RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Synagoge_in_Potsdam_von_Haberland_Architekten_7767121.html

08.11.2021

Zurück zur Meldung

Baubeginn nach zwölf Jahren

Synagoge in Potsdam von Haberland Architekten


Meldung einblenden

Nun also doch: Am heutigen Montag wird in der Potsdamer Schlossstraße der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt. Den Wettbewerb dafür hatten Haberland Architekten (Berlin) bereits im April 2009 gewonnen. Alles sah damals nach einem raschen Baubeginn aus. Immerhin war Potsdam die einzige deutsche Landeshauptstadt ohne Synagoge: Die Alte Synagoge am Wilhelmplatz war im Novemberpogrom 1938 geschändet und verwüstet, 1945 bei einem Luftangriff schwer beschädigt und 1954 abgerissen worden.

Mit dem Neubau hatte sich die Jüdische Gemeinde explizit dafür entschieden, nicht mit einer Rekonstruktion an die Vorkriegsgeschichte anzuknüpfen, sondern ein neues Kapitel in der jüdischen Geschichte Potsdams aufzuschlagen. Das Land Brandenburg stellte ein Grundstück im Zentrum zur Verfügung, in Sichtweite des Stadtschlosses, dessen Rekonstruktion damals gerade begann. Nach dem Abschluss des EU-weiten Wettbewerbs folgte schnell die Baugenehmigung, und 2011 wurde die Baugrube ausgehoben.

Dann aber gab es Streit innerhalb der Gemeinde – sowohl über die architektonische Gestaltung (die einigen zu wenig sakrale Erhabenheit ausstrahlte) als auch über die Trägerschaft des Bauprojekts durch das Land Brandenburg. Der Streit eskalierte: Aus der einen Gemeinde wurden fünf, jede mit eigenen Vorstellungen zu Bau und Raumprogramm. Als das Land als Bauherrin keine Einigung mehr möglich sah, verhängte es einen Baustopp.

Immer mal wieder zeichneten die Architekt*innen neue Varianten, aber nie konnten sich die Gemeinden einigen. So ging es bis 2020, als die neue Kulturministerin Manja Schüle (SPD) den Zentralrat der Juden in Deutschland zum Vertragspartner machte. Der Zentralrat ist nun Projektträger und muss die künftige Nutzung des Gebäudes mit den Gemeinden aushandeln.

Die Architekt*innen zeichneten nochmals eine neue Variante. Der Entwurf orientiert sich typologisch weiterhin an der Potsdamer Tradition, in der die Synagogen immer eher einfache Stadthäuser und keine auffälligen Sakralbauten waren – mit Ausnahme jener neobarocken Alten Synagoge am Wilhelmplatz, die mit dieser Tradition brach, um sich an den Kirchenbauten zu messen.

Die Neue Synagoge von Haberland wird dagegen ein moderat moderner Stadtbaustein, dessen kubische Staffelung sich an den beiden Nachbarn orientiert. Der Gebetssaal schiebt sich als fast viergeschossiger Kubus knapp einen Meter weit in den Straßenraum. Für die Fassaden ist sandfarbener Klinker geplant, der an die Brandenburger Kirchen von Stüler und Persius erinnert. Um die Wirkung zu steigern, soll der Mörtel farblich an die Klinker angeglichen werden.

Im Kompromiss mit den Kritiker*innen, die sich unter anderem an den schlichten Rechteckfenstern störten, konnte man sich nun auf parabelförmige Fenster einigen, die über zwei Geschosse in die Höhe gezogen und oben mit Strickmauerwerk ausgefacht werden. Der große Rundbogen über dem Eingang lässt dadurch auch Licht in den Gebetssaal im ersten Stock. Dieser Saal erhält sein Licht ansonsten von oben, durch ein quadratisches Dachfenster von knapp vier Metern Kantenlänge.

