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29.10.2015

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Diamanten schleifen in Freiburg

Unibibliothek von Degelo Architekten umgebaut


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Nicht zufällig wurde bei der Eröffnung der neuen Universitätsbibliothek in Freiburg von Degelo Architekten (Basel) im Juli symbolisch ein Buch mit dem Titel „Bibliotheken bauen und ausstatten“ zur Rückverbuchung gebracht. Diese vermutlich etwas ironische Inszenierung verweist subtil auf die Debatte, die sich zuvor um den Umbau der alten Bibliothek von 1978 entzündete.

Der Entwurf von Heinrich Degelo polarisiert. Er ging 2006 – also ein Jahr nach der Trennung von seinem Partner Meinrad Morger (damals Morger & Degelo Architekten) aus einem international ausgelobten Wettbewerb als Siegerentwurf hervor. 

Seine skulpturale, kristallähnliche Kubatur und die großzügig verglaste Fassade rufen in der Bevölkerung, in Fachkreisen und bei Journalisten unterschiedliche Reaktionen hervor. Wen überrascht es? Auf der einen Seite schreiben manche von einer Verunsicherung der Menschen, die das Gebäude im Stadtraum wahrnehmen, oder sogar von einem Gebäude, welches der Stadt wehtue, weil es sich dem Dialog mit ihren Häusern entziehe. Auf der anderen Seite hört man von einer Bibliothek des 21. Jahrhunderts, welche zeitgenössischem Forschen und digitalen Medien einen adäquaten baulichen Rahmen liefere.

Die fachliche Rezeption des Baus bezieht sich vor allem auf den Umgang mit Bestand und Kontext. Hier prallen konservatorische Ansprüche, Kontext-Fundamentalismus und die Sehnsüchte des Stadtmarketings nach einer Ikone – einem zukunftsweisenden Signal für die Entwicklung Freiburgs und seiner Universität – aufeinander.

Asbest, maroder Beton sowie die mangelhafte Erfüllung von energetischen Standards – gängige Probleme von Bauten dieser Ära – waren vor zwölf Jahren Gründe für die Entscheidung zum Umbau der alten Bibliothek, der nun allerdings zum 53 Millionen Euro teuren Neubau wurde. Ursprünglich sollte ein großer Teil der Struktur des kompakten Stahlbetonskelettbaus erhalten bleiben. Der jetzt realisierte Entwurf sah nur noch die Erhaltung von drei Treppentürmen und der Untergeschosse vor.

Was bedeutet „Arbeiten mit dem Kontext“ 2015? Ist es ein „Zurechtschneiden“ der Gebäudekubatur als Antwort auf die Volumina der Umgebung, wie es Heinrich Degelo beschreibt und wörtlich im Gipsmodell demonstriert? Oder ist es beispielsweise – ganz elementar – die Berücksichtigung von Parametern wie dem örtlichen Sonnenverlauf, welche verhindern würde, dass die Spiegelung des Sonnenlichts zahlreichen Autofahrern zum Verhängnis wird (denn an zwei Monaten des Jahres muss aus diesem Grund ein Fassadenabschnitt der Bibliothek mit einem Segel verdeckt werden, das mit dem Fassadenbild bedruckt ist)?

Jenseits der Kritik oder dem Zuspruch in der Fachschaft, die sich leicht bestimmten städtebaulichen Diskursen bzw. Ideologien zuordnen ließen, bilanzieren die Studenten aus der Perspektive der Nutzer: Eine angenehme Kühle (die der Betonkerntemperierung geschuldet ist), potenzielle Platznot (die sich für sie mit der Popularität des Neubaus begründet) und fehlende Rückzugsmöglichkeiten (die als Folge der offenen Raumorganisation bemängelt werden).

So wie sie den Vorgänger, das brutalistische „Monster“, lieben gelernt haben, werden sie sich sicher auch mit dem Diamanten anfreunden. (df)

Fotos: Barbara Bühler


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Kommentare

9

Martin Folske | 12.11.2015 21:10 Uhr

Barrierefreiheit?

Einen fragwürdigen Aspekt stellt die Frage dar, inwieweit die Universitätsbibliothek aufgrund des Baus wirklich allen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung steht. In Zeiten, in denen die Barrierefreiheit und damit Nutzbarkeit auch für Menschen mit Behinderung eine (im Übrigen gesetzlich festgeschriebene) Selbstverständlichkeit darstellen sollte, scheint diese vernachlässigt und teilweise auch hinter die ästhetischen Maßstäbe des Architekten zurückgesetzt worden zu sein.
Das Behindertenreferat der Studierendenvertretung hat dies zur offiziellen Eröffnung mit einer Pressemitteilung (www.stura.org/news/pm-ub-eroeffnung) öffentlich gemacht, eine kurz darauf stattgefunden habende Begehung des Netztwerks Inklusion Region Freiburg (www.inklusives-netzwerk-freiburg.de/bericht-vorortbegehung-neue-ub-15102015) hat diese Kritik bestätigt.
Wenn z.B. der (dazu erhobene Neben-)Eingang schon für Nicht-Sehbehinderte in der Ästhetik der Fassade untergeht, dann ist dies ebenso peinlich, wie die Spiegelung und damit verbundene Blendung des Straßenverkehrs. Mangelhafte Bodenmarkierungen, ein fehlender Ruheraum (dazu wurde inzw. der Eltern-Kind-Raum erhoben), die absolut unzufriedenstellende Akustik und der damit verbundene hohe Lautstärkepegel selbst in Ruhebereichen u.v.m. zeigen, dass hier noch vieles nachgebessert werden muss.
All dies sind übrigens – im Gegensatz zur Ästhetik, über die sich sicherlich streiten lässt – keine Angelegenheiten, über die man noch diskutieren sollte...

