Von Nadin Heinich
Gründerzeitfassade, Mittelweg, Hamburg Rotherbaum, beste Lage. Das Haus, das Lars Hinrichs gerade in Hamburg (um)baut, war ursprünglich als konservative Geldanlage gedacht. Modernisieren, eine Etage aufstocken, dann vermieten. Doch die tragenden Wände waren für die Aufstockung viel zu dünn, das Haus wurde komplett entkernt und beim Wiederaufbau mit neuester Technik ausgestattet. Wer dort wohnen wird, braucht keine Schlüssel. Das Haus erkennt den Mieter anhand seines Smartphones, der Fahrstuhl kommt automatisch, die Packstation schickt eine Email, wenn ein Paket eingegangen ist. Es gibt ferngesteuerte Badewannen mit Unterwassermusik, Hightech-Duschen, in denen jede Düse des Duschkopfes einzeln angesteuert werden kann. Auch Waschmaschine, Heizung und Licht funktionieren via Remote Control. Das Ganze nennt sich Apartimentum und umfasst 45 Wohnungen. Die ersten 20 sind nächsten Februar bezugsfertig.
Smart Homes gibt es schon eine Weile, aber der Markt ist ein Wachstumsmarkt mit viel Potential. Was ist hier wirklich neu? Und braucht man das? Wir waren mit Lars Hinrichs auf der Expo Real zum Interview verabredet. Einer der schnellen Jungs aus der Internetszene trifft auf die träge Immobilienbranche.
Wer soll denn da einziehen und warum?
Das Apartimentum ist ein Haus für Nicht-Hamburger. Eine der wichtigsten Zielgruppen sind C-Level-Expats, Menschen in Führungspositionen, die für eine begrenzte Zeit in Hamburg sind. Sie sind zwischen 35 und 55 Jahren alt, können und wollen nicht dauerhaft sesshaft werden, sind aber sehr anspruchsvoll. Bei mir zahlen sie keine Miete im klassischen Sinne, sondern buchen eine „Flatrate Wohnen“. Darin sind alle Nebenkosten, Strom, Internet etc. enthalten.
Wie technisch gebildet muss man sein, wenn man in Ihrem Haus wohnen möchte?
Es reicht, wenn man ein Smartphone bedienen kann.
Wird Ihr Haus bei all der Technik auch jederzeit funktionieren?
Es ist die alte Welt, die nicht mehr funktioniert! Die alten Systeme regen mich jeden Tag auf! In meinem Haus, vor fünf Jahren nach dem neuesten Stand der Technik gebaut, war letzte Woche die Fußbodenheizung kaputt. Ich musste zwei verschiedene Techniker kommen lassen, um das zu reparieren. Die alte Welt meint teure BUS-Systeme, die über einen zentralen Home-Server gesteuert werden. Das sind wahnsinnig starre Systeme, die nur mit einem enormen Aufwand angepasst werden können, weil die Steuerungssoftware nur durch einen Fachmann umgeschrieben werden kann.
In der Welt, in der ich lebe, gibt es nur IP. Die verschiedenen Geräte sind über das Internet miteinander vernetzt. Das Haus braucht nur zwei Informationen: Ist jemand da? Und wie spät ist es? Es wird über Smartphone oder Tablet gesteuert. Bei mir haben Sie zehn verschiedene Apps, die sich selber updaten. Smart Home 2.0. Das Apartimentum ist weltweit das erste Haus, das zu einhundert Prozent auf IP basiert ist.
Was meinen Sie mit „5. Kategorie des Wohnens“?
Bisher gab es vier Wohn-Kategorien, das Eigentum, die Wohnungen mit dem größten Luxus, die Mietwohnung, in der man sich bereits zu Hause fühlt, das Boardinghouse, das mehr Flexibilität bietet, und das Hotel mit seinem umfassenden Service. Dem füge ich mit dem Apartimentum eine neue Kategorie mit „Instant Comfort“ hinzu.
Passt denn da eine Gründerzeitfassade?
Die Gründerzeitfassade fand ich schön. Außerdem wird es ein neues Dach mit großen Fenstern geben. Das fällt auf.
In den letzten Jahren habe ich sehr viel gelernt. In der Baubranche gibt es ganz viele Gesetzmäßigkeiten, dazu ganz viele Gesetze. HOAI etc. Die Baubranche ist antiinnovativ, verharrt in alten Strukturen, in alten Bestellketten. Das kann man alles neu machen! Wenn es sehr viele Regeln gibt, wenn Leute häufig sagen, „das machen wir immer schon so“, sind die Chancen am größten, einen Markt zu verändern.
Was würden Sie denn anders machen?
Die Wohnungen im Apartimentum habe ich selbst designt. Architekten planen von außen nach innen, ich von innen nach außen. Wenn das Apartimentum in Hamburg ein Erfolg wird, wird es eine Fortsetzung in anderen Städten geben. Das wird dann ein Typ. So etwas lernt man im Internet: Etwas Neues machen und es dann immer wieder multiplizieren.
So wie beim Motel One? Ich übernachte da oft und weiß auf Reisen morgens im ersten Moment wirklich manchmal nicht mehr, wo ich bin.
Ich übernachte immer im Motel One! Die sind sehr gut. Aber ganz so wird es nicht werden. Lassen Sie sich überraschen!
Ist Deutschland ein gutes Land für Gründer?
Deutschland war ein gutes Land für Gründer, der „German Mittelstand“ ist weltbekannt. Es gibt 1.400 Weltmarktführer im Mittelstand, aber keine im Internet. Daher habe ich u. a. am Startup-Manifesto, initiiert von Neelie Kroes, der ehemaligen EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, mitgearbeitet. Ich mache also auch ein bisschen Politik.
Über Lars Hinrichs
Er denkt selten in kleinen Dimensionen. Mit XING hat Lars Hinrichs eines der erfolgreichsten deutschen Internetunternehmen gegründet. Jetzt baut er in Hamburg das „intelligenteste Haus Deutschlands“. Verkaufen kann er. Unkonventionell denken auch. Hinrichs ist Jahrgang 1976 und stammt aus einer Hamburger Unternehmerfamilie. Er hat genau einen Tag lang studiert. Mit Anfang 20 baute er lieber die Website politik-digital.org auf, eine noch immer bestehende Seite für Politik im Netz, mit der er u. a. den Grimme Online Award gewann. Zwar ging er 2001 mit seiner damaligen Agentur für PR-Beratung und Softwareentwicklung pleite und versenkte mehrere Millionen, doch schon zwei Jahre später gründete er das Kontaktnetzwerk Open BC, Open Business Club, benannte es 2006 um in XING und ging damit an die Börse. 2009 verkaufte er XING für knapp 50 Millionen Euro einen Großteil seiner Aktien an Hubert Burda Media. Danach investierte er mit HackFwd, einer Venture Capital Gesellschaft, drei Jahre lang in Startups. Aktuell ist Hinrichs Gesellschafter und Mitglied des Aufsichtsrats mehrerer Unternehmen, letzteres u. a. bei der Telekom.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Captain Kirk | 13.10.2015 18:08 UhrMarketing
Ob selbstverliebt, arrogant oder nicht mag ich nicht beurteilen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß diese simplifizierenden Sprüche außerhalb eines Architektenforums ihren Zweck sehr gut erfüllen.
Schließlich befindet sich das öffentliche Ansehen unseres Berufstandes auf Augenhöhe mit Politikern und "Systemmedien". Um diese Resentiments zum eigenen Vorteil zu nutzen muss man nicht zwingend arrogant sein, schlau aber schon.