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04.02.2020

Beton-Arkaden am Fluss

Zu Besuch im Tanzhaus von Barozzi Veiga in Zürich


Eine Stützmauer für eine absturzgefährdete Böschung am Fluss? In typologischer Hinsicht lässt sich Zürichs neues Tanzhaus nur schwer einordnen. Wie ein Theaterbau wirkt das Gebäude jedenfalls nicht. Das ist auch seiner Entstehung geschuldet, wie unser Autor vor Ort herausfand.

Von Klaus Englert


Durch das im September letzten Jahres eröffnete Tanzhaus erhielt Zürich einen neuen attraktiven Ort direkt an der stadtprägenden Limmat. Noch Wochen nach der Eröffnung, also schon weit im Herbst, tummelten sich am nahe gelegenen Flussbad die sonnenhungrigen Badegäste. Wer nun an der beliebten Promenade stadtauswärts geht, nimmt vom Tanzhaus zunächst das „Café Nude“ hinter einer arkadenartigen Fassade wahr. Diese Stützenreihen, die sich auf dem zweiten Geschoss wiederholen, sind das markante Erkennungszeichen des Neubaus. Errichtet wurde er vom Duo Barozzi Veiga, das im vergangenen Oktober auch noch das Musée cantonal des Beaux Arts in Lausanne fertigstellen konnte.

Die Parabol-Stützen, bei denen es sich genau genommen um schmale Trapeze handelt, rahmen insgesamt sechzig verglaste Öffnungen. Sie sind, so lässt sich vermuten, auch ein Verweis auf die Herkunft beider Architekten: das stark von der Formensprache Gaudís geprägte Barcelona. Alberto Veiga und Fabrizio Barozzi vermieden allerdings eine allzu platte Kopie von Gaudís bekannten Parabolbögen. Ihre Stützen wirken kantiger, erinnern ans Art Déco. Dass die beiden Architekten, die mit der Philharmonie in Stettin bekannt wurden, nach dem fulminanten Auftrag für den Erweiterungsbau in Chur auch noch ein Folgeprojekt für Zürich erhielten, ist aber einem traurigen Anlass geschuldet.

2012 brannte der Vorgängerbau, die Maschinenhalle einer Seidenweberei, nieder. Die Halle hatten sich die Tänzer*innen mit einer Textilfachschule, ebenfalls auf dem Grundstück angesiedelt, geteilt. Weil die Schule aber ein paar Jahre nach dem Brand den Standort am Fluss aufgab, wurde es möglich, dass sich das Tanzhaus unmittelbar am Limmatufer auf dem schmalen Baugrundstück ausbreiten konnte. Nach dem Brandstattrecht musste das neue Gebäude nämlich an der gleichen Stelle und im gleichen Umfang erstellt werden. Das spanische Büro war jedoch das einzige im Wettbewerb 2014, das den Bau dem Verlauf des Hangs (und der Limmat) anpasste, sowie den oberen Teil der Fassade zurücksetzte. Oberhalb der Böschung befindet sich in einem anderen Gebäudeteil der Weberei noch heute eine Bühne des Tanzhauses. Die restlichen alten Räume mussten die Tänzer allerdings für den Neubau aufgeben. Dort arbeiten mittlerweile Architekturbüros.

Verbunden bleiben Alt- und Neubau durch eine steile Außentreppe, die nicht nur die obere Büroetage erschließt, sondern auch auf eine begrünte Dachterrasse und schmale Zwischenebene führt. Die Fassade wird hier teilweise zum Oberlichtband, das den doppelgeschossigen Tanzsaal mit Tageslicht versorgt. Die Studios haben durch Lichtschächte Kontakt zum Außenwelt. Ein klares architektonisches Konzept war bei Barozzi Veiga Trumpf: Die Gliederung der öffentlichen und privaten Zonen, die Unterteilung zwischen Grünzone, Café und Arbeitsräume ist deutlich erkennbar, obwohl im Außen- und Innenbereich die neutrale Sichtbeton-Fassade das Bild bestimmt.

Das Café ist der zentrale Ort des Tanzhauses: Es nutzt die gesamte Gebäudelänge von fünfzig Metern und hat den Vorteil, dass die Längsfassade zur Limmat und zum Tageslicht ausgerichtet ist. Vorhänge oder Jalousien erübrigen sich, da die Architekten an natürlichen Sonnenschutz dachten: Das dichte Blätterwerk der Ranken- und Staudengewächse über den abgekanteten Parabolbögen filtert das Sonnenlicht und erhöht die Biodiversität. Nicht umsonst wurde das Gebäude mit dem Schweizer Minergie-ECO-Standard zum gesunden und ökologischen Bauen zertifiziert, der von privaten Unternehmen, den Kantonen und vom Bund gemeinsam getragen wird. Auf halbem Weg zwischen den beiden Museumsbauten in Chur und Lausanne gelang Barozzi Veiga auf diese Weise ein bewundernswertes Kleinod am Zürcher Flussufer.

Fotos: Simon Menges


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