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13.12.2022

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Explosionen an der Schmerzgrenze

Zum 80. Geburtstag von Wolf dPrix


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„Achtung neue Schreibweise!“ hieß es letztes Jahr aus dem Büro Coop Himmelb(l)au: Wolf D. Prix schreibt sich seit kurzem Wolf dPrix. Eine solche typografische Neujustierung des eigenen Namens passt zu einem Architekten, der ständig in Bewegung ist, gerne provoziert und immer auf die spektakuläre Form aus ist. Heute vor 80 Jahren wurde Wolf Dieter Prix in Wien als Sohn eines Architekten geboren. Man darf es sicher so pathetisch formulieren: Prix zählt zur letzten Generation des 20. Jahrhunderts, die radikal-naiv und mit ganz großer Geste die avantgardistische Erneuerung der Welt fordern konnten. Und das tat und tut er bis heute – scheinbar mit Vorliebe an moralischen Schmerzgrenzen.

Prix studierte Architektur an der TU Wien, an der AA in London und am Southern California Institute of Architecture in Los Angeles. 1968 gründete er gemeinsam mit Helmut Swiczinsky und Michael Holzer Coop Himmelb(l)au; Holzer stieg 1971 aus, Swiczinsky zog sich zwischen 2001 und 2006 sukzessive aus dem Büro zurück. Der runde Geburtstag ist ein guter Anlass, (wieder einmal) einen Blick in das 1980 erschienene Manifest Architektur muss brennen zu werfen – das auf dem Wiki monoskop.org als PDF zum freien Download zur Verfügung steht.

Man findet dort erste Realisierungen, großmaßstäbliche Architekturutopien, pneumatische Objekte, Video-Feedback-Environments, aber auch eine Aktion wie „Harter Raum“, die im Jahr 1970 aufgeführt wurde und über die Coop Himmelb(l)au schreiben: „Drei Personen lösen durch ihre Herzschläge je 20 Explosionen aus. Die Sprengsätze sind in drei 2 km langen Linien in der Landschaft ausgelegt. 20 Herzschläge lang wird ein Raum gebaut.“ Die ganze Radikalität der Wiener Neoavantgarde der 1960er Jahre schlägt hier voll durch. Hinzu kommt die Wut auf die architektonische Spätmoderne, die sich bereits im ersten Satz der Publikation manifestiert: „Wie beschissen die siebziger Jahre waren, kann man aus den verklemmten Architekturprojekten lesen.“ Ab jetzt sollte es brennen und knallen – und Coop Himmelb(l)au wollten die Zündler und Sprengmeister sein.

Mit seinen dekonstruktivistischen Architekturorgien hat Prix weltweit Maßstäbe gesetzt. In der westlichen Welt und vor den drängenden Debatten um Ressourcenknappheit scheinen die Projekte des Büros freilich zunehmend aus der Zeit gefallen. Zu wichtigen Auftragggebern wurden deshalb schon vor vielen Jahren autokratisch regierte Staaten, wo die exzessiv-emotionale architektonische Inszenierung und Repräsentation noch immer viel zählt. Die Debatte darum, ob man beispielsweise auf der von Russland besetzten Krim bauen „darf“, kocht zum runden Geburtstag völlig zu Recht wieder hoch.

Im großen Geburtstagsinterview der Wiener Tageszeitung Der Standard kann man sich die Argumentation von Prix nochmals in extenso zu Gemüte führen. Auf die Frage von Wojciech Czaja und Maik Novotny, was es „mit ihm mache“, dass er vorwiegend für autokratische Regimes baue, antwortet Prix: „Das macht gar nix mit mir. Gegenargument: Ich habe Sympathie für eine Gesellschaft, demokratisch oder autokratisch, die sich erlaubt, auf einen Schlag in sieben Städten Kulturzentren zu bauen. Bei uns heißt es nur: Brauchen wir nicht! Es wird gerne vergessen, dass auch ein François Mitterrand autokratisch entschieden und zahlreiche Großprojekte beauftragt hat. Und ganz ehrlich: Es macht keinen Unterschied, ob man für Autokraten oder für Turbokapitalisten baut. Für Autokraten ist es sogar etwas angenehmer, weil sie nicht jeden Cent berechnet haben wollen, um zu wissen, wie viel sie mit einem Projekt verdienen.“

Man kann Prix sicherlich Zynismus vorwerfen. Er jedenfalls nimmt für sich selbst in Anspruch, frei von westlichem heuchlerischen Moralismus zu sein. Und eines sollte man zum runden Geburtstag auch noch festhalten: Von all den manierierten Architekturbüro-Namenskreationen ist und bleibt Coop Himmelb(l)au mit Sicherheit bis auf Weiteres die schönste. (gh)


Zum Thema:

Das Musée des Confluences in Lyon zählt für Wolf dPrix zu seinen besten Bauten. In der BauNetz-Filmreihe ARCHlab berichtete er vor einigen Jahren über den Entwurfsprozess. Vor kurzem erschien im Birkhäuser Verlag das Buch Coop Himmelb(l)au, Out of the Clouds, Wolf dPrix: Sketches 1967–2020.


