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25.11.2024

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Radikalveränderung für Sankt Hedwigs-Kathedrale

Umbau von Sichau & Walter in Berlin


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Nach sechs Jahren Umbau wurde die Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale am gestrigen Sonntag wiedereröffnet. Ein Blick auf die Geschichte und die radikalen Veränderungen, die gegen massive Widerstände durchgefochten wurden.

Von Nikolaus Bernau

 
In der katholischen Kirche haben Priester das letzte Wort bei der Gestaltung von Kirchenräumen. Sie können, wenn auch noch das Kirchen-Privileg der Denkmalpflege genutzt wird – wonach alle anerkannten Glaubensgemeinschaften das Recht haben, ihre Räume entsprechend den eigenen liturgischen Anforderungen zu gestalten – selbst radikalste Umgestaltungen gegen die Gemeinde, die Fachwelt und die Denkmalpflege durchsetzen. Das muss man sich angesichts der neuen Sankt Hedwigs-Kathedrale in Berlin unbedingt in Erinnerung rufen.
 
Bei diesem von Sichau & Walter aus Fulda und dem Wiener Künstler Leo Zogmayer entworfenen Projekt – hervorgegangen aus einem Wettbewerb von 2014 – von einem Neubau zu sprechen, macht Sinn. Denn außer dem Mauerkranz und der Außenschale der Kuppel ist praktisch nichts von dem Bau geblieben, der 1952 bis 1963 nach Plänen von Hans Schwippert entstand.

Ein Bau gegen den Allmachtsanspruch der SED


Zur Erinnerung: 1747 ließ Friedrich II. die erste katholische Kirche in Berlin seit der Reformation bauen, um den katholischen Adel des ruchlos eroberten Schlesien zu befrieden. Hochsymbolisch nahm sie die auf einer Kugel beruhende Proportion des römischen Pantheons auf, des antiken Tempels für alle Götter. Die oft umgebaute Kirche wurde am 1. März 1943 von Bomben bis auf die Außenmauern zerstört. 1952 begann der Wiederaufbau nach Plänen Schwipperts, der kurz zuvor in Bonn das „Bundeshaus“ für den (west-)deutschen Bundestag entworfen hatte. Der seit 1951 amtierende Bischof Wilhelm Weskamm setzte mit der Wahl gerade dieses Architekten ein nationales Zeichen, das sich gegen den Allmachtanspruch der SED wandte.

1963 wurde der neue Innenraum übergeben, mit für den liberalen rheinischen Reform-Katholizismus der Zeit charakteristisch kraftvollem Blau und Grünblau, schimmernden Wanddekors, Marmorboden und golden strahlenden Ausstattungen. Beteiligt waren herausragende Kirchenkünstler*innen der alten Bundesrepublik und der DDR wie Fritz Schwerdt, Hubertus Förster, Kurt Schwippert, Anton Wendling, Margaretha Reichardt, Josef Hegenbarth und Achim Kühn. Aus Bonn kam in den 1970ern die postmodern dekorative Orgel. Das Kreuz auf der Kuppel entwarf der wohl bedeutendste Metallbildhauer der DDR, Fritz Kühn. Eine breit ausschwingende Öffnung prägte den Raum, die Oberkirche und Unterkirche miteinander verband, in der den katholischen Märtyrern in der Nazizeit gedacht wurde. Es war das in jeder Hinsicht wichtigste Kunstdenkmal eines widerständigen, selbstbewussten Katholizismus nicht „im Sozialismus“ – sondern neben oder sogar gegen den Sozialismus.

