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12.09.2022

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Kurskorrekturen der Wohnbaumaschinerie

Zur IBA Wien 2022


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Die IBA_Wien 2022 ist bei der Schlusspräsentation angekommen. Der prozessorientierte Ansatz macht sie visuell schwer vermittelbar. Ihre Kurskorrekturen des Wiener Wohnungsbaus allerdings dürften von Dauer sein.

Von Maik Novotny

„Wie wohnen wir morgen?“ steht auf den Fahnen, die neben der Halle auf dem Areal des ehemaligen Wiener Nordwestbahnhofs wehen. Ein Areal, das abseits der üblichen Wege liegt und eines der nächsten größeren Entwicklungsgebiete der Stadt ist. Die Internationale Bauausstellung IBA_Wien 2022 „Neues soziales Wohnen“ zeigt hier seit Ende Juni ihre Schlusspräsentation. Ins Zentrum ist das Areal damit kaum gerückt, denn in der internationalen Planer*innenwelt und selbst in Wien dürften viele bislang nichts davon mitbekommen haben.

Das ist bedauerlich, denn in den sechs Jahren seit dem Startschuss hat die IBA einiges geleistet: IBA-Projekte und -Quartiere, zahlreiche Vortragsreihen und Workshops, ein Netzwerk internationaler Partnerstädte. Die großen Wiener Stadtentwicklungsgebiete Seestadt Aspern, Berresgasse, Nordbahnhof, Sonnwendviertel und Donaufeld waren zwar schon vor der IBA in Planung oder im Bau, doch in allen hat die IBA Einzelprojekte und Quartiere mitinitiiert, hat Prozesse begleitet und optimiert.

Gerade dies liefert einen der Gründe, warum die Ausstellung etwas „unter dem Radar“ läuft. Für Laien ist es schwierig, bei der enormen Wiener Wohnbauproduktion zwischen Projekten mit und ohne IBA-Beteiligung zu unterscheiden. Sie sind im Stadtgebiet verteilt und nicht gesondert gekennzeichnet. Manche von ihnen befinden sich überhaupt erst in Bau oder Planung.

Der wohl wichtigste und dauerhafteste Beitrag, den die IBA geleistet hat, sind Korrekturen innerhalb dieser Wohnbauproduktion. Mit viel Geduld und Beharrlichkeit wurde in Gesprächen mit Akteuren wie dem wohnfonds_wien, der für die Grundstücksbevorratung zuständig ist und Bauträgerwettbewerbe initiiert und mit den Bauträgern selbst die bisher gängige Praxis des „Baufeld-Urbanismus“ korrigiert. Das heißt: Dachte man früher nicht weiter als bis zur eigenen (oft ganze Blöcke umfassenden) Grundstücksgrenze, wird jetzt schon frühzeitig auf Quartiersebene geplant. War der notorisch schwache Städtebau in Wien bisher eher ein Nebenprodukt des übermächtigen Wohnbaus, brachte die IBA das Bewusstsein für das große Ganze und für urbane Infrastruktur wieder zurück.

Davon profitieren vor allem die Erdgeschosszonen und Gemeinschaftseinrichtungen, die jetzt zwischen den Akteuren koordiniert werden. Das entlastet die gemeinnützigen Bauträger von der förderrechtlich komplizierten Verantwortung für Nichtwohnnutzungen und stärkt auch die Rolle des oft vernachlässigten und in zu viele kleine Stücke portionierten Freiraums. Mit den Projekten in bestehenden Quartieren – sowohl in der gründerzeitlichen Stadt als auch in Großwohnsiedlungen der Nachkriegszeit – leitete die IBA einen wichtigen Paradigmenwechsel hin zum Stadtumbau ein.

Gerade diese Arbeit hinter den Kulissen macht die Sichtbarkeit der Leistung zum Problem. Ein Problem, mit dem auch andere IBAs zu kämpfen hatten, deren Schwerpunkt sich über die Jahre von der Architekturausstellung hin zu langfristigen Prozessen verschoben hat. Prozesse, die schwer zu visualisieren und zu vermitteln sind. In Wien hätte man durchaus die Mittel, es anders zu machen. Schließlich ist visuelle Vermittlung eine der Stärken der mit fürstlichem PR-Budget ausgestatteten Stadtpolitik. Hinweise auf die IBA-Ausstellung im Stadtbild sucht man jedoch vergebens.

