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22.11.2019

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Lesart im Rückwärtsgang

Zur Personalentscheidung Bauakademie


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Vorige Woche wurde bekannt: Der SPD-Politiker Florian Pronold wird Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie. Die Nachricht verärgert die Fachwelt. Denn zurecht fühlen sich viele, die im Dialogverfahren mitdiskutiert, im Programmwettbewerb Beiträge eingereicht oder sich auf die ausgeschriebene Stelle beworben hatten, um ihre Zeit betrogen.
 
Eine Manöverkritik von Friederike Meyer
 
Mit Auswahlverfahren sind Architekten vertraut. Keine andere Berufsgruppe investiert derart viele unbezahlte Arbeitsstunden in der Hoffnung auf ein gutes Ergebnis. Architekturwettbewerbe gelten als hohes Gut, entsprechend präzise werden Teilnahmevoraussetzungen, Rahmenbedingungen und Ergebnisse geprüft. Wissensvorteile von Teilnehmer*innen etwa durch vorherige Gutachten gelten ebenso als No-Go, wie Preise an Entwürfe, die sich über die Aufgabenstellung hinweggesetzt haben.

Auch wenn eine Stellenbesetzung nur indirekt mit einem Architekturwettbewerb vergleichbar ist, sind im Auswahlverfahren für die Bauakademie nun genau diese No-Go‘s eingetreten: Der „Sieger“ erfüllt weder die in der Ausschreibung gesuchte Qualifikation, noch ist er aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit frei von Wissensvorteilen gegenüber anderen Kandidat*innen.

In der Stellenausschreibung vom Juni 2019 war ein „Kandidat (m/w/d) mit abgeschlossenem, für die Themen der Bauakademie relevantem universitärem Hochschulstudium“ gesucht, der „in der Welt des Bauens angesehen ist, Erfahrung mit Projekten und Formaten mehrdimensionaler Kommunikation (Museen, Ausstellungen, Messen, Festivals, Konferenzen) hat und über ein lebendiges, nationales und internationales fachlich weit gespanntes Netzwerk verfügt“. Florian Pronold ist studierter Rechtswissenschaftler und Bundestagsabgeordneter. Er war Vorsitzender der SPD in Bayern und als Parlamentarischer Staatssekretär im Umwelt- und Bauministerium unter Leitung von Barbara Hendricks für Bau und Stadtentwicklung zuständig. Im März 2018 wechselte er ins Umweltministerium von Svenja Schulze. Weder hat Pronold Erfahrungen mit Ausstellungen noch mit baulichen Programmen. Die Architekturbiennale in Venedig 2016 und die Baukultur-Stiftung koordinierte nicht er, sondern sein damaliger Kollege Baustaatssekretär Gunther Adler.

Pronold trat erst auf die Bühne der Architekturdebatte, als das Geld für die Bauakademie kommuniziert wurde. Er hat die Dialogverfahren zur Wiederrichtung der Bauakademie begleitet und die Debatte über eine historische Rekonstruktion kontra Neuinterpretation verfolgt. Er war Juryvorsitzender des Programmwettbewerbs zur Bauakademie, mit dem man es besser machen wollte als beim Humboldtforum, wo erst die Hülle und dann der Inhalt festgelegt wurde. In dieser Jury saß auch jener Mann, der als Initiator der 62 Millionen Euro für die Bauakademie gilt: SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs, der als Mitglied der Findungskommission und des Stiftungsrates der Bauakademie über Pronolds Wahl als Gründungsdirektor mitentschieden hat. Man kann das als persönliches Engagement lesen, man darf aber auch Kalkül vermuten.
 
Der im Mai 2018 entschiedene Programmwettbewerb, dessen Auslobung die Bauakademie als Teil eines weltweiten Netzwerkes verortete und der mit einer international besetzten Jury um Giovanna Borasi aus Montreal, Nikolaj Sveistrup aus Kopenhagen und Eva Franch I Gilabert aus New York startete, schlug dann eher lokale Wellen. Beabsichtigt? Nicht zuletzt zeigte die Wahl für fünf gleichwertige Siegerprojekte, dass es offenbar darum ging, eine Palette von Optionen zu bekommen, aus der man sich später argumentativ bedienen könnte. Zu mächtig hätte die eine siegreich gekürte Idee werden können, zu sehr hätte sie vielleicht den Interessen der Bauakademie-Geldgeber im Wege gestanden.
 
Wie es um diese Interessen steht, darüber gab Florian Pronold kürzlich in einem Radiointerview im Deutschlandfunk Kultur Auskunft. Seiner Wahrnehmung nach sei die Rekonstruktion der Auftrag des Deutschen Bundestages. Im Inneren des Gebäudes solle es durchaus eine hybride Nutzung geben, das hätte der Programmwettbewerb herauskristallisiert. Zum Schluss aber müsse der Stiftungsrat entscheiden.
 
Eine Persönlichkeit, wie sie laut Stellenausschreibung gesucht war, würde selbstbewusster argumentieren. Und so liest sich die Personalentscheidung für Florian Pronold im Rückwärtsgang als seien die drei Dialogverfahren, der Programmwettbewerb und die Stellenausschreibung allein Manöver gewesen, um eine längst gefällte Entscheidung demokratisch zu legitimieren und den Eindruck zu erwecken, man habe die Fachwelt mit einbezogen. Denn möglicherweise war im Haushaltsausschuss bereits vor drei Jahren klar, dass die Bauakademie historisch rekonstruiert, wer dort einziehen und dass die Stiftung Bauakademie nach Abschluss der Bauarbeiten mit der Bundesstiftung Baukultur zusammengeführt wird, die als etablierte Bundesinstitution seit Jahren gute Arbeit macht. Wenn dem so ist, haben die Verantwortlichen und ihre Mithelfer viel Zeit fähiger Fachleute vergeudet. Man mag sich gar nicht ausmalen, was diese Enttäuschung für die Teilnahmerunde am angekündigten Realisierungswettbewerb bedeutet. Auf weitere Wortmeldungen aus der brodelnden Szene darf man gespannt sein.


