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06.12.2017

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Feudale Geste

Stuttgarter Wilhelmspalais von Lederer Ragnarsdóttir Oei umgestaltet


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Drei Jahre nach Baubeginn konnten Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten (LRO) ihre Arbeit am Stuttgarter Wilhelmspalais fertigstellen. Das ehemalige königliche Domizil war bisher als Stadtbibliothek genutzt worden und soll künftig das neu entstehende Stadtmuseum beherbergen. Als der Neubau der Stadtbücherei 2013 im Zuge der Umstrukturierung für Stuttgart 21 in Bahnhofsnähe eröffnete, hatte der Streit um die Planungen für das Areal gerade maximales Ausmaß erreicht. Als öffentliches Angebot wurde das leerstehende Palais als Kulturcafé zwischengenutzt, bis die Baumaßnahmen starteten. Den Zuschlag für die Umgestaltung des Wilhelmspalais hatten die Stuttgarter Architekten nach einem Wettbewerb 2010 bekommen. Sie arbeiteten in Kooperation mit den Ausstellungsgestaltern jangled nerves (Stuttgart).

Es war nicht der erste Umbau, den das Haus durchlief. Nach der Kriegszerstörung bis auf die Grundmauern baute Wilhelm Tiedje die königliche Residenz 1961 bis 1965 komplett wieder auf – im Modernen Stil und im Hinblick auf die Nutzung als Stadtarchiv und Bibliothek. Sichtachsen und großzügiger Raum gingen dabei verloren. Für die nun erfolgte, erneute Umnutzung und Modernisierung orientierten sich LRO an den originalen Grundrissen von Giovanni Salucci aus dem 19. Jahrhundert. Blickbezüge, starke Symmetrie und das im Inneren weitergedachte städtische Gefüge inszenierten sie ganz im klassizistischen Geiste des Hofbaumeisters. Sperrige Treppen und sichtbeschränkende Betonbauteile sind verschwunden. Der Umbau ist dennoch keine klassische Rekonstruktion: Fließende Grundrisse und helles Birkenholz kennzeichnen das gänzlich neue Innengebäude, das die Architetkten hinter die historische Fassade setzten.

40,6 Millionen Euro kostete der Umbau. Aufgrund der Unterbringung der Haustechnik zwischen Außenfassade und innerer Raumverkleidung aus Holz umfasst er nun ein Geschoss mehr. So konnten Ausstellungs- und Veranstaltungsräume auf 7350 Quadratmetern Nettogrundfläche achsensymmetrisch und großzügig verteilt werden. Das weitläufige Foyer wurde als Begegnungsraum konzipiert und setzt den Stadtraum gedanklich im Inneren fort. Weiter soll das Ergeschoss zur Bewirtung und für verschiedene Veranstaltungsformate genutzt werden. Garderoben und Toiletten nimmt das Zwischengeschoss auf. Die zukünftigen Ausstellungsflächen befinden sich in den beiden oberen Geschossen, das Gartengeschoss dient museumspädagogischen Zwecken.

So viel konzeptionelle Strenge verlangt nach einer Umgestaltung des Außenraumes. Denn der ungeordnete Baumbestand will sich nicht so recht in die wieder aufgegriffene Planie, für Salucci die Verbindung zum damals noch existierenden Kronprinzenpalais, einfügen. Die Bäume werden vermutlich weichen müssen. Eine feudale Geste, die im Zusammenhang mit dem Ort und seiner Nutzung die Frage nach einem aktualisierten Verständnis von Stadt aufwirft. Hatte nicht gerade Stuttgart 21 die notwendige Reibung zwischen Bevölkerung und Politik exemplarisch zum Ausdruck gebracht? Könnte ein Gebäude, das laut Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt gewidmet ist, dieser Reibung nicht eine bauliche Entsprechung bieten und sie fördern? Die Eröffnung des Stadtmuseums ist für das kommende Frühjahr geplant. (kms)

Fotos: Roland Halbe, Achim Birnbaum, die arge lola


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Kommentare

6

ulf | 11.12.2017 18:38 Uhr

No, sorry!

Pure 70er Ästhetik. Ist also wieder angekommen!
Mir gefällt es überhaupt nicht.
Sorry....

5

PlanB | 07.12.2017 16:07 Uhr

Ansatz

richtig, frei nach dem Motto: ein Gebäude kann gar nicht genug Brüche haben...

4

peter | 07.12.2017 15:00 Uhr

@jan: denkmalpflege vs. architektur

der bau ist an sich ist, um das vorwegzuneghmen, zweifellos gut gestaltet und qualitätvoll ausgeführt.

was den denkmalpflegerischen ansatz angeht, kann es jan eigentlich nur ironisch meinen. vom altbau ist außer der fassade weder etwas geblieben, noch ist dieser im gebäudeinneren irgendwie spürbar. das haus ist ein neubau in einer alten hülle, der sich im detail nicht die bohne um das schert, was das haus einmal war.

bei allem respekt, den ich vor herrn lederer habe, finde ich, dass er hier vor lauter selbstverliebtheit und im glauben an seine "großen ideen" das ohr für die leisen töne verloren hat. das gilt für die bäume der planie, die man bitte nicht für das wilhelmspalais fällen möge (es wird, wie bereits gesagt wurde, dank autotunnel und stadtautobahn eh keine prachtachse daraus; um eine solche hinzubekommen, müsste man schon das alte schloss abreißen, und selbst dann würde diese achse im stadtmaßstab vom nirgendwo (pfizerstraße) ins nirgendwo (hofdienergarage) führen.

also bitte auf dem boden bleiben: das hier ist kein tolles denkmalpflegeprojekt (die spuren der kriegszerstörung und des wiederaufbaus der 60er wurden komplett verwischt und selbstverliebt überformt) und auch kein haus, für das man bäume fällen oder straßenzüge abreißen muss. es ist einfach ein anständiger neubau in einer alten hülle.

3

Jan | 07.12.2017 09:53 Uhr

aktueller denkmalpflegerischer Ansatz

Dieser richtet sich ja nicht nach dem Ursprungszustand eines Bauwerks, sondern ist bemüht alle Zeitschichten und baulichen Veränderungen, die ein Bau erfahren hat zu zeigen.
Demnach wurde hier alles richtig gemacht.

2

Pekingmensch | 07.12.2017 04:14 Uhr

Planie

Warum muessen die "ungeordneten" Baeume entlang der Planie fallen? Das Problem mit der Planie ist ja nun keinesfalls der schuettere Baumbestand, sondern vielmehr der Umstand, dass die Planie einer sechsspurigen Strasse nebst Tunneleingang geopfert wurde! Was hier wirklich radikal verbessert werden muesste, ist die fussgaenger- und radfahrerfeindliche Verkehrssituation vor dem Wilhelmspalais (Charlottenplatz/ Konrad-Adenauer-Str.), die von vielspurigem Autoverkehr dominiert wird.
PS: An der Stelle des Kronprinzenpalais steht heutzutage der Glaswuerfel des Kunstmuseums, falls sich jemand wundert...

1

Genius_loci | 07.12.2017 02:12 Uhr

Schön, schön...

Unverständlich ist aber, warum die Architekten die denkmalpflegerisch völlig falschen (sprossenlosen) Fenster belassen haben. Damit haben sie einen gängigen Fehler der Nachkriegszeit noch einmal wiederholt.

 
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