Weiß in Weiß


Nichts davon ist geblieben. Beherrscht wird der Raum nun von Weißtönen, die selbst das Silber der vollkommen neu gestalteten Orgel und das mattbläulich durch die neuen Fenster einfallende Licht überstrahlt. Punkte im Glas sollen angeblich den Himmel Berlins im Jahr Null der christlichen Zeitrechnung zeigen. Nach welchem Kalender berechnet, dem julianischen oder dem gregorianischen, kann man nicht sagen. Diese blanke Esoterik hat so wie das fehlende Altarkreuz durchaus Seltenheitswert in einer Kathedrale. Aus den freundlich gerundeten, konischen Säulen des Nachkriegswiederaufbaus wurden abstrakt-straffe weiße Rundpfeiler, der schimmernde Marmorboden wich einheitlich matten Kalksteinplatten. Nur zwei spätgotische Skulpturen – ein Heiliger Petrus und eine feine Marienstatue – sowie das von Förster und Schwerdt aus Aachen 1963 geschaffene goldene Tabernakel sind winzige Farbtupfer.

Umstrittener Umbau

Ein zentrales Element des Entwurfs von Sichau & Walter war, dass die Kirche wieder den um eine abstrakt-ideale Kugel herum gebauten Raum erhält. Weiterhin soll die strikt im Kreis angeordnete Ausrichtung die Gemeinde als um den Altar versammelte Gemeinschaft zeigen, aus der heraus die Priester agieren. Deswegen wurde auch die Bodenöffnung Schwipperts geschlossen. Auch gibt es keine Stufen hoch zum halbrunden Altar. Die Sichtlinien sind dadurch nicht besonders gut, aber es geht um das Symbol: Alle sollen eins sein im Gottesdienst – auch wenn die Priester weiter nur unverheiratete Männer sein dürfen, Frauen und Verheiratete weiter ausgeschlossen sind vom Altardienst. Darauf bestehen gerade konservative Geistliche wie Rainer Maria Kardinal Woelki, der dieses angeblich egalitäre Projekt 2013 angestoßen hat.
 
Das Projekt wurde gegen massive Widerstände durchgefochten. Sämtliche Denkmalpflegegremien in Berlin, Architektur- sowie Kirchenhistoriker*innen wandten sich dagegen, und Gottesdienstfachleute zeigten, dass der Raum Schwipperts bereits den Gestaltungsanforderungen des Vatikanums entsprach. Hans Joachim Meyer, Ex-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, protestierte vehement und in der Gemeinde entstand eine regelrechte Widerstandsbewegung, die forderte, diesen für die DDR-Geschichte des Katholizismus so zentralen Raum zu erhalten. Dennoch wagte Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) nicht den Prozess gegen ein Erzbistum, das von Beginn der Planungen an keinerlei Kompromisse suchte. Es ist eine der größten Niederlagen der Berliner Denkmalpflegegeschichte.

Bescheidenheit für 44 Millionen Euro


Und je mehr man sich nun mit diesem neuen Raum beschäftigt, desto widersprüchlicher wird er. Die kargen Formen behaupten Bescheidenheit – aber das Ganze hat 44 Millionen Euro gekostet. Eine schlichte Sanierung von Schwipperts zweifellos bau- und infrastrukturtechnisch sehr in die Jahre gekommenem Gesamtkunstwerk wäre wohl für die Hälfte zu haben gewesen. Dass der Bund sich mit zwölf Millionen und das Land Berlin mit acht Millionen an dieser Zerstörung eines nationalen Denkmals beteiligt haben, ist eine ganz eigene Sache. Es wird viel vom Gefühl und von der intimen Andacht gesprochen – aber sogar die niedliche Neapolitanische Krippe wurde ein Opfer des neomodernistischen Gestaltungswahns. In ihrer grau hinterfassten Vitrine sieht sie jetzt aus wie ein Ballettmodell eines Operngestalters. Selbstverständlich verschwand auch die geliebte Kopie der Pieta Michelangelos im Depot, so wie überhaupt alles nach 1963 entstandene Kirchengut bis auf das goldene Tabernakel.

Sicher, Schwipperts Raumgestaltung hatte immer auch Kritiker. Vor allem die überbreite schlüsselförmige Bodenöffnung sorgte für Ärger: Organisten und Chor mussten in ein dunkles Loch hineinsingen, die Zelebranten am Altar waren oft kaum zu verstehen, die Gemeinde wurde durch sie getrennt. Aber all dies wäre zu verändern gewesen, wenn das Erzbistum gewollt hätte. Wie gut Schwipperts Raum auch ohne Bodenöffnung wirkte, zeigte sich während der Bauarbeiten. Aber schon die Wettbewerbsausschreibung signalisierte 2013 eindeutig: Es sollte eine neue „Hauptstadt-Kathedrale“ entstehen.

