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05.11.2018

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Berliner Prozessarchitektur

Wohn- und Atelierhaus von ifau und Heide & von Beckerath


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Das IBeB am Blumengroßmarkt in Berlin-Kreuzberg ist ein Haus, das durch seine Geschichte und durch Zahlen beeindruckt. Vier Jahre Entwicklung und Planung mit über 60 Gesellschafterversammlungen und 180 involvierten Menschen gingen dem Baubeginn 2015 voraus. In dieser Zeit haben die Architekten der beiden Berliner Büros ifau und Heide & von Beckerath geplant, moderiert, verhandelt und wieder umgeplant. Sie haben 86 Bauherrenparteien durch den Regeldschungel der DIN-Normen, Bauämter, Kreditgeber und Steuerrechtler manövriert und dabei auch Aufgaben erledigt, die nicht zu den Kerngeschäften von Architekten gehören. In diesem Jahr stellen sie nach zweieinhalb Jahren Bauzeit gemeinsam mit der Selbstbaugenossenschaft Berlin ein Haus fertig, das zu den derzeit interessantesten Wohnprojekten der Stadt gehört.

Von Friederike Meyer

Alles begann im Jahr 2011, als der Berliner Liegenschaftsfonds rund um den Blumengroßmarkt gegenüber vom Jüdischen Museum Grundstücke offerierte. Die Preise in der von IBA- und Nachkriegswohnbauten geprägten Gegend waren damals noch vergleichsweise moderat. Und doch debattierte man bereits, wie bezahlbare Wohnräume und Arbeitsplätze für die Kreativbranche in der Stadtmitte erhalten bleiben können und ob städtische Grundstücke nicht besser an die mit dem besten Konzept verkauft werden sollten – anstatt an jene mit dem meisten Geld. Zusammen mit der Selbstbaugenossenschaft beteiligten sich ifau und Heide & von Beckerath auf eigene Initiative am konzeptgebundenen Vergabeverfahren, bei dem sich ihr Hausprojekt IBeB schließlich durchsetzen konnte. Nebenan entwickelten die Gewerbebaugruppe FRIZZ23, deren Haus nach Plänen von Deadline Architekten entstand, und das Metropolenhaus der Berliner bfstudio-architekten zwei weitere Baufelder. Das „Kreativquartier südliche Friedrichstadt“ war geboren.

Das IBeB, dessen Name für „Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt“ steht, umfassst 66 verschiedene Wohn- und Studioeinheiten, 17 Ateliers, drei Gewerbeeinheiten sowie Räume für einen sozialen Träger. Im Gebäude wohnen und arbeiten die Mitglieder der Selbstbaugenossenschaft Berlin eG, die Mieter des Evangelischen Gemeindevereins der Gehörlosen in Berlin e.V. sowie selbstnutzende Eigentümerinnen. Die genossenschaftlichen Wohn- und Atelierräume wurden projektintern quersubventioniert, so dass sie zu einem nachhaltig gesicherten Mietzins angeboten werden können.

Die zeitgenössische Interpretation der Kreuzberger Mischung auf dem 2.806 Quadratmeter großen Grundstück manifestiert sich in einem fast 100 Meter langen und 23 Meter tiefen Gebäuderiegel. „Obwohl der Bebauungsplan nur eine maximale Gebäudehöhe entsprechend der vergleichsweise niedrigen Traufe des gegenüberliegenden Barockbaus erlaubte, haben wir sämtliche amtliche Vorgaben untersucht, um eine maximale Ausnutzung des Grundstücks und damit günstige Quadratmeterpreise zu ermöglichen“, sagt Tim Heide vom Büro Heide & von Beckerath. Mit den Bedingungen sind die Planer kreativ umgegangen: Die Architektur beruht zum Einen auf drei horizontalen und miteinander verbundenen Erschließungskörpern, zum Anderen aus dem Verhältnis zwischen der äußeren Hülle und fünf innenliegenden Lichthöfen. Eine Rue Intérieure im 1. Obergeschoss erschließt einen Teil der Einheiten von der Mittelachse des 23 Meter tiefen Gebäuderiegels. Sie wird von den Lichthöfen strukturiert, die die Wohnungen in der Tiefe zusätzlich belichten.