Woran liegt das? Nach anfänglicher Begeisterung beim Startschuss durch den damaligen Wohnbaustadtrat und jetzigen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) schien die Stadt schnell das Interesse verloren zu haben. Das kleine, engagierte IBA-Team um Koordinator Kurt Hofstetter musste mit einem Minimalbudget arbeiten. Ludwigs Nachfolgerin Kathrin Gaál (SPÖ) ließ außer sporadischen Vorworten in Publikationen wenig zur IBA von sich hören. Der durchaus berechtigte Stolz auf 100 Jahre soziales Wohnen und eine gut geölte Wohnbaumaschinerie sorgen dafür, dass man Impulse von außen nicht für nötig hält – „Passt ja eh alles.“, wie der Wiener sagt.

In der Wiener Architekt*innenwelt wiederum ist die Resonanz gespalten. Der anfängliche Vorwurf, die IBA würde nur ohnehin geplanten Projekten einen Stempel aufdrücken, ist schon lange nicht mehr zu hören, denn hier wurde zugehört und früh reagiert. Jene Architekt*innen, die im Wiener Wohnbau tätig sind, brachten sich oft intensiv in die IBA-Diskussionen ein, die andere Hälfte blieb eher distanziert.

Dabei ist die Ausstellung sehenswert und wird von zahlreichen Events in der ganzen Stadt begleitet. In der Seestadt Aspern wurde eine IBA-Außenstelle eingerichtet, eine Vielzahl von Führungen wird angeboten.  Am 20. Oktober widmet sich das gemeinsam mit dem Az W veranstaltete IBA-Symposium „Bau einfach!“ dem monolithischen Bauen und den Baustoffen, die sich dafür eignen. Einen weiteren Fokus auf das Bauen in Zeiten der Klimakatastrophe legt das dreiteilige Symposium „Klimawechsel“, das in Kooperation mit der Zentralvereinigung der Architekten (ZV) im Oktober und November stattfindet und Best-Practice-Beispiele aus Basel, Barcelona und Brüssel zeigt. Ein weiteres Symposium wird im Herbst die internationalen IBA-Korrespondenzstädte zu einer gemeinsamen Bilanz einladen.

Die dreiteilige Veranstaltungsreihe „Urban Future Talks“ der Wiener Stadtplanung wird sich im September und Oktober der Klimagerechtigkeit widmen, den neuen Stadtteil am Nordwestbahnhof vorstellen und als Zwischenbilanz von den bisherigen Wiener Erfahrungen mit der vor drei Jahren eingeführten Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ berichten. Bereits am 5. Oktober wird schließlich Bilanz der IBA selbst gezogen. Hier wurde im letzten Jahr von der TU Wien unter Befragung vieler Beteiligter am IBA-Prozess eine Resonanzstudie erarbeitet. Am FutureLab der TU Wien wurde zudem das Research Center New Social Housing eingerichtet, das über das Präsentationsjahr 2022 hinaus die Ideen der IBA weiterführen soll.

Bis Freitag, 18. November 2022 besteht noch die Möglichkeit, die IBA selbst zu entdecken. Man sollte diese Möglichkeit nutzen.


Zum Thema:

Im IBA-Quartier Sonnwendviertel liegen unter anderem das Atelierhaus C21 von Werner Neuwirth, das Baugruppenhaus Loft Living von Michael Wallraff, das Wohnhaus MIO von VlayStreeruwitz und das Haus am Park von feld72.

www.iba-wien.at


Kommentare

2

STPH | 13.09.2022 09:59 Uhr

...

Im Vergleich zu Berlin erfolgt in Wien eher Satelliten als Städtebau. Volatile Höhen mit starker Verdichtung, aufgehübscht. Berlin mit seinen Straßenformaten und Traufhöhen wirkt da vorbildlicher, öffentlicher, gemeinschaftsstiftender. Wien zwischen Experiment und Phantomschmerz Größenwahn(?), oder einfach das 70er Wachstum reloaded. Und das Balkon- und Tomatenbeetgetüddel als Trostpflaster?

1

maestrow | 12.09.2022 21:42 Uhr

Wiener Kurs

Wenn man die Aktivitäten für einen guten Wohnbau in Wien mit denen in Berlin vergleicht, kann man nur verzweifeln, oder eben das bessere Beispiel (be)-suchen. Auf nach Wien!

 
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