Ästhetik statt Auseinandersetzung

Wir stehen hier also nicht vor der Folge des immer weiter ausgedehnten deutschen Urheberrechts, das aus dem Kunstbereich in die Architektur hinübergewachsen ist und einen Umbau oft unmöglich zu machen scheint, die Zerstörung aber erlaubt. Es ging von vornherein darum, einer seit etwa drei Jahrzehnten sehr modischen, sich ganz auf Ästhetizismus verlassenden Auffassung von gebautem Katholizismus Raum zu schaffen. Keine Rolle spielt in ihm das Bewusstsein für die Verstrickung der Menschen und ihrer Kirchen in Schuld, ihr innerer Kampf um Sühne für Missbrauch, Kolonialismus, Ausbeutung.
 
Es ist eben keine Notwendigkeit, sondern Konzept, dass das Grab des wichtigsten Glaubenszeugen des Berliner Katholizismus, des Seligen Bernhard Lichtenberg jetzt regelrecht vom Kirchenraum ausgeschlossen wurde. Während in historischen Krypten oder in Schwipperts Gestaltung die direkte Verbindung zwischen Gemeinde und Erinnerung in der Krypta zentral war, muss man hier erst wieder in die Vorhalle, hinunter durch einen schwarz gestrichenen Treppenabgang (die Assoziation zu einem Hölleneingang kommt sofort auf) und die überaus düster gestaltete Taufkapelle im runden Sockelgeschoss gehen, um zu der Grabkapelle zu gehen. Die Freude, die Hoffnung des Glaubens – hier ist nicht eine Spur davon zu erleben, nur das Drückende, Lastende.
 
Die neue St. Hedwigs-Kathedrale ist ein absoluter und sich ganz und gar der Kraft abstrakter Ästhetik unterwerfender Raum geworden. Insofern haben das Erzbistum und seine Künstler*innen Erfolg gehabt. Man kann ihnen gratulieren. Dennoch ist es durch das Verwerfen von Geschichte, Zeit und Emotionalität auch ein ziemlich unkatholischer Raum geworden.

Fotos: Roland Halbe, Jörg Farys,
Walter Wetzler, Sebastian Hänel, Nikolaus Bernau


Zum Thema:

Neben der Sankt Hedwigs-Kathedrale wird das Bernhard-Lichtenberg-Haus nach Plänen von Max Dudler saniert und teilweise neu gebaut. Das Projekt soll Ende 2025 fertiggestellt werden. Zusammen mit der Sankt Hedwigs-Kathedrale trägt die Einrichtung den Namen Sankt Hedwig Mitte.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

