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22.09.2021

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Wider den Sprawl

Wohnbauten bei Locarno von Oxid


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Bellinzona ist eine kleine Gemeinde im Süden der Schweiz, wo sich die Alpen in Richtung Italien weiten, um für den Laggio Maggiore Platz zu machen. Mailand ist hier näher als Zürich, aber „pittoresk“ mag man die Gegend auch nicht nennen – dafür ist der Urban Sprawl zu dominant, der die alten Dörfer und Burgen förmlich verschluckt hat. Von Arbedo im Norden bis Camorino im Süden ist ein zäher Siedlungsbrei entstanden, zerschnitten von der Autobahn und dem Fluss Ticino – Namensgeber des Kantons – zum See. Mitten in diesem Sprawl hat Oxid Architektur (Zürich) für die Helsana Versicherungen ein Wohnungsbau-Ensemble mit 67 Wohnungen realisiert. Dabei stellte sich vor allem die Frage, wie man mit dem Ort umgeht.

Oxid beschreiben ihren Entwurf als „urbane Nachverdichtung“ aus drei Wohnungsbauten, die im heterogenen Umfeld eine erkennbare Einheit formen. Im Westen steht eine fünfgeschossige, kompakte „torretta“. Und nach Osten abgerückt bilden zwei durch offene Treppen verbundene Laubenganghäuser einen großen Innenhof. Oxid beziehen sich dabei auf die historische Typologie der „case di ringhiera“ mit ihren offenen Galerien, wie sie in Norditalien insbesondere im frühen 20. Jahrhundert entstanden. In der Neuinterpretation von Oxid sind die Gebäude allerdings vorfabrizierte Holzrahmenbauten mit durchgesteckten Wohnungen und raumhohen Verglasungen. Die „torretta“ hingegen ist stärker mit dem Lärm der nahen Kantonsstraße konfrontiert und wurde für einen besseren Schallschutz als Massivbau in Stahlbeton ausgeführt. Die Balkone erzeugen dank einer straßenseitigen Industrieverglasung ebenfalls einen gewissen Schallschatten.

Zwischen den beiden Hof- und dem Turmhaus führt ein öffentlicher Fußweg entlang. Hier sind auch Fahrradstellplätze, Sitzbänke sowie ein Kinderspielplatz angeordnet, um einen lebendigen Ort zwischen den Wohnhäusern zu schaffen. Das Ensemble ist damit einerseits in sich geschlossen, es greift andererseits aber auch die Charakteristika der Umgebung auf. So verknüpft die „torretta“ den Entwurf mit der im Westen anschließenden, dichteren Wohnbebauung aus den 1960er-Jahren, darunter ein Wohnturm von Roberto Bianconi, einer der wichtigsten Vertreter der Tendenza im Tessin. Die Hofhäuser hingegen bilden einen Übergang zu den niedrigeren Reihen- und Einfamilienhäusern im Osten.

„Als Reaktion auf den urban sprawl haben wir ein eigenes städtebauliches Ensemble geschaffen“, sagt Yves Schihin, einer der Partner bei Oxid. „Eine Siedlung, die sich auf sich selbst bezieht und eine eigene Identität und Nachbarschaft kreiert. Mit einer öffentlichen Durchwegung, einem Quartiersplatz und einem gemeinschaftlichen Hof.“ Das Turmhaus bietet 19 Kleinwohnungen und einen Gemeinschaftsraum auf insgesamt 1.400 Quadratmetern, die beiden Laubenganghäuser haben jeweils 1.800 Quadratmeter für insgesamt 48 Wohnungen.

Eine Sanierung der drei älteren Wohngebäude, die vorher hier standen, war in einer gründlichen Studie geprüft und verworfen worden. Niedrige Räume, mangelnder Brandschutz, keine Barrierefreiheit, zu wenig Variation im Wohnungsspiegel und fehlende städtebauliche Qualität führten zum Abriss. Erhalten wurden nur die beiden Tiefgaragen, die ertüchtigt und mit neuer Erschließungs ins Projekt integriert wurden. So konnte immerhin die Graue Energie der Kellerbauten bewahrt und wiederverwendet werden. (fh)

Fotos: René Dürr


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Kommentare

2

genius loci | 23.09.2021 18:39 Uhr

@Designer

Ein an sich schönes Projekt, aber in dem Punkt Freiraumversiegelung mit Schotter muss ich meinem Vorposter leider voll und ganz Recht geben.

1

Nur ein Designer | 23.09.2021 13:40 Uhr

Schotter, überall bloss noch Schotter

Mich irritiert der weiterhin hohe Einsatz von Schotter und Kies in der zeitgenössischen "Gartengestaltung".
Und er ärgert mich. Diese pragmatische Auffüllung der Freiflächen ignoriert sämtliche Erkenntnisse zu Aufheizung von Böden, zu Abstrahlungswärme, zum Verlust von Lebensfläche für Pflanzen und Insekten... - wer reisst das Ruder mal endlich rum?

 
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