Kommentare

9

RdLg. | 25.11.2019 16:24 Uhr

Zur Personalentscheidung Bauakademie

Leider stärken derart dubiose Verfahren wieder mal das Misstrauen in die Eliten, die sich ja eh immer alles irgendwie zuschustern... Das fängt bei der Entwicklung eines zweifelhaften Rekonstruktionshypes an und endet leider nicht bei der Postenbesetzung durch einen gelinde gesagt "Unkundigen". Wie soll das Ganze weitergehen? Noch ein Farcewettbewerb? Dann die Überarbeitung, dann die Verdrei- oder -vierfachung der Kosten und schließlich steht da vielleicht in ein paar Jahren auch mal ein Gebäude... Wer hat was davon? Der mehr oder weniger mündige Wahlbürger? Der wird sich fragen, warum in aller Welt soll ich noch eine so korrupte Politikerkaste wählen, die unser Geld verprasst? Also wähl ich doch mal die, die genau das anklagen. Dabei sind die mit Sicherheit auch keine Alternative...

8

Dr. Yikes | 22.11.2019 23:55 Uhr

Noch anzumerken

Es bleibt noch anzumerken, dass bereits 2008 der Unternehmer Hans Wall angeboten hatte, die Baukosten für die Rekonstruktion zu übernehmen - nach mehreren Gutachten hätten sich diese damals noch auf 20 Millionen Euro belaufen. 10 Jahre später hat sich nichts verändert, allein die Baukosten haben sich vervierfacht und eines der so begehrten Pöstchen konnte mit loyalen Parteifreunden besetzt werden. So läuft der Hase hier: das ganze Land gleicht einer Architekturfakultät.

7

Hartwig Brettschneider -Dipl.-Ing.TH-Architekt+Stadtplaner- | 22.11.2019 20:00 Uhr

Bauakademie Berlin

Ein klassisch grossartiges Baudenkmal, das wieder aufstehen wird, während sich die SPD und das Vertrauen in Politiker im freien Fall befindet. Rette sich wer kann. Wenn Herr Pronold aus seiner Zeit in Regensburg etwas vom Wert bedeutender Stadtbaukunst erfahren hat, können wir vielleicht noch hoffen. Und wenn er die in Sichtweite beschlossene Spielzeugeinheitswippe am Schloss verhindern könnte, hätte er meinen Segen.

6

Marc Laugier | 22.11.2019 19:14 Uhr

trefflich formuliert


Ein wirklich sehr gut formulierter und vor allem informativer Artikel zum leidigen Thema.

Vielen herzlichen Dank dafuer!

@ auch ein architekt

wuerde gerne dagegen wetten. leider aussichtslos.

5

frimuc | 22.11.2019 17:37 Uhr

Berliner Bauakademie

Die Institution Bauakademie gibt es seit 1879 nicht mehr. Seitdem studieren die künftigen Architekten und Baumeister an der Technischen Hochschule. Wozu dann also wieder eine "Bauakademie" installieren? Weil man dem architekturgeschichtlich bedeutenden aber kriegszerstörten Gebäude nachtrauert und es wiederhaben will. Und dafür braucht's dann eine Nutzung - und hierfür einen Neubau. Aber der soll dann wiederum anders aussehen als der, dessen Verschwinden man beklagt (keine Rekonstruktion!). Schon etwas fragwürdig das Ganze.

4

maestrow | 22.11.2019 17:18 Uhr

Bauakademie rückwärts

Danke für den präzisen Kommentar, der nochmals an die grotesk hochtönenden Ziele des Vorhabens erinnerte.
Schade ist, dass nun für zielfreie Personalia und den ganzen Krampf an Wettbewerb und Bau so viel Steuergeld unter dem Vorwand der Hebung der Baukultur ausgegeben werden wird.
Lasst das Ding als ein großes schwarzes Loch als eine große Mahnung an ein noch viel größeres Defzit einfach ungebaut und steckt die Mittel in die Entsendung von Architekturstudentinnen und -studenten in kultiviertere Weltregionen (sh. Schinkel!), damit sie was Anständiges lernen.

3

g.k. | 22.11.2019 17:15 Uhr

Rückzug


Wenn Herr Pronold klug wäre würde er seine Bewerbung zurückziehen, weil er wüsste, dass die schon jetzt heftige Kritik an ihm stetig wachsen wird und ihm die sehr zweifelhaften Umstände die zu seiner Ernennung geführt haben nicht loslassen werden.
Es wäre ein Arbeiten auf verlorendem Posten.

2

Fred Konkret | 22.11.2019 16:14 Uhr

Lesart

Sehr gut kommentiert,vielen Dank !

1

auch ein | 22.11.2019 15:47 Uhr

architekt

". Man mag sich gar nicht ausmalen, was diese Enttäuschung für die Teilnahmerunde am angekündigten Realisierungswettbewerb bedeutet.":

NICHT MITMACHEN!
das wäre die einzige möglichkeit der architektenschaft die überflüssigen kammern und die kungelnde politik ins leere laufen zu lassen.

wetten:

es machen mind. 300 teilnehmer mit...

295 beschweren sich über die komische ausschreibung...

200 setzen sich über die aufgabe, baugrenze, raumprogramm hinweg

1 berliner büro gewinnt?



 
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