26

Baudichtungslaie | 03.12.2024 11:58 Uhr

Von Licht und Zentrum

Maß und Mitte,
und der unerhörten Bitte,
des Imperfekten Dreifaltigkeit,
aus palladianistisch-klassizistischer Erhabenheit
und Schwipperts Sprengung der Liturgie,
zu schützen als Denkmal, vor Kräften, die
die spalterisch-verbindende Öffnung der Decke,
zwecks Klärung des Raums, wollten bringen zur Strecke:
Licht ist natürlich … gottgegeben.
Warum sich darüber mit Leuchten erheben,
die hier in besonderer Art und Weise
bislang von sich Reden machten, nicht leise,
wo ihnen das allerdings kaum gebührte,
weil dies überzeugend … nirgendwohin führte.
Die Treppe nach unten hingegen schon!
Sie widersprach jedoch der Intention,
der Kugel des PAnThEoNs Raum zu geben,
wollt´ sich ja nun Leere darunter legen
und so der Kugel die Basis rauben,
wo im Zentrum des Baus – ebenso wie im Glauben –
sollte doch wohl Anderes steh´n.
Weshalb wir nun einen Altar dort seh´n,
wo er auch unzweifelhaft hingehört:
Das Zentrum endlich besetzt – nicht gestört!
Wär dies nun noch in jenes Licht getaucht,
das dem Raum wird vom Oculus eingehaucht,
dann wäre dem Vorbild Genüge getan.
Doch dagegen arbeiten die Fenstern an,
die bar jeder Botschaft und Farbe, allein
dem Lichteintrag scheinen von Nutzen (?) zu sein,
der so, bedauernswerterweise,
schlägt in die Hülle Schneise um Schneise,
und jede Anmutung von göttlichem Licht
mit undifferenziert diffuser Helligkeit bricht.
Ich hätte gewünscht, man lenkte den Schein
des Fensterlichts nur noch indirekt ein,
durch einen Wandkranz, der vorgestellt, innen,
Licht nur lässt in Kuppel und Krypta entrinnen.
Doch man entschied anders: dass Raum und Struktur
sich verlören in Licht und Weiße pur.
Ob Licht, in solch Abwesenheit vom Dunkeln,
vermag das Göttliche bringen zum Funkeln,
möge ein Jeder für sich erspüren!

Ab jetzt sind ja wieder geöffnet die Türen…

25

Gustav Baumann | 30.11.2024 13:55 Uhr

Langweilig

Die zentrale Herausforderung des Projekts war die Bewältigung des Kuppelraums. Dazu liefert dieser Entwurf nur ein nichtssagendes Flachrelief, welches die Halbschale dekoriert. Der Innenraum ist langweilig, ohne Geheimnis, ohne Spannung. Aber immerhin hat man der Denkmalpflege ein Schnippchen geschlagen - dafür gibt es einen Pinkt.

24

babette | 30.11.2024 09:36 Uhr

James Turrell, hilf!

Nach all den Fotos, die ich bis jetzt von dem Innenraum gesehen habe, muss man wohl befürchten, in diesem sterilen, wie aus dem 3D-Drucker gepressten Innenraum schneeblind zu werden.
Selten war die katholische Kirche reiner.

23

Superarchitekt | 28.11.2024 23:52 Uhr

Unglaublich

Hier hilft nur noch anklagendes Geheule.
Dieser Frevel an einem der herausragendsten Bauwerke Berlins lässt mich einem Zustand zwischen Wut und Fassungslosigkeit zurück.

Die Androhung des Wettbewerbsergebnisses war bereits verdrängt, das Ergebnis ist umso niederschmetternder. Weniger ob des neuen Entwurfes, der in seiner Reduktion unambitioniert genug ist, als angesichts des enormen Verlustes an Bausubstanz.

Jeder Mensch mit gestalterischer Sensibilität und Gespür für das Besondere - ob Architekt oder Kleriker - muss erkennen was hier angerichtet wurde. Die vielfachen Gegenstimmen lassen sich nicht allein mit liturgischen Zwängen entkräften, dazu gehört absichtsvolle Selbstherrlichkeit der Bauherrschaft und wohl auch Überforderung bei den Planern.

Diese mutwillige Zerstörung und Ignoranz ist ein baukulturelles Verbrechen ersten Ranges und nichts anderes.
Die Entscheidungsträger sollten hier klar benannt und mit ihrer Verfehlung konfrontiert werden.

Kuppel, Säulen, Fenster, Leuchten, Orgel - um nur die offensichtlichen Bauteile zu nennen - umgestaltet hin zur Banalität, zerstört für einen sakralen white cube.
Allein diese Elemente zu erhalten hätte gereicht, hätte von Weitsicht und Demut gezeugt, die den Verantwortlichen offenbar komplett abhanden gekommen ist. Der Verschluss der zentralen Bodenöffnung wäre demgegenüber verkraftbar gewesen.