Die Entrauchung der Rue Intérieure erfolgt über Gitterroste auf den Treppenpodesten Richtung Dach. Damit auch die Ateliers die Kriterien an einen Wohnraum erfüllen, sind dort Küchenanschlüsse vorgesehen. Dies wiederum war wichtig für manche Eigentümer und deren Kreditgeber. „Inzwischen vergibt der Senat freie Wohnbauflächen nur noch in Erbbaurecht. Wäre dies bereits vor drei Jahren in Berlin Praxis gewesen, hätten wir mehr Spielraum gehabt.“, sagt Christoph Schmidt vom Büro ifau und ergänzt: Das Erbbaurecht ist angesichts der hohen Grundstückspreise eine Möglichkeit, über Baugemeinschaften und Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können.

Eine andere Möglichkeit ist die konzeptgebundene Grundstücksvergabe öffentlicher Flächen, die in der südlichen Friedrichstadt durch viele kreative Planungsstunden möglich wurde. Die Geschichte des IBeB und der anderen beiden neuen Wohn- und Gewerbebauten des Kreativquartiers am Blumengroßmarkt wird Hörsäle füllen und Preisjurys beschäftigen. Nicht, weil die Häuser durch spektakuläre Formen oder Fassaden auffallen, sondern weil sie zeigen, was möglich ist, wenn Architekten mit Weitblick Grenzen ausloten.

Fotos: Andrew Alberts


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Kommentare

9

so ein archi | 07.11.2018 15:13 Uhr

Butter bei die Fische.

wie viele lohngedumpte alleinerziehende Eltern, Frührentner, Hartzer, Geflüchtete und Co haben denn nun in dem Projekt günstigen Wohnraum zur Miete (denn ohne Eigenkapital und Einkommen ist Kredit eher schwierig) in schön zentraler Lage gefunden?

Ich will das Projekt nicht abwerten, aber ich ertrag diese Worthülsen-Konzepte zu diesem Thema langsam nicht mehr.

8

karlquvist | 06.11.2018 15:22 Uhr

Soziales Bewusstsein

@fabrik3
Ich unterstelle den Teihabern dieses Projekts, dass sie alles was sielber machen als positiv in Bezug auf den Kiez und das soziale Gefüge empfinden. Ob das so ist sei einmal dahingestellt. Das macht Sie nicht schlechter, als die Bewohner anderer Projektierungen, aber eben auch nicht besser. Dahin zielte meine Kritik.
Wie Sie es tun,allen Menschen die nicht die nötige Freizeit haben sich in so einem Projekt günstigen Wohnraum zu organisieren, soziales Bewusstsein abzusprechen ist aber schon ein bisschen hart oder?

7

fabrik3 | 06.11.2018 13:10 Uhr

unterstellung

zu den kritiker*innen vor mir.
ganz klar pluspunkte an die macher dieses wohnbauprojektes.
den meisten eigentümern und bewohnern solch eines wohungsbaus unterstelle ich trotz allen kritikpunkten bewusstsein in bezug auf den umgebenden kiez und das soziale gefüge mit all seinen facetten.
den investoren und eigentümern und zum großen teil den bewohnern des sonstigen nur auf profit ausgerichteten aktuellen wohnungsbaus in diesem und höherem preisniveau unterstelle ich dies bewusstsein sicher nicht.

6

Nicole | 06.11.2018 12:03 Uhr

Qualität

Das Haus ist großartig, von innen wie von außen.
Seit es da steht, befindet sich gegenüber dem Jüdischen Museum ein Platz auf dem man sich aufhalten möchte und nicht mehr nur ein Durchgangsort. Die Rue intérieure hat genau die Aufenthaltsqualtät, die man bei inneren Erschließungen sonst so schmerzlich vermisst. Der Hortus Conclusus auf dem Dach ist eine Gemeinschaftsfläche, auf der man sich mitten in der Großstadt befindet und sich zugleich davon erholen kann. Die Vielzahl der unterschiedlichen Wohnungen spiegelt die Diversität der Bewohner. Darüber dass eine solche Vielfalt innerhalb eines so qualitätvollen Gebäudes möglich ist, freue ich mich.

