warum auch? Der Gedanke war einfach absurd. Wie falsch! Auch dieses Stück so persönlichen ,tröstlichen Erinnerns muss weg! Wir stehen jetzt mit leeren Händen in diesem unserem Land da!

4

Professor Dr. Adrian von Buttlar | 18.07.2020 11:58 Uhr

damnatio memoriae

Das Urheberrecht wurde vom Erzbistum durch "die völlige Vernichtung" (eines von den Vorgängern geweihten Sakralraums!) gezielt ausgetrickst: Beim skandalösen Abriss der großartigen und weitgehend intakten Nachkriegsfassung des Innenraumes von St. Hedwig geht es um die Selbstdarstellung des heutigen Kardinals Woelki und seines Adepten Heiner Koch und um die "damnatio memoriae" einer vermeintlichen DDR-Hinterlassenschaft. Dabei ist Schwipperts von Ost und West gestaltete, finanzierte und realisierte Doppelkirche mit der Confessio nach altrömischem Vorbild: 1. ein gesamtdeutsches Denkmal mitten im Kalten Krieg, 2. ein Denkmal progressiver Theologie im Sinne des Zweiten Vatikanums, 3. durch die Verehrung des seliggesprochenen Nazi-Opfers Dompropbst Lichtenberg (der nun entsorgt wurde) ein Mahnmal gegen Faschismus und Diktatur, 4. ein einzigartiges Gesamtkunstwerk einer traditionsbewußten Nachkriegsmoderne auf höchstem künstlerischen Niveau.

Zugunsten pompöser Selbstdarstellung des "politischen Katholizismus" (panem et circenses) sollen diese Erinnerungen und ethischen Imperative unter Einsatz von Steuergeldern (Bund und Land) aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht werden. Man kann die Selbstvergessenheit und eitle Blindheit der skandalträchtigen Katholischen Kirche, die in Zeiten der Krise über 60 Millionen Euro (das Zehnfache einer Bestandssanierung) verschwendet, nur noch bemitleiden: Der letzte macht das Licht aus.

3

tutnichtszurSache | 17.07.2020 21:50 Uhr

Denkmalschutz und Kirche : Schlag ins Gesicht?

Zwar behandelt dieser Artikel auf Grund des aktuellen Urteil das Urheberrecht, allerdings erschien mir dieses, als letzter unwahrscheinlich erreichbarer Rettungsanker der ProjektgegnerInnen.

Denkmalrecht vs. Grundgesetz?

Wäre dieses Bauwerk nicht im Besitz der Kirche sondern im staatlichen oder privaten, wäre der aktuell vorgesehene Entwurf so nicht genehmigt worden. Leider schafft es das grundgesetzlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hier und ggf. auch anderswo (?) den Denkmalschutz im Grunde genommen auszuhebeln. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Diskussion erübrigt, läge nicht eine UNGLEICHBEHANDLUNG vor dem Gesetz zugunsten der Kirche vor. Dabei erhält das Bistum für diese und andere Umbaumaßnahmen sogar noch Fördermittel .
Denkmalwürdigkeit ist übrigens eindeutig festgestellt. Das soll nicht bedeuten, dass alles so bleiben muss wie es ist. Aber wie für private Auftraggebende und für deren ArchitektInnen die sich tagtäglich, teilweise sehr erfolgreich und kreativ mit dem Denkmalschutz auseinandersetzen ist so etwas ein Schlag ins Gesicht. Und es gibt auch viele kirchliche Bauherren die sich Mühe geben und es schaffen Liturgie, zeitgenössische Anforderungen oder was auch immer sie umsetzen wollen in Einklang mit dem Denkmalschutz zu bringen. Auch für diese: Ein Schlag ins Gesicht.

2

mr-arcgraph | 17.07.2020 18:35 Uhr

wiederholte Zerstörung

Die Zerstörung der Hedwigs-Kathedrale bot die Möglichkeit einer vollständig neuen Innenraumgestaltung. Der ursprüngliche Entwurf wurde nicht wieder hergestellt. Nun wünscht der Eigentümer eine neue Innenraumgestaltung ohne den Zustand von 1953 zu erhalten. Hans Schwippert durfte sich frei entfalten, nun Sichau & Walter.

1

auch ein | 17.07.2020 16:51 Uhr

architekt

"
Er sei von dem Urteil sehr enttäuscht, so Schwipperts Neffe und Testamentsvollstrecker Horst Peter, der mit seiner Klage zuvor bereits am Berliner Verwaltungsgericht gescheitert war. Die Entscheidung berücksichtige nicht den religiösen und kulturellen Stellenwert der Kathedrale."

dann soll der Herr doch die Kirche doch kaufen und nutzen!

Ich finde immer sehr vermessen wenn Nach-Nach-Nachkommen eines Architekten kommen und vermeintlich die Deutungshoheit haben.
Das führt oft soweit dass die Substanz verfällt oder das Gebäude nicht umzunutzen ist. Das ist nicht nachhaltig.

Was wollen Sie? Oft gerne auch eine Abfindung, das lindert dann den Schmerz.

Peinlich

 
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Der Streit um die St.-Hedwigskathedrale am Berliner Bebelplatz schwelte schon mehrere Jahre.

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Nun entschied das Berliner Landgericht, dass der geplante Umbau zulässig ist.

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Der Innenraum von St. Hedwig bei der Wiedereinweihung am 1. November 1963.

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Nach dem Krieg war die katholische Kirche nach Entwürfen von Hans Schwippert wiederaufgebaut worden.

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