Wie diese einzigartige Melange aus Vorklassizismus und Nachkriegsmoderne gegen einen solch uninspirierten Innenausbau getauscht werden konnte und dies dann als Erfolg verkaufen zu wollen ist empörend.
Über finanzielle und ökologische Verantwortung muss da gar nicht erst gesprochen werden. Krass wie blind man hinsichtlich seiner Aussendarstellung agieren kann.

Ein absolutes Armutszeugnis und großer Verlust für das bauliche Erbe Berlins.

22

Hinrich Schoppe | 27.11.2024 20:17 Uhr

Bänke

Ergänzung:
Wo sind eigentlich die grazilen Kirchenbänke geblieben?
Verschrottet oder einem mid-century-modern-Laden zugeführt, der damit den Reibach seines Erdenlebens macht?

Falls nicht und nicht verschrottet, bitte eine für mich reservieren, danke. Oder zwei...

21

Hinrich Schoppe | 27.11.2024 20:14 Uhr

Gut gemeint...

.. ist auch gut geworden.

Dennoch der totale Wahnsinn.
Starrköpfigkeit einer überholten Männermannschaft für unglaublich (!) viel Geld.

Einfach nur traurig.

Wenn man den "50er Jahre Kitsch" nicht mag hätte man ehrlicher alles rausräumen und einen ziegelsichtigen Rohbau belassen sollen.

Meinetwegen etwas gekalkt.
Wäre zwar immer noch unsinnig teuer geworden, hätte aber immerhin bescheiden und devot ausgesehen.

Mal sehen, ob wir die Entweihung und Umwidmung noch erleben. Diese wird jetzt jedenfalls einfacher als vorher. Vielleicht doch eine visionäre Tat eines gläubigen Bauherren?

Danke.

20

Peter K | 27.11.2024 16:30 Uhr

Ein spiritueller Raum

Der Mut aller Beteiligten wurde belohnt.
Ein spiritueller Raum eröffnet sich einem beim Betreten, dem man sich nicht entziehen kann.

19

Max Putzke | 27.11.2024 10:18 Uhr

Die Auszeichnung für den besten Kommentar...

...geht an joscic mit der Nr. 16.
Dieser Kommentar ist aus meiner Sicht der Beste.
Danke! Stimmt.

18

peter | 27.11.2024 09:15 Uhr

das pantheon in rom ist auch ziemlich düster

vieleicht sollte man es mal innen weiss anstreichen?!

17

DWS, Stuttgart | 26.11.2024 16:59 Uhr

Keine Absolution für Absolutismus

Bei sinkenden Zahlen von Gläubigen ist die Fußbodenöffnung Schwipperts kein Verkehrshindernis mehr, sondern eine einzigartige, verbindende (!) Raumschöpfung. Dieses deutsch-deutsche Wiederaufbau-Wunder im Kalten Krieg war ein Kulturdenkmal, das gerade wegen seiner Einmaligkeit hätte bewahrt werden müssen. Wird man demnächst vielleicht die Alte Pinakothek in München zurückbauen, Döllgasts raumbildende Schachttreppe beseitigen? - Die Neudefinition des Zentralraums wurde ohne Not von erratischen Religionsfürsten vernichtet, aussagekräftige Baugeschichte beseitigt: Ein quasi absolutistischer Willkürakt der Geldverschwendung. Diese Veränderung erscheint wie eine contradictio in adiecto: Die konservative Kirche konserviert nicht. So wie die moralische Instanz die eigene Moral mit Füßen tritt. - Respekt, Nikolaus Bernau: Kein schnulziges Requiem für zerstörte Kreativität, aber auch keine Predigt für besinnungslose Erneuerung, sondern eine sachliche, eindrückliche und gelungene Bestandsaufnahme der heiligen Einfachheit für 44 Millionen.

16

joscic | 26.11.2024 14:16 Uhr

"jegliches hat seine Zeit,

Steine sammeln - Steine zerstreun.
Bäume pflanzen - Bäume abhaun,
leben und sterben und Streit."
So steht es in der Bibel und so sangen die Puhdys.
Also lasset auch hier einmal etwas Neues zu, auch wenn das alte nicht nur schlecht war. Ziemlich düster war es aber doch.