8

Genius_loci | 03.11.2015 03:56 Uhr

Diamonds are (not?) forever

Keine Frage, dieses Gebäude polarisiert stark und ist ein dickes schwarzes Ausrufezeichen in der kleinteiligen Stadtstruktur. Oder, wie die prominent besetzte Gestaltungskommission urteilte, ein "überdimensionierter Dampfer". Ob ihn künftige Generationen länger akzeptieren als den ungeliebten Vorgängerbau, der nach wenigen Jahrzehnten fiel, sei dahingestellt.
Allerdings vermag das Gebäude mit der Zeit zu gewinnen. Vor allem, wenn man - im wahrsten Sinne - hinter die Fassaden blickt und die großzügig-hellen Raumfluchten auf sich wirken lässt.
Jedenfalls war Degelos Vorschlag noch der spannendste unter den ansonsten erschreckend banalen Wettbewerbsentwürfen. Und im südbadischen Provinzstädtle, dessen Neubauten an Banalität kaum zu überbieten sind, darf die neue UB fast als kleines Architekturwunder gelten.

7

Akki | 02.11.2015 11:34 Uhr

Diamant

Von weitem glatt und abweisend, aus der Nähe billig und undefiniert: Eine städtebauliche Katastrophe.

Selbst wenn ein "Bilbao-Effekt" wünschenswert wäre, dafür ist der Entwurf zu schwach und ausdruckslos.

Es wirkt, als hätte jemand den Willen gehabt, eine Design-Ikone zu schaffen, dabei jedoch kläglich versagt.

Zu minderwertig und kurzlebig, um ein Diamant zu sein.

Stimme dem Kommentar von RJauch zu:
Statt sich an einzelnen Diamanten zu versuchen, sollten wir mehr Bestrebungen zeigen, die Städte und Plätze als Ganzes zu einem Juwel zu machen

6

Tyler Durden | 30.10.2015 15:36 Uhr

Wohl eher der Vinoly-Effekt...

"Die Uni in Freiburg preist ihre neue Bibliothek als "spektakuläres Haus". Es gibt nur ein kleines Problem: Bei Sonne blendet die futuristische Glasfassade Autofahrer. Jetzt müssen sehr lange Vorhänge her!" (spiegel online)

da hat der architekt aber auch wirklich an alles gedacht! mein gott wie peinlich...

5

sosoo | 30.10.2015 13:17 Uhr

ich glaube...

du hast da was mit dem Bilbao Effekt nicht so ganz verstanden...

4

Hans | 30.10.2015 12:42 Uhr

Klamauk 2

RJauch du sprichst mir aus der Seele. Völlig alberne Architektur, in 10 Jahren will das keiner mehr sehen.

3

Herr Sommermann | 30.10.2015 09:00 Uhr

Lebendiger Ort

Ich war kurz nach der Eröffnung an einem Samstagabend gegen 19 Uhr (!) in den öffentlichen Bereichen. Begeistert haben mich die vielen Studenten, die die zahlreichen unterschiedlichen Platzangebote auf den verschiedenen Geschossen sehr lebhaft (für Gruppenarbeiten) genutzt haben. Dazu fehlen mir hier leider Innenraumfotos, die diese Qualität visuell vermitteln.

2

RJauch | 30.10.2015 08:40 Uhr

Klamauk

Ich muss meinem Vorredner widersprechen. Dieses Gebilde ist der Inbegriff von dem, was unsere Städte und das Berufsbild des Architekten kaputt machen. Architektur die in einen Kontext impliziert und sich nicht einfügen will, sondern um jeden Preis auffallen. "Bilbao-Effekt" könnte man es nennen.

Dieses hingerenderte Gebilde wird, wie sein Vorgänger, seine Halbwertszeit sehr schnell erreicht haben.

Schade das viele deutsche Städte es verpassen, die Entwicklungen wie in Frankfurt und Lübeck voranzutreiben, in denen wieder Architektur für den Menschen entsteht und nicht nur um vermeintliche Zeichen zu setzen...

1

JH_LND | 29.10.2015 18:53 Uhr

___

Aus eigener Anschauung kann ich berichten, dass die Abibliothek im städtischen Gefüge viel gefälliger auftritt, als es auf den Fotos den Anschein hat. In der Realität wirkt sie wesentlich weniger glatt, kühl und monolithisch ( diese Wirkung ist hier in erster Linie den Fähigkeiten des Fotografen zu verdanken).
Schade ist allerdings, dass die Ausführung der Fassade ziemlich lieblos wirkt. Die dunklen Elemente zwischen den Glasplatten sind letztlich dunkle Blechdeckel, deren unebene Oberfläche die Wirkung fast zunichte macht (auf manchen Bildern ist das ansatzweise zu sehen); es wirkt fast erschreckend billig. Hier zeigt sich, dass glatte, monolithische Baukörper eben nur dann funktionieren, wenn sie absolut makellos umgesetzt sind. (Auch die Hamburger Elbphilharmonie wirkt aus der Nähe ja nicht halb so elegant wie auf den Renderings.)

 
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