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09.11.2020

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Architekt, Hochschullehrer, Kunstliebhaber

Zum Tod von Wolfgang Döring


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Den einen fällt vielleicht zuerst das experimentelle Haus ein, das der Architekt Wolfgang Döring für den Atomphysiker Theo Mayer-Kuckuk 1961 in Bad Honnef geplant hat. Viele andere, die wie die Autorin an der RWTH Aachen Architektur studiert haben, werden sich an einen charismatischen Hochschullehrer erinnern. Am 4. November ist Wolfgang Döring im Alter von 86 Jahren in Düsseldorf verstorben.

In Düsseldorf verbrachte der 1934 in Berlin geborene Döring weit mehr als die Hälfte seines Lebens. Nach dem Grundstudium unter anderem bei Hans Döllgast an der Technischen Hochschule München und dem Diplom an der Technischen Hochschule Karlsruhe bei Egon Eiermann, in dessen Büro er anschließend arbeitete, war Döring 1960 in die Stadt am Rhein gekommen, um als Assistent bei Paul Schneider-Esleben anzufangen. Bereits 1964 gründete er dort sein eigenes Architekturbüro. In der Kulturszene der Stadt war er als Kunstliebhaber bis zuletzt bestens vernetzt.

Zu seinen ersten Bauten gehörte sein wohl bis heute bekanntestes Werk: Das Haus Mayer-Kuckuk aus dem Jahr 1967, ein Fertigbau mit einem Tragwerk aus Leimholzbalken, das mit markanten trapezförmigen Platten aus achtfach verleimtem Mehrschichtholz ausgesteift ist und das außerhalb des Baukörpers liegt. Döring sei stolz darauf gewesen, dass es auf zierlichen Stahlstiften ruht, deren Querschnitte in der Summe gerade mal der Fläche eines Ziegelsteins entsprechen. 80.000 D-Mark hatte der an der Universität Bonn als Professor für theoretische Physik tätige Auftraggeber Theo Mayer-Kuckuk für den Bau seinerzeit bereit gestellt. Döring nahm den engen Kostenrahmen zum Anlass, um über industrielle Vorfertigung von Wohnhäusern nachzudenken, was er später immer wieder tat, unter anderem in einem bei Suhrkamp 1973 erschienenen Buch „Perspektiven einer Architektur“. Das Aussehen des Hauses Mayer-Kuckuk, sagte er einmal, habe ihn eigentlich überhaupt nicht interessiert.

Für derart provokante Aussagen war Wolfgang Döring bekannt. Direkte und bisweilen düpierende Worte äußerte er auch gegenüber seinen Studierenden an der RWTH Aachen. Von 1972 bis 1999 leitete er dort den Lehrstuhl für Entwerfen und Baukonstruktion und prägte gleich mehrere Generationen mit seiner humorvollen und zugleich kompromisslosen Art ebenso wie mit seinem Blick über die reine Architektur hinaus. Wer die von ihm abgenommene Baukonstruktionsprüfung bestehen wollte, war gut beraten, neben einem Dachentwässerungsdetail auch über die Pyramiden in Ägypten Bescheid zu wissen, erinnert sich die Autorin dieser Zeilen. Ebenso an anekdotenreiche Ausführungen zur Kultur anderer Länder und an ein Entwurfsseminar, das mit Vorträgen über das Werk von ausgewählten Künstlern begann, die der fiktive Bauherr der zu planenden Villa sammelte. Darunter waren Dörings engster Freund, der Maler Günther Uecker, sowie die Fotografen Bernd und Hilla Becher, die Dörings frühe Modelle im Büro fotografiert hatten.