15

@14 | 26.11.2024 10:42 Uhr

Endlich

mal ein guter Beitrag in diesem Forum.

1. Die Architekten sind nicht unbedingt für das Denkmalpflegekonzept haftbar zu machen.
2. Der Raum ist NICHT gut ablichtbar und der Fotograf hat mit seinen Überbelichtungen versucht das irgendwie hinzukriegen, aber eigentlich nur Kitsch produziert. Entweder man kann so etwas oder sollte es sein lassen
3. Auch mal wichtig der Verweis, wie revolutionär (fast schon protestantisch) dieser Raum für die katholische Kirche ist und wie charmant eine durchdachte Raumfügung - lassen wir den weißen Minimalismus mal als Geschmackssache außen vor - konservative Vorbehalte aus dem Weg räumen kann.
4. Interessantes Projekt und Reinterpretation

Und noch ein Wort an den "Kritiker": Auch im "Westen" werden Bauten aus der Nachkriegszeit abgerissen und zerstört oder überformt - und da wird auch hart diskutiert. Und manchmal kommt man zum Konsens, dass das alte Design vielleicht a) nicht so gut funktioniert und b) einfach nicht aussieht. Das ist kein Privileg des Ostens. Das kann man auch mal neutral sehen, wie es ist und alte OstWest Beißreflexe weglassen. Ja, es hat sich in den 90ern viel Frustration angestaut, aber es hilft ja nichts, das auf alles und jedes anzuwenden. Das heißt nicht, dass die Diskussion um den Umgang mit Ostarchitektur unsinnig ist, im Gegenteil, aber man kann vielleicht mal alte Stereotypen weglassen.
Und bei der Hedwigskathedrale ist dieses staubige "Wessi sind schlecht" Geplärre vielleicht nicht wirklich angebracht.

14

mma | 25.11.2024 23:16 Uhr

Starke Jury?

Auch wir haben damals die mehr als 300seitige Auslobung (+ haufenweise zus. Unterlagen) durchgearbeitet - und fühlten uns erst durch den Satz "Auf keinen Fall sollte der Altar in die Mitte gestellt werden." dazu ermutigt, einen Beitrag auszuarbeiten. Denn räumlich war das für uns die einzig sinnvolle Lösung und das würden sich dann hoffentlich nicht so viele trauen. Knapp am Ende der ersten Phase rausgeflogen hatten wir gemutmaßt, die Architekten in der Jury wollten sich wohl nicht gegen die explizite Forderung der Kleriker stellen (Altar frontal gegenüber dem Kirchenvolk).

Wie überrascht waren wir, als nach der 2. Phase endlich die Ergebnisse veröffentlicht wurden: die Gewinner hatten das gleiche gemacht - nur eben (leider) noch viel besser! Allein der halbkugelförmige Altar wirkte so logisch, dass es schmerzte. Aber, wie immer bei den scheinbar einfachen Lösungen: man muss erstmal darauf kommen. Auch Anderes war konsequenter zuendegedacht.

Die Kirchenvertreter favorisierten dem Vernehmen nach allerdings tatsächlich einen anderen Beitrag, der die liturgischen Vorgaben einhielt. Es war also keineswegs eine schwache Jury, die sich dem Klerus anschloss, sondern man hat für die räumlich klarste Lösung gekämpft.

Schließen des Loches und Negierung des Schwippert-Wiederaufbaus waren dem Auslobungstext nach der Anlass für den Wettbewerb und bereits vorher mit dem Denkmalschutz ausdiskutiert. Dass man sich kirchenseitig nun, anstatt diese Karte nochmal zu ziehen, voll hinter der unliebsamen Jury-Entscheidung gesammelt hat und eine konsequente Umsetzung ermöglicht hat, ist bemerkenswert.

Dass die Fotos nun nicht unbedingt Lust machen, sich das Ergebnis anzuschauen, mag daran liegen, dass der Raum eigentlich nicht photografisch abbildbar ist. War schon im Wettbewerb eine unlösbare Aufgabe, eine gute Perspektive für die auch nicht so schöne Kuppel (Paraboloid statt Pantheon-Halbkugel) zu finden. Ich empfehle hier die Modellfotos aus der verlinkten Baunetz-Meldung zum WBW 2014.

