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30.09.2024

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Gemeinschaftlich und inklusiv

Wohnhaus in Bremen von Praeger Richter Architekten


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Im neuen Hulsberg-Viertel in Bremen stellten Praeger Richter Architekten aus Berlin 2023 einen genossenschaftlichen Wohnungsbau fertig. Pro Kopf stehen rund 30 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, deutlich weniger als der deutsche Durchschnitt von etwa 47 Quadratmetern. Das Projekt setzt dafür auf Gemeinschaftsflächen und ein generationsübergreifendes, inklusives Wohnkonzept in einem begrenzten Kostenrahmen. Die Gestaltung des Hulsberg-Areals geht auf einen Wettbewerb zurück, der 2013 von Carsten Lorenzen gewonnen worden war.

Die Genossenschaft Karl erhielt 2019 im Zuge eines Konzeptverfahrens der Stadt Bremen den Zuschlag für das Grundstück. Damit verpflichtete sie sich auf Dauer zur solidarischen Nutzung. Das genossenschaftliche Konzept soll der Spekulation mit Wohnraum entgegenwirken und bezahlbare Mieten sichern. Letztere richten sich nach der Einkommenssituation der Bewohner*innen und sollen jährlich neu beurteilt werden. Teil der Genossenschaft sind 50 Erwachsene zwischen Mitte 30 und Anfang 70 sowie 20 Kinder und Jugendliche.

Auf einer Bruttogrundfläche von 3.720 Quadratmetern entstanden 29 Wohneinheiten mit einer Größe von 35 bis 109 Quadratmetern sowie gemeinschaftlich genutzte Flächen, die sich auf etwa 200 Quadratmetern über die Geschosse verteilen. Im Erdgeschoss befinden sich zudem Kita, Café, Werkstatt, Abstellraum und ein mietbarer Quartiersraum. Wasch- und Trockenräume sind auf allen Etagen vorhanden. Die gemeinschaftlichen und quartiersorientierten Nutzungen machen rund ein Viertel der Gesamtfläche aus. Hinzu kommen 1.200 Quadratmeter Außenraum mit Spielplatz, Gemüsegarten und Fahrradstellplätzen.

Der fünfgeschossige Baukörper ist durch zwei Treppenhäuser gegliedert und verfügt hofseitig über einen Laubengang, der alle Wohnungen und Gemeinschaftsräume verbindet. Die Wohneinheiten unterscheiden sich in drei Grundrisstypen: die Wohngemeinschaft am Kopf des Gebäudes, die Wohnungen am Laubengang und die etwas abgesetzten Familienwohnungen zum Quartiersplatz. Die Erschließung des Gebäudes sowie alle Gemeinschaftsflächen sind barrierefrei; eine Wohnung ist rollstuhlgerecht. Im ersten Obergeschoss befindet sich eine Inklusions-WG. Das Staffelgeschoss enthält neben Wohnungen eine Gemeinschaftsküche und einen Dachgarten.

Das Gebäude nach KfW-Effizienzhaus 40-Standard wurde in Massivbauweise in Kalksandstein und teilweise Stahlbeton errichtet. Die Fassade besteht aus einem Wärmedämmverbundsystem. Aus Kostengründen wurde die in der Gestaltungssatzung geforderte rote Klinkerfassade nur im Erdgeschoss in Fischgrät-Anordnung umgesetzt. Ebenso wurde auf eine Unterkellerung verzichtet. Praeger Richter Architekten betreuten die Leistungsphasen 1 bis 5, danach übernahmen Campe Janda Architekten mit Sitz in Bremen.

Das Hulsberg-Viertel entsteht auf einem früheren Grundstück des Klinikums Bremen-Mitte. Durch den Umbau des Klinikums wurde eine knapp 14 Hektar große Fläche frei, die nun zu einem neuen städtischen Quartier umgebaut wird. 2018 trat dazu ein neuer Bebauungsplan in Kraft und die Grundstücksverkäufe begannen. Die Grundstücksentwicklung Klinikum Bremen-Mitte (GEG) zeigt bisher einen großen Willen, die Grundstücke an Baugemeinschaften zu vergeben. Das gesamte Quartier soll 2026/2027 fertiggestellt sein.