Jost Haberland erklärt, der architektonische Ansatz sei noch immer, den vollen Spagat zu schaffen und die Synagoge als zurückhaltenden Stadtbaustein zu gestalten, der gleichzeitig eine gewisse Autonomie als Sakralbau behauptet. Aktuell wird mit 13,7 Millionen Euro Baukosten gerechnet. Im Frühjahr 2024 könnte die Synagoge eröffnet werden – wenn nichts mehr dazwischen kommt. (fh)

In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass die Alte Synagoge 1939 geschändet wurde. Wir haben dies korrigiert.


Auf Karte zeigen:
Google Maps


Kommentare

14

Jan | 09.11.2021 13:56 Uhr

Erläuterung zu #3

Es ist in Potsdam einfach zum Verzweifeln:
Ich hatte vor zwei Jahhren das Unglüch an einem Projekt in der neuen Schwertfegerstraße mitzuarbeiten.
Dieser biedere Geist des "Wiederaufbaus", des Verdrängens und der Geschichtsrevisionierung tötet jeglichen Hauch von Erneuerung und Zukunftsglauben.
In einer Stadt, die Kirchenteile (mit sehr fragwürdiger Nazivergangenheit) an Bauten der Ostmoderne klebt und sämtliche Bauzeugnisse der DDR am liebsten aus dem Stadtbild tilgen möchte, ist es schwierig überhautp einen Neubau mit Anspruch zu realisieren.
Auch hier, bei der Synagoge (einem Sakralbau) ist es leider nicht gelungen. Ich halte nichts von Understatement und vor allem nicht bei einem (judischen) Gebetshaus. Dieses sollte sich selbstbewusst in die Stadt stellen und Aufmerksamkeit einfordern! Die Variante mit der Krone wäre der Bauaufgabe weitaus gerechter geworden.

13

D. Hallervorden | 09.11.2021 09:12 Uhr

@d.w.schmidt

Das ist nur Ihre Meinung!

12

peter | 09.11.2021 08:58 Uhr

die bogenfassade...

...wirkt ungelenkt und billig, sorry.
schade.

11

Legoland | 09.11.2021 08:43 Uhr

Bildgedächtnis des Unbewussten?

Man könnte die Parabelbögen auch als Reminiszenz an den ursprünglichen Standort interpretieren: das der Vorkriegs-Synagoge am Wilhelmsplatz benachbarte Wohnhaus trug diese ungewöhnliche Fassadengliederung - zu sehen auf der Webseite des Synagogen-Fördervereins Potsdam eV.

10

STPH | 09.11.2021 08:23 Uhr

...

Speziell ist wie der Eingang sich per Treppe den halben Gehsteig holt. Vorher war er als hoher Einzug moderner, reduktiver gelöst. Alles, auch der Saal will additiv auf die Straße. Weitergedacht hätte der riesige vorspringende Saalerker in einer dritten Detailschicht sich noch weiter in den Straßenraum vorwagen können. Wieder im modernen Sinn einer Übertreibung. Moderne will es halt immer extrem und nur nicht körperlich.

9

S. Posthofen | 09.11.2021 06:43 Uhr

@8 DW Schmidt

Liebe*r D.W. Schmidt, danke für diesen wirklich informierten und informativen Beitrag. Die "Störung" ist genau das, was ich an diesem Gebäude mag. Sowohl in der Staffelung der Gebäudekörper, als auch in den Fenstern.

8

D.W. Schmidt | 08.11.2021 19:46 Uhr

Synagoge Potsdam

Die (neue) Fassadengestaltung zeigt mit ihren jetzt parabelförmigen Fenstern, dass dieser Bau kein gewöhnliches Wohn- oder Geschäftshaus ist. Die nicht an wirtschaftlichem Effizienzdenken orientierte Gestaltung deutet eine "unökonomische Verausgabung" (Georges Bataille) an, die dem Betrachter neben ästhetischem Anspruch auch Stoff zum Nachdenken über Kreativität anbietet. Diese Chance einer fantasievollen Baukunst bieten eintönig gereihte Rechtecke ohne Störung so gut wie nicht. Die angeschnittene Parabel des Haupteingangs wiederholt das Überschneidungsmotiv der gestaffelten Fassade und trägt zur Unverwechselbarkeit des individuellen Bauwerks bei. - Der (nicht realisierte) Wettbewerbsentwurf des Stuttgarter Büros Bloch & Guggenheimer von 1930 für die Synagoge in Zürich zeigte an seiner Eingangsseite ähnliche Bögen. Diese findet man auch an katholischen Sakralbauten der Zeit von Hans Herkommer aus Stuttgart.

