RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Stadthaus_von_Anne_Hangebruch_Mark_Ammann_Architekten_7696420.html

10.08.2021

Zurück zur Meldung

Lübecker Backstein-Variation

Stadthaus von Anne Hangebruch Mark Ammann Architekten


Meldung einblenden

Die Nachkriegsmoderne betrachtete den Wiederaufbau der historischen Innenstädte bekanntlich als ein absolutes No-Go. Auch nach den ersten Ideen in den 1980ern dauerte es noch Jahrzehnte, bis der Rekonstruktivismus schließlich salonfähig wurde. Ob in Frankfurt, Dresden, Berlin oder Lübeck – das Prinzip ist gegenwärtig überall das gleiche: Symbolisch aufgeladene Gebäude wie Frauenkirche oder Stadtschloss werden möglichst originalgetreu wiederaufgebaut. Kleinteilige Altstadtstrukturen hingegen rekonstruiert man mithilfe von moderneren Neuinterpretationen. Ist der Puppenhaus-Charakter bei Durchschnittsbürger*innen auch durchaus beliebt, so stößt er bei Architekt*innen bekanntermaßen immer wieder auf große Bedenken in gestalterischer oder auch politisch-gesellschaftlicher Hinsicht – als Beispiele seien hier die Diskussion um die Frankfurter Dom-Römer-Bebauung und der von der ARCH+ initiierte offene Brief „Für einen Rekonstruktions-Watch – und wider den modernefeindlichen Architekturpopulismus“ genannt.

Die Lübecker Altstadt jedenfalls ist, ähnlich wie die Frankfurter Innenstadt, ein Paradebeispiel für den Wunsch, historische Strukturen wiederaufleben lassen zu wollen. Inmitten des UNESCO-Welterbes plant und baut die Hansestadt seit mehreren Jahren auf den historischen Parzellen des Gründungsviertels. Die Neubauten sollen sich dabei an den lokalen Traditionsformen orientieren, ohne sie zu kopieren, heißt es im Gestaltungsleitfaden „Lübeck gründet auf Form, Funktion und Fantasie“. Wie viel Fantasie hier wirklich zugelassen ist, sei in Frage gestellt. Breite, Höhe, Dachneigung, Materialität und Farbgebung sind selbstverständlich festgelegt. So orientiert sich auch das von Anne Hangebruch Mark Ammann Architekten aus Zürich geplante Wohn- und Geschäftshaus in der Fischstraße 16 sehr stark an den historischen Bauten. Der von Anne Hangebruch 2015 zum offenen internationalen Wettbewerb eingereichte Entwurf ging damals als Preisträger hervor.

Vorbild für das Haus in der Fischstraße 16 war das für die Lübecker Altstadt typische Dielenhaus – giebelständig und mit einem steilen Satteldach sowie einem hohen, von der Straße bis zum Hof durchgehenden Raum im Erdgeschoss, der „Lübschen Diele“. Weiterhin prägend ist die horizontale Gliederung der Dielenhaus-Fassade in drei verschiedene Zonen: Erdgeschoss, Obergeschosse und Giebeldreieck. Die Architekt*innen legten dementsprechend im Erdgeschoss, das zwei Geschäftslokale aufnimmt, einen zweigeschossigen Sockel an, in dem ein großzügiger Raum mit einer Höhe von über vier Metern untergebracht wurde. In den Obergeschossen befinden sich fünf unterschiedlich geschnittene Wohnungen. Darüber thront schließlich ein Staffelgiebel, der sich an den gotischen Backstein-Bürgerhäusern Lübecks orientiert. Wie eine Kulisse verbirgt dieser das dahinter und etwas tiefer liegende Dach. Insgesamt bietet der Bau eine Nutzfläche von 574 Quadratmetern.

Auch wenn die grundlegende Gliederung horizontal ausfällt, wird im Detail die Vertikale betont. So finden sich in den Obergeschossen schlanke Backstein-Lisenen wieder, die oben in einem horizontalen Gesims münden. Das Fassadenrelief ist laut Architekt*innen das zentrale Entwurfsthema der Außenhülle. Insgesamt wurden zehn unterschiedliche Formsteine für seine Ausbildung verwendet. (dsm)

Fotos: Maximilian Meisse



Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
BauNetz-Maps


Kommentare

8

R.Fischer | 12.08.2021 20:48 Uhr

Baukultur?