Erfahrungen mit anderen Kulturen konnte Wolfgang Döring im Laufe seiner Karriere vielfach sammeln. Von 1971 bis 1973 hatte er ein zweites Büro in Mailand, wo unter anderem Entwürfe für ein Kulturzentrum in Modena entstanden. Von 1974 bis 1976 betrieb er ein Büro in Riad, wo er mit der Planung und dem Bau von Sportzentren in Saudi-Arabien und Projekten in Libyen beschäftigt war. Zusammen mit Tülay Arkhan führte er von 1984 bis 1989 ein Büro in Istanbul. 1988 war er mit Plänen für die Renovierung und Erweiterung des Melnikow-Hauses in Moskau betraut, die jedoch nie umgesetzt wurden. Zu seinen Bauten in Deutschland zählen vor allem private Wohnhäuser, aber auch das Kai-Center im Medienhafen Düsseldorf, drei U-Bahnstationen und eine Friedhofshalle und Gedenkstätte der jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

Zur Wertschätzung, die seine Schüler, zu denen Christoph Ingenhoven und Karl-Heinz Petzinka ebenso wie Anne-Julchen Bernhard und Gerd Wittfeld gehören, ihm entgegenbrachten, zählten nicht zuletzt auch Einladungen in die ganze Welt. So waren es ehemalige Studenten, die ihn 1992 für eine Gastprofessor an die Universität Tokio am Tokyo Institute of Technology holten und 2011 für eine Gastprofessur an die Universidad Technologica Equinoccial in Quito, Ecuador. Auch seine beiden Büropartner Michael Dahmen und Elmar Joeressen, mit denen er von 1996 bis 2018 das Büro Döring Dahmen Joeressen Architekten betrieb, sind ehemalige Studenten. Sie werden das Büro unter gleichem Namen weiterführen. Zeichnungen, Skizzen und Modelle von Wolfgang Döring aus der Zeit vor DDJ Architekten sind im Deutschen Architekturmuseum (DAM) archiviert.

Text: Friederike Meyer



Zum Thema:

In einer früheren Version hieß es: „1985 war er mit Plänen für die Renovierung des Melnikov-Hauses in Moskau betraut.“ Diese Aussage wurde präzisiert.

In einem Beitrag für die Bauwelt, veröffentlicht in Heft 42.1997, schreibt Wolfgang Döring, wie es zu dem Auftrag in Moskau kam und warum seine Entwürfe nicht realisiert wurden. Mehr zur jüngeren Geschichte des Melnikow-Hauses gibt es auf BauNetz.de unter anderem hier und hier. Außerdem erschien eine BAUNETZWOCHE zu den Gebäuden des russischen Konstruktivismus.
Zahlreiche Fotos, Pläne und Details zur Sanierung von Haus Mayer-Kuckuk, die 2016 mit dem Rheinisch-Westfälischen Staatspreis für Denkmalpflege ausgezeichnet wurde, gibt es auf www.mayer-kuckuk.de.


Kommentare

9

staubmeier | 12.11.2020 17:09 Uhr

...

ich las die meldung gerade erst. gestern habe noch an den fast vor zwei jahren verstorbenen gustav peichel gedacht. da kam mir der "dö" in den kopf. liegt vielleicht nur an der brille. für den einen musste gute architektur leibhaftig, gar erotisch sein. "Kommt da gleich das Vögelchen raus?" döring beim anblick einer kreisrunden öffnung in einem kistenentwurfs eines studenten. "Sie müssen das weglassen. Dann werden sie ein guter Architekt."

8

Zawodnik | 11.11.2020 20:06 Uhr

Prof. Wolfgang Döring

Smutna to wiadomosc
Kondolencje

7

STPH | 10.11.2020 08:06 Uhr

das Dazwischen


Auflösung des Knotens mittels Glasbändern und Brettern. (Kukuk)

6

Hartmut Witte | 09.11.2020 17:39 Uhr

Haus Mayer-Kuckuk

Ich bin Bewohner des Hauses Mayer-Kuckuk. Wir haben das Haus 2014 / 2015 mit großem Aufwand saniert und dafür den NRW Staatspreis für Denkmalpflege erhalten. Bei der Verleihung war auch Herr Döring dabei, sichtbar froh darüber, daß sein Haus erhalten werden konnte. Es war in der Tat einsturzgefährdet und schien kaum zu retten. Heute ist es "wie neu".

Die Trapeze sind übrigens keine Tischlerplatten (Stabsperrholz) sondern 8fach verleimte Mehrschichtholzplatten. Alle Details finden Sie auf der Internetseite zum Haus Mayer-Kuckuk.