Text: Paula Berger
Fotos: Antonia Leicht


Zum Thema:

Aktuelle Informationen zum Hulsberg-Viertel gibt es unter neues-hulsberg.de.
Mehr zu Kalksandsteinmauerwerk gibt es im Fachportal „Mauerwerk“ von BauNetz Wissen.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

8

Wie es euch gefällt | 03.10.2024 10:26 Uhr

Qualitäten

Die Diagramme verunklaren, was in Grundrissen und Schnitten viel besser dargestellt werden kann, die Fotos sind von Licht und Möglichkeiten, Bildausschnitt unglücklich gewählt, die Materialität von Wohnungstüren, Fenstern, Belägen von Laubengang und Absturzsicherung ökonomisch de-ästhetisiert, das ist alles zuerst abschreckend und wirkt unbeholfen.

Aber dennoch hat dieses Bauwerk viele gute Qualitäten.

Es gibt zwei vertikale Erschließungen, die Strangerschließung über den Laubengang ist also mehr Schein als Wirklichkeit, tatsächlich gibt es immer nur eine Beeinträchtigung einer Wohnung pro Etage.

Zum Vergleich: Wohnungseingänge in Amsterdam sind sehr ähnlich konzipiert, man stört sich nicht am Einblick.


Wenn ich es richtig verstanden habe, war es eine Baugruppe, die sich dieses Zusammenleben gewünscht hat?


Dass es mehr als eine Funktion im Haus gibt, Gemeinschaftsräume für Yoga, Spielen, "Klönen", o.ä., Kochen etc., Dachterasse und Küchengarten, Jugend-Familien-Treff, KITA, genügend Abstellflächen für Räder im innerstdätischen Raum, sowie auch für Rollstuhl und Kinderwägen, setzt sich von vielen anderen Wohnprojekten ab. Kein Abstandsgrün im Hinterhof, sondern Inbesitznahme der Fläche zum Spielen und Aufenthalt. Gemeinsinn und Privatheit sind also möglich.


Es wird sich alles auswachsen und die Bewohner werden mitten in der Stadt diese Immobilie zu schätzen wissen.

7

... | 02.10.2024 08:55 Uhr

@aja

pro etage läuft an einer wohnpartei maximal eine weitere wohnpartei auf dem laubengang vorbei, um zu ihrer wohnung zu gelangen oder diese zu verlassen. dass deshalb gleich eine ungute situation in punkto privatheit entsteht, bezweifle ich.

ob die gemeinschaftsküche "luxuriös" ist sei dahingestellt - das hat ja auch niemand behauptet. aber eine schlecht geschnittene restfläche ist sie sicher nicht: das können 15-20 menschen problemlos an einem tisch sitzen, da hat man licht und ausblick aus drei himmelsrichtungen, einen balkon, eine loggia und anschluss an eine große dachterrasse.

dass qualität und gute räume für das wohnen unerlässlich sind, ist denke ich, ebenso richtig, wie es wichtig ist, diese frage im zusammenhang mit dem vorhandenen budget und der bauträgerschaft zu betrachten - dann erschliesst sich nämlich auch, warum in solchen projekten so häufig laubengangerschliessungen gewählt werden und warum das für die bewohner*innen weniger problematisch ist als für die kritiker*innen.

6

Kritiker | 02.10.2024 08:11 Uhr

Naja naja

@...
In der AdK gab es letztens ein Symposium über Bruno Taut in der dargestellt wurde das die (übrigens Berliner) Hauszinssteuer ein Mythos ist. Das hat nicht funktioniert, der Erfolg kam einfach durch das abschöpfen neuer Finanzquellen. Da wurde in den 80er scheinbar viel Blödsinn publiziert (bzw. war das Interesse wissenschaftlich zu obeflächlich).

Festgestellt wurde aber auch, dass der genossenschaftliche Ansatz der Bauunternehmung durch die damals gegründete Städtische Wohnungsbaugesellschaft (Frankfurter - und Berliner Beispiel), in ihrer Kartellartigen Trust-Bildung auch einen größeren Anteil am Erfolg der Siedlungen hatte.

Zum gebauten.
Ja schnöder Bauwirtschaftsfuntionalismus, weniger Gestaltung für mehr (und nachhaltigeren Raum) wäre schön gewesen aber wahrscheinlich auch vom Bauherrn gefressen wurden.

Daher sollten das Architekten-Kleinklein endlich beendet werden. Es hilt da nur noch das Staatliche Kombinat - diesemal aber nicht für Neubau sondern Sanierung. Ich sag nur RBK-Köpenick.

