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22.09.2020

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Alltägliches Experiment

Wohnungsbau in Berlin-Neukölln von EM2N


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Jahrzehntelang waren die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Berlins vor allem mit der Verwaltung ihrer Bestände beschäftigt. Auf Wunsch der Politik entstehen nun aber seit einigen Jahren verstärkt neue Wohneinheiten. In baukultureller Hinsicht ist darunter jedoch nur selten etwas Vorzeigbares, kaum ein Projekt schafft es in die einschlägigen Architekturzeitschriften. Man tut sicherlich niemand unrecht, wenn man anmerkt, dass es anderswo – beispielsweise in Wien, Paris oder München – besser läuft. Auch wenn die Gründe für das überschaubare Niveau des öffentlichen Berliner Wohnungsbaus natürlich vielfältig sind.

Es gibt aber auch Lichtblicke, und zu denen gehört unbedingt die kürzlich fertiggestellte Wohnanlage der kommunalen Gesellschaft Stadt und Land in der Briesestraße in Berlin-Neukölln. Dort, am Rande des einst mit kleinen Großstrukturen „flächensanierten“ Rollbergviertels, haben EM2N (Zürich/Berlin) eine mäandrierende Bebauung errichtet, die rund 100 Wohneinheiten, ein Café und eine Tiefgarage umfasst. Das Bauvorhaben erhielt dabei schon während der Entstehung viel Aufmerksamkeit. Ursprünglich war das Grundstück samt seiner Tiefgarage nämlich Teil der „Urban Living“-Initiative des Senats, dann wurde mit Blick auf verschiedene Hindernisse ein neuer Wettbewerb ausgelobt. Den gewannen EM2N zusammen mit dem den Landschaftsarchitekten von Man Made Land (Berlin).

Der neue Wohnkomplex ist um einen großen begrünten Innenhof herum organisiert, der von tiefen Laubengängen flankiert wird. Zur Straße präsentiert sich die Architektur zurückhaltend in der Logik der Altbauten und des Blockrands. Nur einmal springt die Baulinie zurück, wodurch ein kleiner Platz entsteht. Dort befindet sich das Café. Die Umsetzung des Wettbewerbsentwurfs ist bis hin zum 50s-Touch der straßenseitigen Fassaden gut gelungen. Wie man hört, bedurfte es hinsichtlich der Alu-Fassaden allerdings eine gewisse Überzeugungsarbeit bei der Wohnungsbaugesellschaft. Im Vergleich zum üblichen WDVS-Allerlei überzeugt das Ergebnis aber um Längen. Das Haus umfasst rund 7.700 Quadratmeter Wohnfläche.

Der experimentelle Charakter der Anlage ist auf den ersten Blick trotzdem nur schwer zu erkennen – es braucht einen Blick auf die Grundrisse. Entstanden sind hier nämlich neben regulären Einheiten nicht nur Wohnateliers, die tatsächlich für die kreative und künstlerische Arbeit genutzt werden sollen. Sondern auch Clusterwohnungen, die sich teils über zwei Geschosse erstecken. Mit ihren umfangreichen Gemeinschaftsbereichen wirken diese in den linearen Baukörpern allerdings etwas gedrängt. Problematisch ist auch, dass sie zu den frei finanzierten Teilen der Anlage gehören und die Mieten damit nicht gerade billig sind. Insgesamt war die Nachfrage nach den Wohnungen aber trotzdem enorm hoch und die Warteliste lang.

Seit April ist das Projekt nun bewohnt, und in diesem seltsamen Sommer dürften sich die Menschen über die tiefen Laubengänge allemal gefreut haben. Auch in den vergangen September-Tagen war die Nutzung vermutlich kein Problem. Doch wie sieht es im strengen Berliner Winter aus? Das war damals, bei der Vorstellung des Wettbewerbsergebnisses, eine der größten Sorgen der Kommentatoren. Betrachtet man jetzt aber die ersten Aneignungsspuren, darf man beruhigt sein. Den Neuköllnern wird schon etwas einfallen. (sb)

Fotos: Andrew Alberts


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Kommentare

15

Michaela Stolcova | 29.09.2020 09:40 Uhr

mehr Mut!

Traurig, die negativen Kommentare zu lesen: so wenig Vertrauen und Mut den Deutschen (Berlinern) gegenüber. Warum sollte eine Typologie, die in der Schweiz oder auch woanders auf der Welt gut funktioniert, hier in Berlin unbedingt scheitern? Wenn man den Bewohnern nichts zutraut, dann ändert sich auch nichts... Die Comfort Zone zu verlassen ist oft gar nicht so schwierig, wie man denken würde.
Ein bisschen mehr Mut und Vertrauen, bitte

14

Dr. Yikes | 24.09.2020 10:12 Uhr

Mein Beileid

Nicht nur, dass es keinen Platz für Familien bietet. Aber dieses Ungetüm verleidet einem geradezu die ganze Straße. So löst man doch keine Ecksituation. Beschämend, für alle Beteiligten. Handwerklich gut gemacht.

13

ixamotto | 24.09.2020 09:28 Uhr

@Johann Maier

Wie gut, dass Architekten keine Hausordnungen schreiben.

12

Johann Maier | 23.09.2020 22:35 Uhr

Wird bestimmt lauschig, denn

hier kann jeder sich nahezu uneingeschränkt der verbreiteten Leidenschaft hingeben, geschmacklosen Krempel vor der Wohnung zu präsentieren.