Anmerkung der Redaktion: Vielen Dank für die Informationen, die wir gerne noch aufnehmen. Das Sanierungsbuch ist in der Tat sehr lesenswert.

5

Carsten Venus | 09.11.2020 16:54 Uhr

Zum Tode von Prof. Wolfgang Döring

Prof. Wolfgang Döring war für mein Studium an der RWTH Aachen einer der prägenden Personen. Neben weiteren Persönlichkeiten konnte insbesondere er über die herausfordernde Polarisierung seiner Thesen die Studenten* zu einer eigenen Haltung bewegen. Die 90er Jahre waren ja weder sehr politisch noch groß Umweltbewegt - es war die Auseinandersetzung mit der Ikonographischen Architektur und dem singulären Entwurfsstatus. Prof. Döring war immer an einer Vision im Hinblick auf eine Haltung der Baukonstruktion und deren Auswirkung auf die ästhetische Botschaft interessiert. Und er hat alle gefordert Konstruktion und Materialität im Detail zu Begreifen - als Basis einer allumfassenden Architekturausbildung. Es gibt viele tolle Anekdoten, die ich von ihm mitgenommen habe!

4

BCH | 09.11.2020 16:37 Uhr

Dö.

Von ihm konnte man auch lernen, wie man mit nassforscher Rhetorik seine Entwürfe verkaufen musste. Immer ein Vergnügen, mit ihm ein bisschen zu streiten. Unvergessen, wenn er zu spät zu einem Termin kam, seinen Mercedes harsch bremste und Hände reibend hereinsprang: So, dann können wir ja gleich anfangen, wenn Sie alle da sind...

3

Robert Zimmermann wundert sich über | 09.11.2020 16:13 Uhr

das Gestern und das Heute

Wie traurig wieder einmal zu sehen, wie weit die gesellschaftliche Debatte um Architektur schon einmal war (oder scheint dies etwas nur in der Verdichtung des Rückblicks so?) und wo wir heute stehen.

Leider zeigen das solch traurige Ereignisse wie dieses (oder vielmehr die dazu gehörigen Retrospektiven der entsprechenden Werke) immer wieder.

Heute wird allzu oft die Beherrschung der Werkzeuge über dies des Verstandes gesetzt. Das eine ist von Projektsteuerern und Entwicklern eben besser zu greifen, das andere überschreitet oft die Vorstellungskraft der Handelnden.

Wieder einmal ein großer Autor weniger. Mein Beileid.

2

Fermin | 09.11.2020 16:03 Uhr

Sehr traurige Nachrichten

Guter Architekt und guter Mesnsch

1

einarchitekt | 09.11.2020 15:53 Uhr

Haus Kuckuck

Wenn das Haus Meyer-Kuckuk das bekannteste Werk ist, hätte man das Haus sehr gerne hier zu Ehren von Wolfgang Döring genauer gesehen.

"Haus Mayer-Kuckuk [...], das mit markanten dreieckigen Holzscheiben ausgesteift ist [...]"

- das so beschriebene kann ich hier jedenfalls nicht sehen.

Anmerkung der Redaktion: Die Platten sind trapezförmig und bestehen aus Stabsperrholz. Auf dem Foto wirken sie Stahplatten, daher möglicherweise die Unklarheit. Wir haben den Text und die Bildunterschift angepasst.

 
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Wolfgang Döring (1934–2020) Foto: Martin Steffen

Wolfgang Döring (1934–2020) Foto: Martin Steffen

Haus Wabbel, bei Düsseldorf, 1971 – 1973

Haus Wabbel, bei Düsseldorf, 1971 – 1973

Kapselhäuser / Stapelhäuser, 1964–1966

Kapselhäuser / Stapelhäuser, 1964–1966

Haus Mayer-Kuckuk mit seinen markanten Aussteifungen aus achtfach verleimtem Mehrschichtholz, 1965–1967

Haus Mayer-Kuckuk mit seinen markanten Aussteifungen aus achtfach verleimtem Mehrschichtholz, 1965–1967

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