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22.10.2018

Bauhaus fällt um

Zur Debatte um Konzertabsage in Dessau


Kommentar von Alexander Stumm
 
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk organisiert seit 2011 die Konzertreihe zdf@bauhaus. Vergangene Woche hat die Bauhaus Stiftung Dessau unter Berufung auf ihr Hausrecht den für den 6. November geplanten Auftritt der linken Punk-Band Feine Sahne Fischfilet untersagt. „Politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform, da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden,“ heißt es in der Presseerklärung vom 18. Oktober.
 
Die Konzertabsage hat einen Sturm der Kritik ausgelöst. Die Zeit und andere Medien werteten die Entscheidung der Stiftung vor allem als Einschränkung der Kunstfreiheit und als ein Einknicken vor rechter Gewaltandrohnung. Nach einem Bericht der Berliner Zeitung hat der Berliner Kultursenator und aktuelle Vorsitzende des Bauhaus-Verbunds Klaus Lederer inzwischen angeboten, die Band im Bauhaus-Archiv in Berlin auftreten zu lassen.

Die Situation ist für die vom Land Sachsen-Anhalt, in dem die die AfD mit über 24 Prozent als zweitstärkste Partei im Landtag sitzt, finanziell mitgetragene Stiftung Bauhaus Dessau nicht frei von Brisanz. Kulturpolitische Einflussnahme liegt nahe – die sachsen-anhaltinische CDU kritisierte das Konzert im Vorfeld, AfD und rechte Gruppen wetterten im Netz mit polemischen Parolen und übler Hetze.

Zugegeben, die Band, die zwischenzeitlich vom Verfassungsschutz unter Beobachtung stand, ist nichts für schwache Nerven. Nichtsdestotrotz: Es zeugt von seltsamer Vergessenheit oder verwegenem Willen zur Umdeutung der Geschichte, wenn sich eine Institution zur Wahrung des Bauhauserbes in ihrer Stellungnahme als politikfernes Kulturforum generiert. Noch dazu, wenn sie sich argumentativ auf eine aus dem Kontext gerückte Presseerklärung des staatlichen Bauhauses Weimar von 1920 stützt, in der es hieß: „Zu den wiederholten Beschuldigungen einer radikal-politischen Parteinahme im Bauhaus haben die Leitung und der Meisterrat schon mehrfach mit der Erklärung Stellung genommen, daß jede politische Tätigkeit im Bauhaus von jeher untersagt war.“

Forderte Walter Gropius denn nicht zeitgleich im Arbeitsrat für Kunst die Schleifung aller Kriegerdenkmäler? Setzte er sich nicht entschlossen für den sozialen Wohnungsbau ein? Vor allem aber sein Nachfolger auf dem Direktorenstuhl Hannes Meyer eckte mit seinen offenen Sympathien für den Kommunismus im politischen Betrieb der Zeit an. Schon in seinem frühen Schaffen als Vertreter der Genossenschafts- und Bodenreformbewegung entwickelte Meyer das Bauhaus in seiner kurzen Zeit als Leiter zu einer antielitären und auf Kooperation ausgelegten Schule weiter. Nicht zufällig war die Kunst vieler Bauhausmeister nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert.

Im anstehenden Jubiläumsjahr gilt es jedoch offensichtlich, die „Marke Bauhaus“ als eine primär ästhetische Bewegung zu stilisieren, um der Verwertung durch die Tourismusindustrie keine Steine in den Weg zu legen. Bauhaus, das soll für die Stiftung offenbar stolzes, dem profanen Tagesgeschehen enthobenes UNESCO-Weltkulturerbe sein – Aufmärsche von Neonazis und Rechtsradikalen wie im März 2017 vor dem Hauptgebäude wollen da nicht ins Bild passen.

Tatsächlich ist das Bauhaus Dessau seit einiger Zeit (wieder) Projektionsfläche perfider rechtspopulistischer Agitation. Wie das Bauhaus jedoch zur Wahrung der Demokratie beitragen soll, wenn im vorauseilenden Gehorsam kritische künstlerische Positionen unterbunden werden, bleibt schleierhaft. Vielmehr scheut hier eine Institution, sich in politisch brisanteren Zeiten aus der Deckung zu wagen und ihre Tradition als gesellschaftlicher Akteur weiterzuführen. Demokratie und politische Haltung widersprechen sich nämlich nicht, sondern bedingen sich.


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