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10.02.2015

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Spiel mit der Zeit

Theater in Danzig von Renato Rizzi


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Dunkler Backstein, steile Mauern und eine geheimnisvolle Mechanik, die das Dach bei Bedarf steil in den Himmel ragen lässt: Keine Frage, das neue Shakespeare-Theater in Danzig vom venezianischen Architekten Renato Rizzi ist ein imposanter Bau. Er fügt sich bestens ein in seine Lage am Rande der nach dem Krieg größtenteils wieder aufgebauten Altstadt. Man denkt an Backsteingotik und Expressionismus, aber auch an die Schiffe und Docks des nahen Hafens.

Moment, ein Shakespeare-Theater fern der Londoner Heimat? Tatsächlich befand sich am heutigen Standort einst eine alte Fechtschule, die bereits im 17. Jahrhundert durchreisenden englischen Schauspielern als Aufführungsort diente. Diese wurde durch einen Theaterneubau ersetzt, der später zu Gunsten von Wohnhäusern weichen musste. Schließlich stand dort die Große Synagoge, die 1939 von Nationalsozialisten zerstört wurde.

Der Neubau des Theaters geht auf eine Initiative zurück, die 1991 unter der Patronage von Prince Charles gegründet wurde. Rizzis Entwurf stammt aus einem Wettbewerb, den der Italiener 2005 gewinnen konnte. Das Volumen teilt sich in einen niedrigeren Gebäudeteil für die Verwaltung, der durch den Bühnenturm vom erhöhten Theaterraum getrennt ist. Durch die beweglichen Dachflügel lässt sich die für das historische Shakespeare-Theater typische Open-Air-Situation herstellen.

Der Anschein eines massiven Baukörpers täuscht, das Theater besteht aus einzelnen Volumen, die von einer Außenmauer zusammengefasst werden. So entstehen schmale Gänge und Zwischenräume, die auch das öffentlich zugängliche Stadtplateau auf dem Dach der Verwaltung erschließen. Auch hier erinnert Rizzis Architektur an historische Vorbilder, an Kirchenbauten oder die labyrinthischen Wege archaischer Tempelanlagen.

Im Kontrast zur dunklen Strenge des Äußeren steht das helle Innere, das verputzte Wände mit Holz und Naturstein kombiniert. Symmetrische Erschließungswege führen die Besucher durch das Gebäude, was wiederum an die Renaissance denken lässt. Der Theaterraum selbst ist gänzlich in Holz gehalten, wobei die Ränge in der balkonartigen Anordnung ausgeführt sind, die schon den bodenständigen Charakter von Shakespeares Globe-Theater ausmachten.

Programmatisch für Rizzis Architektur ist das Spiel mit den Zeitebenen. Damit stellt er sich in die Tradition von Aldo Rossi und Carlo Aymonino, an deren einstiger Universität in Venedig er auch lehrt. Er arbeitet mit Grundformen, die er in Danzig konzeptuell aneinanderreiht. Vom mittelalterlichen Äußeren geht es durch die Formen der Aufklärung zum Londoner Volkstheater. Spätestens wenn sich aber das Dach knarrend öffnet, bleibt kein Zweifel mehr am zeitgenössischen Charakter des neuen Theaters. (sb)

Fotos: Matteo Piazza, Lorenzo Sivieri


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Kommentare

10

mehmet | 11.02.2015 16:54 Uhr

KLASSE

das ding ist wirklich grossartig.

eigentlich käme nun zum wiederholten male meine leier davon, dass in der letzten monaten hier immer klasse projekte in den ländern realisiert gezeigt werden, denen man nicht nachsagen kann, dass das geld dort nur so sprudelt, aber ich lasse das mal....

deuschland hats einfach nicht drauf. sowas würde hier nicht wegen baugesetzen nicht gebaut, sondern weil die leute, die hier sowas bauen dürfen schon nahe an die 100 sind oder weil die bauverantwortlichen einfach die hosen voll haben und sich das nie trauen würden.

ich sehe nur besitzstandswahrung, keinen mut und stillstand sowie mind 8 jahre reformstau an allen ecken.

9

Fritz | 11.02.2015 16:02 Uhr

richtig

das Ding ist soetwas von cool wie man es selten gesehen hat!!!!

8

a_C | 11.02.2015 10:39 Uhr

Ja und nein.

@ Nr. 6: Stichwort "gruftig": Mich hat der Entwurf auch zuerst an ein riesiges Krematorium erinnert. Nicht zuletzt aufgrund der Geschichte des Ortes evtl. eine etwas unglückliche Assoziation, die einem sich hier aufdrängt. Womit wir beim nächsten wären:

@ Nr. 5: "Kontextuelle Architektur"!? Wo Sie hier den - scheinbar besonders gelungenen - Ortsbezug sehen, müssen Sie bitte nochmal erklären...

7

a_C | 11.02.2015 10:08 Uhr

Hmm...

Das Wort "Maschine" trifft den Nagel auf den Kopf.

Das Gebäude gefällt mir eigentlich ganz gut - die Grundrissorganisation, der Mut zur großen Geste, die flexible Bühnentechnik - aber ein paar Dinge stören mich dann doch:

1. Um den Kontrast zum Innenraum so stark wie möglich betonen zu können, wurde die Fassade in Tinte getaucht. Meiner Meinung nach wirkt das Theater - ein öffentliches Gebäude - damit zu abweisend.

2. Die Fassade (Material, Rhythmus, Öffnungen) gibt dem Gebäude ein irritierend industriell wirkendes Äußeres.

3. "Schließlich stand dort die Große Synagoge, die 1939 von Nationalsozialisten zerstört wurde." Da kann man nur hoffen, dass sich an anderer Stelle gebührend damit auseinandergesetzt wird.

Unterm Strich aber ein bereicherndes Gebäude!

6

auch ein | 11.02.2015 09:31 Uhr

architekt

wie gruftig!

aber für dennächsten james bond sicher ne coole location!

5

Mies | 11.02.2015 09:23 Uhr

Ein Venezianer in Danzig

Hoffentlich bewirkt dieses eindrucksvolle Statement, eine Wiederbelebung der kontextuellen Architektur! Hier hat ein Architekt nicht nur eine Bauaufgabe bewältigt -, hier hat einer mal ein Werk errichtet.

4

André Sarbinowski | 11.02.2015 09:04 Uhr

Ansichten

Schade, dass es keine Fotos von der Hauptfassade und dem Eingang gibt.

3

Genius_loci | 10.02.2015 22:09 Uhr

Was für ein Theater!


Lob dem Architekten für die wunderbar expressive Gestaltung - in der Großform wie im Detail.

Nun muss nur noch der Himmel über Danzig mitspielen, damit die Zuschauer den "Sommernachtstraum" tatsächlich unter freiem Himmel genießen können...

2

D. R. Hammer | 10.02.2015 17:50 Uhr

Dach

Wahnsinn! Was für ´ne Maschine

1

Das Holzspatel | 10.02.2015 16:27 Uhr

Atemlos... durch Osteuropa.

Wow. Davor wird die deutsche Architektenschaft in ihrer Erbärmlichkeit vor Scham versinken.

Man ist fast schon verleitet zu rufen "gebt ihm den Pritzker" (ist ja eh nur ne Werbemaßnahme wie die Oscarstatur)
oder "mit das Fulminanteste was seit 2000 in Europa gebaut wurde" -
aber das wäre übertrieben oder? Eine Festung für die Kunst. Falls Matthew Barney mal wieder einen Film dreht... bitte dort.

 
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