5

T.C. | 06.11.2018 11:19 Uhr

social attitude sells

Wenn das Grundstück unter Marktwert an das "beste" Konzept vergeben wird, dann ist es erstmal die Stadt Berlin und damit alle Bürger, die diese Art des Bauens subventionieren. Aber wie kommt man in den Genuss dieser Förderung? Das hat man in der Ritterstraße 50 schon vorgemacht: Features wie Dachterrasse und Gemeinschaftsfoyer tun so, als seien sie die reine Wohltätigkeitsgeste an die Nachbarschaft, im Grunde jedoch sind sie notwendig, um den Zuschlag für das unter Marktwerkt veräußerte Grundstück zu bekommen.
Wenn man hinterher überall lesen kann, dass die Architekten es möglich gemacht haben, dass man zu einem gewissen qm Preis bauen kann, liegt das ja in erster Linie am niedrigen Grundstückspreis, der in die Kosten eingeflossen ist, oder arbeitet der Handwerker dann umsonst?
Der Dank sollte daher an die Stadt Berlin gehen. Die Frage stellt sich daher, ob hier das "beste" oder einfach nur das "cleverste" Konzept realisiert wurde.
Und wer darf hinterher einziehen? Das regelt natürlich der Bekanntenkreis, ich würde gerne auch einmal ältere Menschen in diesen Räumen sehen und Menschen ohne Startkapital, denn das muss man in jedem Fall mitbringen, wenn man dazu gehören möchte.

4

karlquvist | 06.11.2018 09:26 Uhr

Herzlichen Glückwunsch

an ifau & Heide & von Beckerath für die erfolgreich betriebene Klientel-Politik. Ein sehr gelungenes Beispiel wie man durch beharrliche Lobbyarbeit sich und seinen Freunden noch günstiges Wohneigentum in Berlin Mitte sichern kann, hat ja in der Ritterstraße auch schon hervorragend geklappt. Was sich unter dem Deckmantel sozialen Engagements verbirgt ist doch letzendlich nichts anderes. Und was entsteht ist ein völlig segregiertes Gebäude in dem eine homogene Bewohnerschaft sich selbst feiern kann. Wenn man dann noch gekonnt Fördergelder für die eigenen Initiativen abgreift kann man auch gleich noch das Erdgeschoss mit "sozialen" Nutzungen bespielen.
Wie echter sozialer Wohnungsbau mit guter Architektur geht, sieht man ein par Meter weiter am Beispiel von Werner Düttmann.
Fazit: letzendlich auch nichts anderes als ein Investoren Projekt zu teureren Preisen nur das die Selektion nicht über das Einkommen sondern das soziale Umfeld geschieht.

3

Nils | 06.11.2018 09:21 Uhr

Qualität

Man kann natürlich was zur Architektur sagen, aber ich finde das Projekt großartig, weil jemand mal in Berlin den Mut hat bezahlbaren Wohnungsraum durch Eigentum quer zu finanzieren. Wer glaubt das bei den heutigen Grundstückpreisen und Baukosten Mietwohnungen unter 14 EUR zu schaffen, der irrt leider. Es geht einfach nicht finanziell.
Berlin hat kein Geld Wohnungen in ausreichenden Maße zu finanzieren. Wer also soll denn die Differenz von 4-6 EUR zu den geforderten 8-10 EUR Miete bezahlen???

2

dethomas | 05.11.2018 20:35 Uhr

qualität @ riv

bitte keine qualitätlosen pauschalurteile.
welche art von qualität ist gemeint?

- die qualität der uridee
- die entwurfsqualität
- die qualität der umsetzung
- die materialqualität
- die ausführungsqualität
- die wohnqualität
- die lebensqualität
- die . . . . .

1

Riv | 05.11.2018 15:38 Uhr

lebenraum

qualität = 0

 
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