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28.09.2012

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Pate der behutsamen Stadterneuerung

Zum Tod von Hardt-Waltherr Hämer


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Jeder, der ihn näher kannte, rief ihn „Gustav“. Der Architekt, Stadtplaner und Hochschullehrer Hardt-Waltherr Hämer war vor allem eines: ein engagierter, oft unbequemer Bürger. Ohne ihn sähe Berlin heute anders aus. Autobahnschneisen und Hochhäuser hätten große Teile von Kreuzberg vernichtet. „Gustav“ Hämer hat maßgeblich dazu beigetragen, dies zu verhindern, er hat statt dessen die „behutsame Stadterneuerung“ als Konsensmodell durchgesetzt. Gestern ist er im Alter von 90 Jahren in seinem Alters-Ruhesitz Ahrenshoop gestorben.

Hämers Lebensleistung wird nicht in erster Linie mit seinen Hochbauten in Verbindung gebracht, obwohl es durchaus beachtliche gibt: Mit der Landwirtschaftskammer in Münster (1951-52; mit Werner Ruhnau) hat er einen „beschwingten“ Rasterbau und mit dem Stadttheater in Ingolstadt (1962-64; mit Marie-Brigitte Hämer-Buro) einen polygonalen Großbau errichtet – jeweils im Geiste der Zeit.

Hämers eigentliche Leistung ist jedoch eine Moderationsleistung: Er hat seit den späten sechziger Jahren in Berlin gegen die damals übliche Kahlschlagsanierung gekämpft – und hat damit zunächst beachtliche Widerstände bei der Politik und den Wohnungsbauunternehmen provoziert. Heute kaum mehr vorstellbar, wurde damals (besonders in Kreuzberg und Wedding) systematisch und großflächig Altbausubstanz zerstört. Hämer wies unermüdlich nach, dass Erhalt und Sanierung der Altbauten preiswerter sei, das Stadtbild erhalte und vor allem soziale Belange berücksichtige. Der „Tagesspiegel“ nennt Hämer heute den „Retter von Kreuzberg“.

Erstmals erfolgreich angewandt wurde seine später so genannte „behutsame Stadterneuerung“ 1974 bei einem gründerzeitlichen Wohnblock am Klausenerplatz in Berlin-Charlottenburg, der fortan „Hämerblock“ genannt wurde. Als Direktor des Altbau-Teils der IBA 1984/87 konnte Hämer schließlich sein Leitbild ganz offiziell zum „Demonstrationsziel“ einer internationalen Bauausstellung machen. Bewohnerpartizipation ist seitdem ein selbstverständlicher Bestandteil bei stadtplanerischen Großmaßnahmen. – Nach Abschluss der IBA übernahm Hämer seinen damaligen Planungsstab und führte ihn als „STERN – Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung“ privatwirtschaftlich fort.

Hämers Einfluss war im West-Berlin der achtziger Jahre am größten. Zuletzt ist er in Berlin um 2001 für die Rettung des Studentendorfes Schlachtensee öffentlich aktiv geworden.

In seiner Wahlheimat Ahrenshoop hatte Hämer als Student der damaligen HfbK Berlin 1950-51 eine kleine Schifferkirche realisiert, die er 2005 sanierte und erweiterte. In dieser Kirche wird am Freitag nächster Woche die Trauerfeier für „Gustav“ Hämer stattfinden. (-tze)


Kommentare
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1

Pekingmensch | 29.09.2012 08:00 Uhr

Paradigmenwechsel

Haemers Einfluss auf die heutige Stadtplanung kann kaum ueberschaetzt werden. Er hat nicht weniger als einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Das wir Architekten (und Architekturstudenten) es uns heute in komfortablen Gruenderzeit-Altbauwohnungen bequem machen koennen, umgeben von Bars, Restaurants, Gallerien und Bio-Laeden, und nicht in 20stoeckigen Neubauten neben der Stadtautobahn dahinvegetieren muessen - das haben wir nicht zuletzt diesem einen Mann zu verdanken. Haemer haette aber sicher auch zum Thema "Gentrifizierung" versus "Nachhaltige Stadtentwicklung" einiges zu sagen gehabt. ...und die Schifferkirche ist ein fantastisches kleines Projekt: unverkennbar dem Ort und der lokalen Bautradition verbunden und doch gleichzeitig zeitgenoessisch. Beispielhaft!

 
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Hardt-Waltherr Hämer, 2006

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Schifferkirche Ahrenshoop

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