7

Sabrina Posthofen, NRW | 08.11.2021 18:23 Uhr

@1-3

Brravo, da ist ja in kaum einer Stunde nach dem Newsletter schon die League of Gentlemen versammelt, dei kompetent über die hier vorgestellten Entwürfe urteilt. Nur mal kurz zu den Regeln in diesem Forum:

>>>Wir freuen uns über Ihre Beiträge und bitten Sie, die Regeln dieses Forums einzuhalten:

- Schreiben Sie zur Sache.
- Teilen Sie etwas Neues mit.
- Nennen Sie Argumente.<<<

Da fallen Sie alle drei durch.

6

Lara | 08.11.2021 18:05 Uhr

Gut so

Endlich ein Gebäude im Zentrum von meinem Potsdam, auf dessen Bau ich mich freue. Gute Architektur kann eben doch vermiteln zwischen den Ansprüchen der Nutzer, der Tradition und der Gegenwart. Gut, dass die Haberlands iherem Entwurf von vor 12 Jahren im Kern treu geblieben sind.

Die Parabelbögen und das offene Mauerwerk, naja, von mir aus okay, aber ganz sicher bin ich mir in der Lesweise auch nicht: orientalische Anleihen? Oder einfach nur ein Zeichen, dass dieses Haus ANDERS ist? Hätte es nicht unbedingt gebraucht.

5

Tius | 08.11.2021 17:51 Uhr

Kompromiss...

Ich finde es bedauerlich, dass von dem sehr gelungenen Wettbewerbsentwurf "nur" noch ein Kompromisse übrig geblieben ist.
Die ursprüngliche stringente Fassade hat den Baukorper deutlich skulpturaler wirken lassen und ihn als Saktalbau von den umgebenden Profanbauten abgesetzt.

4

Die Zuversicht | 08.11.2021 17:45 Uhr

(Erspartes Wortspiel, siehe Bruegel d.Ä.)

Herrlich, der gebaute Kompromiss!
Man kann den Leidensprozess der Architekten richtig nachvollziehen.

Das durchzuhalten, dafür gebührt den Kolleg*innen großes Lob, und das meine ich ganz ernst und aus eigener Erfahrung.

3

Jan | 08.11.2021 17:09 Uhr

@1 auch ein architekt

Es ist halt Potsdam.
Haben Sie da was Gescheites erwartet?

2

ulknudel | 08.11.2021 16:37 Uhr

auch mir

bereitet dieser bogen Kopfschmerzen

1

auch ein | 08.11.2021 15:49 Uhr

architekt

kann mir mal jemand den zerschnittenen bogen auf bild 1 und 2 erklären?
ich dachte erst es wär in der zentralen ansicht ein verdecktes bauteil.....
furchtbar! auch die kompletten bögen.....

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Ab sofort ist die Eingabe einer Email-Adresse zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.









Lageplan an der Schlossstraße

Lageplan an der Schlossstraße

Bildergalerie ansehen: 18 Bilder

Alle Meldungen

<

08.11.2021

Fünf auf einen Streich

Modulare Kita in Berlin von karlundp

08.11.2021

DAM Preis 2022

Finalisten bekanntgegeben

>
BauNetz Wissen
Strandgut in der Decke
baunetz interior|design
Monoton monochrom
Baunetz Architekt*innen
Bez + Kock Architekten
BauNetz Xplorer
Ausschreibung der Woche
vgwort