11

Max | 23.09.2020 10:11 Uhr

Millieu

Als jemand, der als Kind (mit Freude) im Hinterhof gespielt hat, stell ich mir die Anlage für Familien wunderbar vor. Als Student hätte ich mich auch wohl gefühlt. Die ganze Funktion steht und fällt wohl aber letztlich mit dem ansässigen "Millieu". Heute so, morgen so...
Der Artikel beschreibt die Grundrissprobleme schon sehr gut. Bezüglich der (zuletzt gar nicht mehr so) kalten Berliner Winter: Es wird ja gerade ganz passend über die Legalisierung von Heizpilzen geredet.

10

peter | 23.09.2020 10:01 Uhr

grundrisse

wenn man die grundrisse anschaut (leider fehlen die geschosse 4-6, auch auf der website der architekten, warum?), sieht man, dass es sich mehrheitlich um 1- bzw. 1,5-zimmer-wohnungen handelt. es ist also größtenteils ein wohnheim. und dafür ist das laubengangthema völlig angemessen und in ordnung.

was etwas seltsamer scheint, ist die lage der küche in den einraum-apartments (ganz "hinten drin"). wo stellt man da sein bett hin? neben den herd? bei den 1,5-zimmer-wohnungen ist es auch schräg - man geht vom wohnzimmer durchs schlafzimmer ins bad. für den alltag ok, aber wenn man besuch hat, muss der immer durchs schlafzimmer aufs klo. nichts für normalo-spießer jedenfalls, vermutlich wohnen in der anlage aber eh hauptsächlich junge, urbane, hippe menschen mit weniger "geheimem" schlafplatz.

9

Lars K | 23.09.2020 09:41 Uhr

@Thomas K

Na dann mal los: Nennen Sie mal ein paar von den kleinen Büros, die mit ihren Top-Wohnungsbauten nicht veröffentlicht werden.

Ich finde den Bau von EM2N übrigens gut und in jedem Fall interessant genug für eine Veröffentlichung und Diskussion. Die Laubengänge sind nur ein Aspekt und können gut funktionieren, warum nicht, wer hier einzieht, der lässt sich ja bewusst darauf ein und sieht darin wohl auch einen Mehrwert. Der Gebäudeteil mit Laubengängen nur alle zwei Geschosse schient mir da ein zusätzlich wichtiger Punkt. Und die Distanz zur eigenen wohnung, die durch die Lichtscächte geschaffen wird, ist essenziell. Da ist vieles einfach richtig. Die robusten Materialien, die sicher vielen nciht sofort zusagen, ebenfalls. Das ist insgesamt gerade in der Dichte ein Wohnungsbau mit vielen Qualitäten.

8

auch ein | 23.09.2020 09:29 Uhr

Horst

Die Laubengänge und der Innenhof sind doch wirklich mal sympathisch und kommunikativ.

Das muss Architektur eben auch bieten: Möglichkeiten und Chancen. Was der Einzelne daraus macht oder nicht macht, dafür kann die Architektur dann nichts.
Aber scheinbar wird das Angebot angenommen wie die Bilder zeigen.

7

Santa Maria | 23.09.2020 09:04 Uhr

Wohnstilfrage

Finde dieses Haus besser als die Bude von Graft, die hier vor einigen Tagen gezeigt wurde.

6

Thomas K. | 23.09.2020 08:04 Uhr

Gelungener Wohnungsbau?

Ich glaube dieser Wohnungsbau ist in die Veröffentlichung gekommen, weil die "Topbüros" mit grossen PR Abteilungen arbeiten, die kleinen Büros können sich das nicht leisten. Sicherlich gibt es Qualitätsunterschiede und Laubengangerschließungen gefallen nicht jedem, aber gelugener Wohnungsbau ist in meinen Augen anders!
Raum der neue Luxus.....

5

Lutzinger | 23.09.2020 07:36 Uhr

Typ-ologie

Aber natürlich muss man "der Typ dafür" sein, lieber Peter. Sonst gehts nicht. Das gilt ja grundsätzlich für alle Wohnformen, oder? Was Architektur nicht kann: Es allen recht machen. Das erlebt man ja jeden Tag in den Kommentaren hier.

4

NYC Architekt | 23.09.2020 07:26 Uhr

Diskretion

Ich mag es ebenfalls diskret und geschmackvoll.
Zum Glück gibt es noch seriöse Architektur, mit privatem Lift, in dem auch Chauffeur und Maybach Platz finden. Die Scheiben des Maybachs habe ich übrigens von innen mit Flatscreens abgedeckt. Der Müll auf den Straßen Berlins ist nun wirklich nicht auszuhalten.

3

Peter | 22.09.2020 17:49 Uhr

Laubengänge

Solche Laubengänge mit "Terrasse" sind kommunikativ. Und wenn die Bewohnerstruktur passt, kann es auch gut gehen.

Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass man auch der Typ dafür sein muss. Bei mir war es so, dass ich, als ich in einer ähnlichen Anlage wohnte, oft darauf gewartet habe mich nach draußen zu setzen bis die Nachbarn nicht mehr dort saßen. Immerhin gibts hier auch noch "private" Balkone.

2

FFM Architektin | 22.09.2020 17:16 Uhr

Diskretion? Geschmackvoll gestaltete Verkehrswege?

Wer will sich diesen privaten Müll auf den Laubengängen jeden Tag anschauen (Abb 13,15,16,17)?

Wer will immer von allen Nachbarn beim Kommen und Gehen (nebst Besuchern) gesehen werden? Und zusätzlich beim Abschalten auf einem allseits einsichtigen Balkon?

Das Wohnangebot ist mir zu indiskret.

1

auch ein | 22.09.2020 15:45 Uhr

architekt

so sehen funktionierende laubenGÄNGE aus, die man nutzen aber trotzdem noch begehen kann.

bitte in drei jahren nochmal fotos machen

 
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