Ich jedenfalls freue mich auf den nächsten Berlinbesuch, um die Umsetzung anzuschauen. Herzlichen Glückwunsch an die Kollegen, die Jury und die Kirchenvertreter!

13

Hirsch | 25.11.2024 20:07 Uhr

Erfreulich und erstaunlich

Der Vorzustand war ein merkwürdiges Kuriosum gewesen. Gewiss einzigartig. Vor allem einzigartig geblieben, das hatte seine Gründe, und das auch schon vor Jahrzehnten.

Der neue Raum als White Cube, oder eher White Sphere, fast schon museal.

Interessanter Weise ist die katholische Kirche architektonisch viel wandelbarer und zukunftsorientierter, als es manch Autor und Kommentarschreiber auf Baunetz ist. Sachen gibts ..

12

dieter neikes architekt | 25.11.2024 18:49 Uhr

Kirchenraum

mein heutiger Besuch hat mich ergriffen gemacht- ein toller Entwurf und ein wunderbarer Raum
-das Licht-die Verglasung- die Kuppelausbildung- die noch nicht ganz fertige Orgel;

Zurückhaltung durch wenige aufeinander abgestimmte Materialien- zum Glück keine Historisierung- ....
Gratulation

11

Arcseyler | 25.11.2024 18:33 Uhr

....

Durch Architektur
zum Raum - Barock
als Bewusstsein - Moderne

10

Hartmut Göhler | 25.11.2024 18:11 Uhr

Radikaler Katholizismus?

Die katholische Kirche auf reformatorischen Abwegen? Der so "protestantische" Innenraum erstaunt dann doch! Angesichts der Zirkus-Scheinwerfer über dem Gesims schmerzt der Verlust der Schwippertschen Leuchten - und nicht nur der!
Als Architekturstudent in den 1990ern hätte ich den neuen Raum als Inkarnation eines durandschen Rationalismus "cool" gefunden. 30 Jahre später wiegt der atmosphärische, materielle und baukünstlerische Verlust dann doch schwerer als die Freude am Neuen. Der Berliner Denkmalpflege wünsche ich, dass sie beim nächsten Bauantrag dieser Institution mehr "Mumm" hat, das reiche baukulturelle Erbe der Hauptstadt zu verteidigen.

9

Toni Tek | 25.11.2024 18:02 Uhr

hm...

Ich gestehe: Ich habe das noch nicht live gesehen. Bis dahin halte ich mich zurück mit der Kritik - auch wenn ich vermute, dass zum Beispiel die Säulen einfach zu wenig ausformuliert als solche. Und die Raumproportion, nun ja, hoffentlich nur auf dem Bild so flach und fast erdrückend horizontal wirkt. Und ja, Minimalismus und Banalität sind in der Tat nahe beieinander...und immer schon gewesen...

Dennoch: Die Schwippert-Lösung blieb nicht zufällig "einzigartig": Sie war einfach nicht gelungen, der Raum war vollkommen zerpflückt und alles andere als schön. Es war ein von vorne bis hinten misslungener Versuch, dieses "neue Raumgefüge". Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Ich finde, es ist nicht hilfreich, das nachträglich zu verklären. Und schon gar nicht, ein Ost-West-Kitsch-Thema daraus zu machen. Ich habe deshalb absolut immer Verständnis für die Kirche und ihren Umbauwunsch gehabt. Und wie gut der Umbau jetzt geworden ist - nun, das wird sich zeigen, und anschauen werde ich mir das demnächst auch selbstverständlich.

8

Arcseyler | 25.11.2024 17:56 Uhr

.de

Vom barocken Dort zum erleuchteten Hier. Fast evangelisch. Danke für den kraftvollen Artikel.

7

simson | 25.11.2024 17:23 Uhr

photoshop blendet meine augen

oder ist es der heilige geist?

