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28.05.2025

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Kaufhaus von Böhm wird Haus der Musik

Wettbewerb in Braunschweig entschieden


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Seit Jahren existiert in Braunschweig die Idee für ein Haus der Musik. Räume der städtischen Musikschule, Proberäume für Bands und ein neuer Konzertsaal mit überregionaler Ausstrahlung sollen darin Platz finden, dafür hatte sich seit längerem auch eine Bürgerinitiative eingesetzt. 2022 ließ die Stadt schließlich vier innerstädtische Standorte untersuchen und favorisierte das leerstehende Karstadt Gewandhaus zwischen Kohlmarkt und Bankplatz, das der Eigentümerfamilie Knapp gehört.

Es ist ein eher untypischer Kaufhausbau aus dem Jahr 1978. Die kaskadenartige Fassade mit 50.000 dunkelgrauen Biberschwanzziegeln stammt vom deutschen Pritzkerpreis-Träger Gottfried Böhm (1920-2021), der sich damit auf die Häuser in der Braunschweiger Altstadt bezog. Im kürzlich entschiedenen Wettbewerb für das Haus der Musik ließ man die Frage, ob das Kaufhaus dafür abgerissen oder erhalten bleiben sollte, ausdrücklich offen. Zehn Büros waren eingeladen. Die Jury unter Vorsitz von Volker Droste (Oldenburg) entschied sich wie folgt:

  • 1. Platz: ADEPT, Kopenhagen/Hamburg
  • 2. Platz: Gustav Düsing, Berlin

  • eine Anerkennung: Dorte Mandrup, Kopenhagen
  • eine Anerkennung: GRAFT, Berlin

Für einen vollständigen Abriss plädiert keiner der prämierten Beiträge. Allerdings entfernen alle Entwürfe die charakteristischen Fassaden. Erstens ist ihr Erhaltungszustand für eine Weiternutzung zu schlecht, zweitens lassen sie zu wenig Licht ins Innere, für die neue Nutzung ein zentraler Aspekt. Erhalten wird in allen Umbauvorschlägen vor allem die robuste Tragstruktur aus Stahlbeton.

So bewahren ADEPT die Struktur bis zum 3. Obergeschoss und setzen darüber zwei neue Staffelgeschosse für einen holzgetäfelten Konzertsaal mit 1.200 Sitzen. Um die bestehende Tragstruktur nicht zu überfordern, wird das Stahlfachwerkraster der Saaldecke über zehn Fachwerkträger auf dem Bestandsgebäude abgefangen. Dach- und Wandkonstruktionen sind aus Brettsperrholz gefertigt, die Sitzplätze der Galerie reichen um die Bühne herum.

Das Erdgeschoss und die beiden ersten Obergeschosse sehen ADEPT für die Musikschule mit Proben- und Konzerträumen vor. Im „Klangkeller“ finden Proberäume, Studios und eine kleine Bühne Platz. Das Foyer erschließt alle Nutzungen und kann ebenfalls für Veranstaltungen genutzt werden. ADEPT‘s Fassadenvariante orientiert sich mit ihren dunkelgrauen, gebogenen Schieferplatten an Böhms Original. Dahinter liegt eine Glasfassade. Im Sommer wird die Mittagssonne ferngehalten, im Winter kann Sonnenlicht ins Innere gelangen.

In der Braunschweiger Zeitung lobte Tatjana Sabljo, Vorsitzende des BDA Niedersachsen und Fachjurymitglied, den respektvollen Umgang des Siegerentwurfs mit dem Bestand. „‚Die Zeit des Abrisses und der Ressourcenverschwendung ist vorbei‘, so Sabljo. Die Neugestaltung der auskragenden Fassade zur Poststraße hin wahre Böhms gestalterische Idee, entwickele sie aber weiter. Großzügiger und dynamischer, wirke sie fast wie Gefieder oder ein leichtes Kleidungsstück, ‚das ein Lufthauch vom Altstadtmarkt her anhebt‘.“

Das Projekt wollen die Familie Knapp und die Stadt Braunschweig gemeinsam über eine Stiftung finanzieren, heißt es in einer Presseerklärung des Oberbürgermeisters. Ziel sei es, bis Jahresende eine Finanzplanung und Stiftungssatzung vorzulegen. Parallel dazu werde der siegreiche Entwurf „mit dem Büro noch in einigen Punkten angepasst“. 2026 wolle man mit dem Umbau 2026 beginnen. (fh)


Zum Thema:

Böhms Kaufhaus in Braunschweig war Cover-Motiv von BauNetz WOCHE #653 „Im Kaufhausumbaurausch“. Dort haben wir Kaufhausumbauten in ganz Deutschland vorgestellt.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

9

Lars K | 02.06.2025 10:48 Uhr

irgendwie so ähnlich

Ich kann das verstehen: Die Böhmsche Fassade kann nicht mehr erhalten bleiben, aber keiner traut sich so richtig, sie dann auch wirklich WEGZUSCHMEISSEN und etwas glänzendes, Neues, dem neuen Inhalt angemessenes vor den Rohbau zu hängen. Das ist schade. Ein "Haus der Musik" darf schon anders aussehen als bei den Plätzen 1-3. In 20 Jahren versteht überhaupt keienr mehr, was das für schiefe Platten davor sind, die außerdem so irre aufwändig sind in der Reinigung und Wartung. Ach so, aha, da war früher mal ein Böhm und der sah irgendwie so ähnlich aus? Schwaches Argument.

