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16.02.2018

Dieter Rams in Holz

Vitsœ-Firmensitz in Leamington Spa


Der Möbelhersteller Vitsœ und die englische Stadt Royal Leamington Spa, das passt: Die Architektur des früheren Kurorts in den Midlands gilt als feines Beispiel des klassizistischen Regency Style, und zeichnen sich nicht auch Dieter Rams reduzierte Entwürfe durch ihre filigrane Linienführung aus? Das Programm des britischen Unternehmens mit deutschem Migrationshintergrund ist bis heute ausschließlich den Regalen, Sesseln und Tischen von Rams gewidmet. Neu ist jedoch, dass seit kurzem eben nicht mehr in London, sondern etwas weiter nördlich zwischen grünen Hügeln produziert wird – der bisherige Standort war einfach zu klein geworden.

Nicht nur hinsichtlich seiner Produkte, auch mit dem Neubau fügt sich Vitsœ unter seinem Direktor Mark Adams gut in Leamington ein. Zwar war in der Innenstadt gerade kein Grundstück frei, aber dafür entstand auch im Gewerbegebiet eine Architektur, die eine klare Haltung zeigt. Entworfen und gestaltet wurde das Gebäude maßgeblich von Vitsœ selbst in Zusammenarbeit mit dem Yacht-Designer Martin Francis, den Ingenieuren Eckersley O’Callaghan und Mark Skelly und dem Büro Waugh Thistleton Architects (London). Das erklärte Ziel des Projekts war es, das systemorientierte Denken, das in Dieter Rams Design zu finden ist, architektonisch umzusetzen. Anders als bei seinen Möbeln, die strukturell aus Metall oder Kunststoff bestehen, entschied man sich hier jedoch für eine langgezogene Halle aus Holz.

Der universalistische Ansatz der Architektur wird deutlich, wenn man das vielfältige Programm zur abstrahierten Form des Neubaus in Beziehung setzt. Nicht nur der Fabrikation dient das Volumen nämlich, sondern zugleich auch als Bürogebäude, Showroom, Archiv, Designlabor und Veranstaltungsort samt Übernachtungsmöglichkeiten. All das findet Platz in einem riesigen offenen Raum, der mittels minimaler gestalterischer Eingriffe strukturiert wird. Als wichtigste Entscheidung ist der mittlere Teil des Gebäudes mit seinem Scheddach etwas stärker betont als die Seitenschiffe entlang der Fassade. Diese sind wiederum mal mit PVC-Vorhängen abgetrennt, mal durch zweigeschossige Einbauten verdichtet. Als weitere Besonderheit hat Vitsœ außerdem einen ungewöhnlichen Mitnutzer: Die Tanzkompagnie Motionhouse wird im Neubau nicht nur trainieren, sondern auch performen.

Bei einer Länge von 135 und einer Breite von 25 Metern besteht das Tragwerk hauptsächlich aus Furnierschichtholz, während die Wände in Brettsperrholz ausgeführt sind. Was dabei sofort auffällt, ist die Sorgfalt, mit der hier alle Teile zusammengefügt wurden. Das sorgt für große Klarheit bis hin zu Details wie jene feinen Nuten, die in den Stützen als Kabelkanäle dienen. Das gefiel übrigens auch Dieter Rams, der anlässlich seines 85. Geburtstags die Baustelle besuchte. Sein erstes Urteil nach dem Betreten der Halle war allerdings primär sensorisch geprägt: Es rieche gut, meinte der Designer.

Ähnlich konsequent wie die Architektur ist übrigens die Finanzierung des Projekts, bei der sich über eine verzinste Unternehmensanleihe Zulieferer und Kunden mit je 5.000 Pfund beteiligen konnten. Die nämlich sind Vitsœ auch in schnelllebigen Zeiten ungewöhnlich treu: Rund die Hälfte der jährlichen Produktion geht an Menschen, die schon mehrere Möbel des Herstellers besitzen. (sb)

Fotos: Dirk Lindner


Zum Thema:

Nicht nur bei Vitsœ wird Holz neu erfunden, der Baustoff ist längst auch anderswo im Alltag angekommen. Zwischen Selbstbau und Big Business blicken wir in der Baunetzwoche#506 auf die aktuellen Entwicklungen.


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