RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-U-Bahn-Station_in_Peking_von_netzwerkarchitekten_fertig_gestellt_-_ohne_Beteiligung_der_Entwerfer_200607.html

30.04.2008

Architektur ohne Architekten

U-Bahn-Station in Peking von netzwerkarchitekten fertig gestellt – ohne Beteiligung der Entwerfer


Während wir darüber diskutieren, ob man für Despoten bauen darf oder nicht (siehe BauNetz-Meldung vom 25. April 2008), diskutieren die Despoten offenbar, ob sie mit uns noch bauen wollen oder müssen. Manchmal reichen ja schon die gelungenen Wettbewerbsvisualisierungen eines guten Architekturbüros, um den Entwurf dann ohne weitere Beteiligung der Architekten, geschweige denn Auszahlung deren fälliger Honorare, zur Ausführungsreife zu bringen. So geschehen mit dem Darmstädter Büro netzwerkarchitekten, das 2003 einen Architekturwettbewerb im fernen Peking gewinnen konnte – ohne zu ahnen, dass sie ihrem Entwurf im Jahr 2008 zufällig bei Google Earth wieder begegnen würden.

Aus dem Büro erzählt Markus Schwieger die Geschichte dazu: „Im Rahmen der Baumaßnahmen für die olympischen Spiele wurde im Jahr 2002/03 ein Architekturwettbewerb für die Gestaltung der oberirdischen U-Bahn-Stationen der neugebauten Linie 5 in Peking ausgelobt. Die Linie führt vom Stadtzentrum entlang des Olympiageländes in Richtung Norden. Netzwerkarchitekten haben zusammen mit dem Ingenieurbüro VCE/ Jaako Pöyry Infra zu diesem Wettbewerb ein Projekt eingereicht. Am 22.  Januar 2003 erhielten wir die Benachrichtigung, dass unser Beitrag für die Station Da-Yang-Fang mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde.

Bereits kurze Zeit später tauchte unser Wettbewerbsbeitrag ohne Nennung der Verfasser im Internet in englischer und chinesischer Sprache auf offiziellen, die Baumaßnahmen rund um die olympischen Spiele beschreibenden Webseiten auf. Gemeinsam mit unserem Planungspartner haben wir in den darauffolgenden Monaten versucht, mit dem Beijing Municipal Engineering Institute (das für die Planungsleistungen im Rahmen der Herstellung der neuen U-Bahnlinie beauftragten Ingenieurbüro) eine vertragliche Vereinbarung über den weiteren Planungsprozess auf der Grundlage des Wettbewerbserfolgs zu erwirken.
Zwischenzeitlich wurde uns von dem Verhandlungspartner mitgeteilt, dass unser Entwurf bereits in die offizielle Entwurfsplanung übernommen wurde.

Die Verhandlungen über eine Kooperation scheiterten, und ein direkter Kontakt zu dem Auftraggeber kam nie zu Stande, da immer wieder wechselnde Verhandlungspartner die Verantwortlichkeiten verschleierten. Nachdem wir nach mehreren Monaten noch nicht einmal das uns zustehende Preisgeld erhalten hatten, haben wir die Möglichkeiten von rechtlichen Schritten über eine international tätige Anwaltskanzlei prüfen lassen und Beratung bei der Internationalen Handelskammer sowie dem Auswärtigen Amt gesucht. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg.

Vor wenigen Tagen entdeckten wir in Google Earth ein Bild des Bauzustandes und bei weiteren Recherchen zahlreiche Fotografien und Filme der bereits seit 2007 fertiggestellten und in Betrieb genommenen Station. Der Entwurf wurde in der Außenkontur und Geometrie übernommen und ohne unsere Beteiligung an der Planung, ohne Wahrung der Urheberrechte und gänzlich ohne Honorierung umgesetzt. Eine vertiefende Bearbeitung des Entwurfes, die Optimierung der Konstruktion und eine notwendige Detaillierung und Materialisierung im Sinne des Entwurfsgedanken ist ausgeblieben. Erschreckend ist, wie der Entwurfsgedanke im Innenausbau in den Teilen interpretiert und übertragen wurde, welche die Wettbewerbsplanung offen ließ oder nur abstrakt bearbeitete.

Man möchte sich von der Planungskultur, dem Ergebnis der Umsetzung und seiner Detaillierung deutlich distanzieren, allerdings wirkt die räumliche Figur der gebauten Station entsprechend unseres Entwurfsansatzes nach wie vor spannend.“


Eigentlich hatten die netzwerkarchitekten das Verfahren bereits abgehakt. Durch die rechtlichen Beratungen war klar geworden, dass die Kosten für ein internationales Verfahren das Anstrengen eines Prozesses nicht sinnvoll erscheinen ließen – man hätte nur noch mehr Geld und Zeit investieren müssen. Nun gibt es allerdings neue Kontakte zum Netzwerk Architekturexport (NAX) und zur Bundesarchitektenkammer, die sich um weitere Möglichkeiten bemühen wollen. So bleibt der Fall erst einmal offen. 


Zu den Baunetz Architekt*innen:

netzwerkarchitekten


Kommentare:
Kommentare (18) lesen / Meldung kommentieren

Station im Bau, entdeckt auf Google Earth

Station im Bau, entdeckt auf Google Earth

Station Da-Yang-Fang, 2008

Station Da-Yang-Fang, 2008

Wettbewerbsbeitrag 2003

Wettbewerbsbeitrag 2003




Alle Meldungen

<

30.04.2008

Ressourcen schonen in Hessen

Auszeichnung vorbildlicher Bauten im Land Hessen 2008

30.04.2008

Versammelte Sammler

Grundstein für schwarzes Gebäude von Roger Bundschuh in Berlin

>
BauNetz Wissen
Schutz vor der Flut
BauNetzwoche
Höhenrausch
Baunetz Architekt*innen
Bez + Kock Architekten
BauNetz Xplorer
Ausschreibung der Woche