5

Sudan | 01.10.2024 23:25 Uhr

Architekturfotografie

Und wenn dann das Projekt mehr als lieblos fotografiert ist, macht es das Betrachten wirklich schwer.

4

aja | 01.10.2024 15:56 Uhr

na ja ....

am ende geht es beim wohnen (unabhängig vom budget) um qualität und gute räume - beides im normalfall gut im grundriss zu erkennen.
hier jedoch habe ich das gefühl, dass dafür nicht viel zeit geblieben ist oder sich die bauherrn frei austoben durften.
die direkte erschließung von wohn- oder küchenbereichen vom laubengang aus ist ungut - vom laubengang aus hat man zudem tiefen einblick in die wohnungen - teilweise direkt auf die couch.
die `luxuriöse´ gemeinschaftsküche ist eher eine schlecht geschnittene restfläche ...
die ausformung des laubengangs ... schwierig
die details ... ganz schwierig
da nutzen auch die vielen diagramme nichts ...

3

... | 01.10.2024 13:27 Uhr

vom räumlichen luxus und seinen kosten

@Freiburger Jung: Wenn man beispielsweise - so wie in der Weimarer Republik, in der die herausragendsten Zeugnisse des neuen Bauens entstanden sind - eine Hauszinssteuer zur Förderung und Finanzierung bezahlbaren Wohnraums für die lohnabhängige Bevölkerung erheben würde, dann könnte auch eine etwas ambitioniertere Ausführung und Materialisierung finanziert werden. Und zwar so, dass nicht durch steigende Mietkosten (sprich: Refinanzierungskosten) die Verfügbarkeit solcher Wohnformen für breitere Bevölkerungsschichten eingeschränkt werden würde - und das ist ja leider heute schon der Fall, selbst wenn alles so billig geplant und errichtet wurde, wie es nur geht.

@Christian Richter: Ich kann Ihnen folgen, bis zu dem Punkt, an dem Sie dem Projekt eine räumliche Enge bzw. einen Verzicht auf ausreichend Flächen zum Wohnen und Leben attestieren. Meiner Meinung nach sind erstens die privaten Freiflächen gut dimensioniert (manche Wohnungen haben sogar einen Balkon und eine Loggia), zweitens halte ich etwa die 2-Zi-Whg. mit Größen von 59 bis 65 qm oder die 4-Zi-Whg. mit Größen von 95 bis 104 qm wirklich nicht für klein und eng (auch in der Komposition und Proportionierung der Räume nicht), und drittens muß man sich einmal die Frage stellen, in welcher Wohnform man zusätzlich noch eine große Gemeinschaftsterrasse mit großer Gemeinschaftsküche auf dem Dach, einen Gartenhof sowie eine Werkstatt und einen Veranstaltungsraum im Erdgeschoss mitnutzen kann. Für mich ist das eher ein Ausdruck eines räumlichen Luxus, der jedoch nicht durch Exklusivität, sondern durch kollektives und solidarisches Handeln ermöglicht wird.

2

Freiburger Jung | 30.09.2024 21:32 Uhr

Sozialwohnungsbau

Genau so sah schon der Sozialwohnungsbau der Freiburger Siedlungsgesellschaft in den 1990ern aus.

Das ist kein Prädikatsmerkmal.


Mal überlegen, ob der soziale Wohnungsbau der 1920er nicht doch mehr Inspiration sein sollte und könnte.

1

Christian Richter | 30.09.2024 16:33 Uhr

erfolgreiche Gratwanderung

Man muss sich in die Architekt*innen hineinfühlen, wie sie dieses Objekt wie einen Spaziergang am Abgrund gestaltet haben. Alles, wirklich absolut alles was man weglassen kann, ist für das Ziel einer leistbaren Miete gestrichen worden . Material? Fehlanzeige. Grundrisse? Verschachtelt, eng, viele kleine Zimmer, teils extrem kleine Wohnbereiche. Balkone? Nur noch Ausbuchtung des Laubengangs. Details wie die Entwässerung? Rustikal. Fenster? Kunststoff in Standardweiß. Aber: es funktioniert. Gerade eben noch, aber es funktioniert. Gerade noch genug Form und Farbe, um das Haus zusammenzuhalten. Gestaltung als Gratwanderung. Die Kolleg*innen haben das Ziel erreicht. Glückwunsch, denn der Weg kann nicht leicht gewesen sein. Aber es ist auch eine Mahnung an Nachahmer: weniger geht nicht. Wirklich nicht. Bitte probiert es nicht mal aus.

 
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