6

denkmalschutz und kirche | 25.11.2024 17:22 Uhr

beide haben versagt

eine bittere stunde berliner nachwende-baugeschichte findet heute ihren vorläufigen abschluss.

zum einen ...

eine zeitgeschichtlich faszinierende kunst- und architekturschöpfung, die im sinne des deutschen denkmalgesetzes höchst denkmalwürdig war, wurde durch die denkmalpflege nicht geschützt und durch - was? - ersetzt.

zum anderen ...

die katholische kirche hat erneut bewiesen, dass sie ihre bodenhaftung verloren hat. eine unsägliche not herrscht in der welt und in berlin. obdachlose, arme, kranke ...
wo sind die investitionen des katholischen bistums in gleicher höhe für z. b. eine obdachloseneinrichtung in der stadt? ein völlig funktionierender kirchenbau, der dem kleruns und (sehr wenigen) gläubigen stets gut obdach bot, wird aus fragwürdigen gründen umgebaut.

Lieber Herr Bischof Dr. Koch,

soviel latein muss erlaubt sein: deus in minimis maximus,
hatten Sie das bei Ihrer wenig christlichen entscheidung für den umbau vergessen?

5

Gustav Baumann | 25.11.2024 16:59 Uhr

Das Loch muss zu !

Herzlichen Glückwunsch an Nikolaus Bernau zu dieser tollen Besprechung - kraftvoll geschrieben und klar Position bezogen.

2014 war ich einer der vielen, die einen Wettbewerbsbeitrag eingereicht haben und gescheitert sind - so schwer greifbar war die Aufgabe. Am Ende beschlich uns der Verdacht, der Wettbewerb sei nur eine verkappte Publicity-Aktion der katholischen Kirche.
Dennoch meine ich, es war die richtige Entscheidung, das Loch zu schließen. Auf den realen Raumeindruck nach Umbau bin ich gespannt.

4

Maarten Heckmann | 25.11.2024 16:40 Uhr

Nix für die Sinne

Tja, wenn das einzig wirkliche Argument für den Katholizismus – irgendwie sinnlicher – auf solch banale Weise entkräftet wird, dann kann man sich den ganzen Verein endgültig sparen. In ästhetischer Hinsich muss ich darüber hinaus an die Badewanne von Tebartz-van Elst denken.

Was mich ernsthaft interessieren würde: Gehen die Verantwortklichen nun wirklich in diesen Kirchenraum und denken sich: ergreifend, wirklich toll, was wir hier geschaffen haben? Kann man sich irgendwie nicht so richtig vorstellen.

3

Kritiker | 25.11.2024 16:18 Uhr

Abwicklung de "Ostlochs"

Ja das ganze Zerstörungswerk nochmal in all seiner kitschigen Hässlichkeit zu sehen ist schon schlimm. Es wurde ja immer von den westdeutschen Priestern als "Ostloch" tituliert und so ist man jetzt damit umgegangen, nix neues in Berlin halt - Beispiele gibts genug - aktuelles Nebenbesipiel die Zerstörung der Komischen Oper und des Jahnstadions. Auch der Stahlskelett-Verwaltungsbau neben der Kathedrale musste übrigens uach unbedingt umgebaut werden zu einer generischen Dudlerartigen Kiste.

2

Pekingmensch | 25.11.2024 16:17 Uhr

Weniger ist weniger

Ich war vor vielen Jahren mal als Tourist in der Kirche und mir ist vor allem in Erinnerung geblieben: der grosse, recht duestere, aber auch dezent farbige Innenraum der Kirche unter der Kuppel, und die grosse Oeffnung zur Unterkirche. Letztere mag unpraktisch gewesen sein, aber eben auch ungewoehnlich und einzigartig. Das ist jetzt alles weg. PS: Wie erklaert sich eigentlich die vollkommene Umgestaltung der Untersicht der Kuppel?

1

peter | 25.11.2024 15:46 Uhr

kalt, steril und herzlos

so wie katholische kirche nun mal ist.

 
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