Kommentare

11

a_C | 15.12.2022 12:17 Uhr

IMO: Furchtbarer Typ, furchtbare Architektur

In meinen Augen sind weder Prix als Architekt, CH noch deren Gebäude für den Architekturdiskurs relevant gewesen oder gar heute noch relevant. Ich empfinde Prix als Schaumschläger, der sich selbst und seine Bauten lediglich sehr gut verkauft.

Das beeindruckt viele Architekten, die sich insgeheim auch die Fähigkeit für so ein selbstbewusstes und nassforsches Auftreten wünschen würden. Groupietum im schwarzen Rollkragenpullover...

Bis auf das Gasometer B in Wien und ggf. noch den Kristallpalast in Dresden sind sämtliche Gebäude von CH, denen ich bisher begegnet bin, auf jeder Ebene - städtebaulich, räumlich, konstruktiv etc. - ein mehr oder weniger großes Ärgernis gewesen.

10

auch ein | 14.12.2022 15:27 Uhr

architekt

Endlich wieder alle beieinander:
solong mit den tüpfchen, arcseyler mit tiefgründigem LSD-schwurbeln, ixamotto grummelt auch neidvoll.

Und als bild 4 eine «genial» bemalte papierserviette, vielleicht mit der DNA vom wolf.

jetzt wird alles gut und es kann weihnachten und eine pause kommen

9

solong | 14.12.2022 14:06 Uhr

gustav ... narzissmus

... um gottes willen ... er ist halt ein echter wiener ... und ein bisschen selbstsüchtig ... sind wohl die meisten planenden ... und dann kommt da noch das wienerblut dazu ... man muss ihm lassen, dass er schon immer denkansätze über das normale hinaus hatte und ja durchaus auch einige recht sehenswerte, exzentrische bauwerke geschaffen hat ... als provokation immer mal wieder gut ... die frage, ob man auf anektiertem grund für ein regime eine oper bauen sollte ist natürlich gestattet ... ist aber nicht so einfach in schwarz oder weiß zu beantworten

8

arcseyler | 14.12.2022 13:46 Uhr

.....

Moderne war auch autokrarisch unterwegs. Somit gründet sie tiefer in ihrer Spannung zwischen Emotion und Ratio, was wir cool nennen. Simone Weil erklärt die Wissenschaft zur religiösen Suche..

7

Gustav | 14.12.2022 10:32 Uhr

@Peter - Architektur muss brennen?

Das bekommt einen schönen Geschmack, wenn man das Engagement seines Büros auf der Krim für das Regime Putins kennt - ich empfehle hier das entlarvende peinliche Interview von Herrn dPrix im Spiegel 14/2022. Ich habe mich selten so geschämt für einen Architekten. Hoch lebe der Narzissmus!

6

charly | 14.12.2022 10:04 Uhr

Name

coop himmelblau hießen sie bei der Gründung. Die Klammer um das l kam erst viel später, als aus den Visionen Realisierungen wurden.

5

peter | 14.12.2022 08:52 Uhr

typen wie wolf d. prix sind mir 1000 mal lieber

als die große masse von spiessern, die ihren investoren in den allerwertesten kriechen und mit belangloser 0815-architektur die neubaughettos von morgen schaffen.

architektur muss brennen!
happy birthday!

4

50667 | 14.12.2022 08:51 Uhr

Menschen....


...die ihre beim telefonieren bemalten Papierservietten sammeln waren mir immer schon suspekt...

3

ixamotto | 13.12.2022 19:12 Uhr

...

in den himmel b(l)auen aber geistig tieffliegen

2

rotho | 13.12.2022 18:05 Uhr

prix

lassen wir ihn wie er ist, großartig. die gebaute Architektur ist bereichernd, spannend sicher nicht immer schön ,aber bewegend. ich mag die Architektur, Himmelblaus Architektur ist sinnlich, sex für die augen.ich weiß es gibt genug Kritiker , lamentieren etc. so what. traut euch das erst mal oder habt die Fantasie und dann verkauft es. ich hatte ihn vor 35 jahren als Projektkritiker 3 mal und es war einfach gut. ich mag die Architektur und den typen der zeichnen kann, leider sterben diese Kollegen langsam aus. happy birthday Wolf.d Prix

1

arcseyler | 13.12.2022 16:29 Uhr

.......

wie sich bei Prix in Bild 1 aus der Nähe alles dekonstruiert oder die Teile sich zum Ganzen fügen. Es gibt kein schlechtes Motiv, man muss nur nah genug heran. Bild 2 ist dann so ein herausgegriffenes Detail, sein Bestes.

 
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