Allerdings: Wenn man dann den Graft-Entwurf sieht verschlägts einem doch die Sprache. Die haben zwar den Mut, den Böhm wegzumachen, hängen dann aber so eine 0815-Kaufhausfassade davor, so sieht es jedenfalls auf dem Bild aus. Das ist entweder sehr schlau, weil sie die künftige Wider-Umnutzung zum Kaufhaus in 40 Jahren schon vorwegdenken oder aber einfach extrem platt aus dem Rohbauraster heraus gedacht.

Dann doch lieber die merkwürdigen Böhm-Attrappen

8

auch ein | 02.06.2025 08:50 Uhr

architekt

wenn man das teil eh nahezu abbricht, warum muss man es genauso nur ein bischen hipper wieder aufbauen?
da hätte man doch auch etwas machen können, dass die funktion nach aussen zeigt....

7

Skalen | 01.06.2025 23:43 Uhr

Haus welcher Musik / welcher Musiker?

Schöner Siegerentwurf, aber als Musik-Lehrer finde ich, dass Architekten und Jury die Priorität auf die falschen Musiker setzen: Nämlich auf die, die bereits welche sind (d.h. bereits im Konzertbetrieb), und nicht auf die, die es noch werden wollen.

In den Wettbewerbsunterlagen geht es m.M. darum, drei Dinge miteinander zu vereinen: Musikschule, Konzerthaus, dritter Ort.

ADEPT baut in erster Linie ein Konzerthaus, mit einem ehrfurchteinflössendem Foyer und Konzertsaal. Musikschüler werden auf den Nebeneingang verlegt, wenn ich das richtig sehe. Der dritte Ort kommt als Begriff vor, darunter subsumiert werden dann aber Räume, die jeder x-beliebige Konzertsaal hat (Foyer, Café, Terasse, etc.).

Der Entwurf verschenkt so viel Potenzial, das aktive / praktizierende musikalische Leben Braunschweigs zu fördern. Dafür muss man Musikschule und eigenes Musizieren in den Mittelpunkt rücken - oder zumindest als gleichwertig betrachten.

Vielleicht nicht verwunderlich, dass das in einer in erster Linie mit Architekten besetzen Jury nicht geklappt hat.

6

Theo_J | 01.06.2025 23:31 Uhr

Denkmal?

Der Bestand ist m.M. nach ein denkmalwürdiges Gebäude. Umso mehr ist eine subtile Interpretation zu schätzen. ADEPT macht es, wie gewohnt, einfach genial. Dass Graft für diese aussageschwache Architektur eine Anerkennung erhalten hat, ist für mich schwer zu begreifen.

5

Archi | 01.06.2025 18:57 Uhr

Greenwashing

Was unterscheidet die hier gezeigten Entwürfe eigentlich noch von der Architektur der großen Gesten der Stararchitekten der 2010er Jahre - abgesehen von der heutigen Selbstbezeichnung als 'Um- oder Weiterbau'? Tatsächlich kommen alle Vorschläge einem Komplettabriss gleich. Mit nachhaltigem Bauen hat das wenig zu tun - es ist eher Greenwashing.

In diesem Licht erscheint das Zitat "Die Zeit des Abrisses und der Ressourcenverschwendung ist vorbei" (Sabljo) beinahe zynisch. Denn genau das scheint hier weiterhin zu geschehen.

Sehr schade - vor allem um die markante bestehende Architektur.

4

peter | 31.05.2025 12:59 Uhr

warum...

...macht man so etwas? offenbar wurde vom auslober vorgegeben, den _eindruck_ der charakteristischen fassade zu erhalten - aber dabei das haus praktisch total abzureißen. ein maximal halbgarer kompromiss. wenn man ein stück gute architektur bewahren möchte, sei es aus gründen der gestaltung oder von wirtschaftlichkeit 0der nachhaltigkeit, dann sollte man auch irgend etwas bewahren, was nennenswert über ein paar betonstützen und eine grundlegende fassadenidee hinausgeht.

hier wird ein totalneubau als erhalt verkauft, und dabei wird die heutige öffentlichkeit genauso betrogen wie der alte meister.

3

Immer wieder | 29.05.2025 11:28 Uhr

erstaunlich

wie eigenwillig Böhm war. Immer etwas sperrig aber hat was. Echte Originalität!

So sehr ich die Qualität des Adept Entwurfes anerkennen kann, sehr gute Interpretation!..... aber die Fassade hätte man doch erhalten sollen, oder? Ein guter Archiktekt kann so was.

2

fjh | 28.05.2025 19:04 Uhr

Fremder Stern

Darth vader als Gebäude! Wer`s mag.

1

Comte de Flu | 28.05.2025 16:45 Uhr

Regenwasser...

Was passiert mit dem Wasser das das Dach runterläuft. Böhm hatte diese Herausforderung mit einer sehr dezenten, umlaufenden Rinne gelöst. Diese hat aber auch schon Probleme bereitet, so dass ich gespannt bin wie die Skandinavier das hinbekommen. Insgesamt aber ein ganz schöner Entwurf.

 
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Das Originalgebäude: Ein wenig bekannter Entwurf von Gottfried Böhm aus dem Jahr 1978

Das Originalgebäude: Ein wenig bekannter Entwurf von Gottfried Böhm aus dem Jahr 1978

1. Preis: ADEPT, Kopenhagen/Hamburg

1. Preis: ADEPT, Kopenhagen/Hamburg

2. Preis: Gustav Düsing, Berlin

2. Preis: Gustav Düsing, Berlin

Eine Anerkennung: Dorte Mandrup, Kopenhagen

Eine Anerkennung: Dorte Mandrup, Kopenhagen

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