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08.07.2020

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Buchtipp: Von Bad Tölz nach Bogota

Traditionelle Bauweisen. Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten


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Mit der Tradition ist es ja so eine Sache. Der Begriff impliziert den in der heutigen Zeit so gern praktizierten Hang zur Nostalgie, zur Rückbesinnung auf ein vermeintlich besseres Früher. Allzu oft aber wird Tradition als billiger Leutefänger und Stimmungsmacher missbraucht.

Auch im Architekturbereich entstanden jüngst Bauwerke – allen voran das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss oder die rekonstruierte Frankfurter Innenstadt –, die sich am aktuellen Diskurs vorbeischleichen und mit den sichtbaren Oberflächen und Formalien von früher begnügen. Geben tut es das schon länger, man denke nur an die Ferienhaussiedlungen im Jodlerstil, die im alpinen Raum gehäuft vorkommen: Sprossenfenster, Eckbank, Herrgottswinkel, jedes Detail wird hier zur Karikatur und macht aus dem Kontext gelöst keinen Sinn mehr.

Dass es auch anders geht und dass im deutschen Sprachgebrauch auch einfach ein Begriff fehlt, der den Ausdruck „vernacular architecture" aus dem Englischen gut zu übersetzen vermag, schreibt Christian Schittich im Vorwort seines Buches Traditionelle Bauweisen. Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten.

Vernacular Architecture umschreibt das Bauen der „einfachen Leute“, das Bauen ohne die Zuhilfenahme von professionellen Planer*innen. Die Verfahrensweisen sind unter Berücksichtigung der örtlichen Ressourcen und Bedingungen über Jahrhunderte gewachsen und stellen mitunter die besseren Lösungen für lokale Gegebenheiten dar als manch aktuelles Bauwerk: Iranische Windtürme sind beispielsweise die perfekten Klimaanlagen, ein norwegisches Grasdach bietet perfekten Schutz vor Nässe.

Am Beispiel ausgewählter Wohnbauten auf fünf Kontinenten zeigen 36 international ausgewählte Expert*innen, warum wir noch immer von traditionellen Bauweisen lernen können. Je nach individuellem Schwerpunkt der Autoren werden Bauprojekte und Haustypen vom Chiemgau bis China vorgestellt und entsprechend den lokalen und klimatischen Anforderungen analysiert. Dies macht die Lösungsansätze vergleichbar und zieht zum Teil über die Kontinente hinweg Parallelen zwischen unterschiedlichen Bauwerken, selbst ein Fachwerkhaus aus Süddeutschland wird man danach mit anderen Augen sehen.

Das Buch wird so zu weit mehr, als sich mit dem bloßem Abfeiern von exotischen Details zu begnügen. Vielmehr geht es darum, die Logik des Alltags, aus der gute Architektur letztlich entsteht, lokal verständlich zu machen. Es ist schön aufgemacht mit Fotos, von denen nicht wenige von Schittich selbst stammen. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Detail ist weit gereist. Ergänzt wird der Atlas um nützliche Infos, Details und Planzeichnungen sowie einem Glossar, das so manche Wort-Stilblüte aus dem Architekturbereich bereithält.



Text: Tassilo Letzel


Traditionelle Bauweisen. Ein Atlas zum Wohnen auf fünf Kontinenten

Christian Schittich (Hg.)
384 Seiten
Birkhäuser Verlag, Basel 2019
ISBN 978-3-0356-1609-5
7
9,95 Euro


Kommentare

4

tiffys witwer | 08.07.2020 17:35 Uhr

hose runter lassen

...wieso lachen?

bei der übergabe:

pokerface.

3

wine tittler | 08.07.2020 16:25 Uhr

@tine wittler

gute idee! danke für den beitrag, ich musste lachen :-)

2

peter | 08.07.2020 16:11 Uhr

vernakulär

Ja, das wäre sehr schön, daraus lernen zu dürfen - leider ist das in der praxis sehr oft irgendwo zwischen luxus (naturstein) einerseits und bautechnischen problemen (brand-, schall-, wärmeschutz) andererseits angesiedelt. zudem fehlen in der heutigen realität zumeist handwerkliche und ressourcen ebenso wie das nötige grundmaterial (das bedingt nähe zur natur, heutzutage fast ein fremdwort), letztlich fachwissen und genaueste naturbeobachtung vom steinbrechen über den richtigen holzeinschlag bis hin zur fügung aller materialien.

so als anfang sollte man vielleicht aber erstmal einen passus in die enev aufnehmen, der solche (gering gedämmten) bauweisen überhaupt zulässt, sofern eine dem enev-standard ebenbürtige energieeffizienz, z.b. durch das gewählte heiz- oder nutzungskonzept, gewährleistet wird.

andernfalls endet das meistens mit nostalgischen dekorationen wie in der frankfurter altstadt bzw. letztlich verlogener und teurer zweischaligkeit.

1

tine wittler | 08.07.2020 15:50 Uhr

geschenketipp

...das buch schenke ich dann "snøhetta" zur finissage der ausstellung arctic nordic alpine im aedes...

 
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