Will uns der Schreiber/ die Schreiberin was vorschreiben? Wenn mich nicht alles täuscht, wurde gerade geprüft, ob das Gebäude von Ingenhoven, in dem P & C ist, unter Denkmalschutz gestellt wird (Der Bau ging übrigens aus einem Wettbewerb hervor). Und gleich noch Arbeit von Ingenhoven mit Gaga Texture in Fernost zu bezeichnen, das entwürdigt glatt den ganzen Beitrag.




7

STPH | 12.08.2021 08:08 Uhr

ganz aus dem häuschen


Gerade im nebeneinander zeigt sich schön die entkörperlichung unserer zeit. Fast eine phobie gegen singuläre, geschlossene formen, haus wie fenster. Als wär das nicht genug, noch die materielle halbierung der fassade. Alles symptome die jedes menschenmaß sprengen wollen. Perspektivumkehr von aussen richtung innen




6

genius loci | 11.08.2021 22:21 Uhr

Hmm..

Ich mag eigentlich Backstein/Klinker Bauten.. auch Beton.. und historisch neu interpretierte Gebäude. Aber dieses hier finde ich proportional und von der Idee her leider nicht so prickelnd..

5

Baukultur | 11.08.2021 10:11 Uhr

Präsenz

Vielen Dank für diese Meldung liebes Baunetz.

Ein sehr gutes Haus. Ein hervorragender Attikaabschluss des Treppengiebels. Dank geht in die Schweiz an Anne Hangebruch Mark Ammann Architekten, die im Gründungsviertel den Maßstab im Backsteinbau neu setzten.

Das Nachbarhaus von Henrik Becker gefällt mir auch ausgesprochen gut. Ich hoffe sehr, dass Kim Nalleweg mit ihrer zeilenartigen Verbauung in der Einhäuschenquerstraße auf einem ähnlichen Level herauskommen können. Dann wäre das Quartier mit vielen weiteren guten Bauten ein voller Erfolg.

Zukünftig wären dann auch solche umständlichen und dem Diskurs vor 10 Jahren entsprechenden Einleitungstexte des Artikels nicht mehr nötig. Ideologische Begriffe wie "Rekonstruktismus" für einen gerade so maßstäblichen Städtebau im historischen Zusammenhang zu benutzen, können wir dann vielleicht auch als Architekten beiseite legen und uns der Sache an sich, der Architektur widmen.

Was uns erwartet hätte, wenn die Debatte in Lübeck und anderenorts nicht so beherzt und bürgerengagiert verlaufen wäre, dem empfehle ich mal "P&C Lübeck" zu googeln. Dies war der Stein des Anstoßes damals für einen neuen Umgang mit dem kulturellen Schatz der Altstadt bewusster umzugehen. Das Büro welches mit diesem Ungetüm einen der bedeutendsten Hansemärkte des Ostseeraums entstellt hat, baut heute auch passenderweise nur noch Gaga-Texture in Fernost. Die kommende Genration hiesiger Architekten wird diesen Fehler vor dem Hintergrund von Ressourcenschonung intelligent korrigieren müssen.

Insgesamt also eine wirklich beispielhafte Entwicklung.

4

solong | 11.08.2021 09:42 Uhr

... und wieder ...

... keine Barrierefreiheit .... aufzug mit 4 stufen davor ...

3

Peter | 10.08.2021 16:49 Uhr

Sehr schöne Fassade!

Auch wenn ich mir aus Proportionsgründen den Backstein-Teil um ein Geschoss tiefer reichend gewünscht hätte. Aber im Detail ist die Kombination von Beton und Klinker toll gemacht.

2

auch ein | 10.08.2021 16:16 Uhr

architekt

die "Lübschen Diele" ist halt ein bischen höherer, nicht weiter nutzbarer flur als eingang zu treppenhaus und lift durch den es links und rechts in läden geht oder?

sonst ja ganz gut gemacht, hier wäre aber ein fassadenschnitt gut. ist es denn wirklich die "traditionelle" backstein-architektur oder der mittlerweile "klassiche" betonfertigteil-klotz mit wahlweise aufgeklebter deko?

1

R. Fischer | 10.08.2021 16:10 Uhr

Zur Erinnerung:

Gefragt war in dem Ideenwettbewerb zur Fassadengestaltung von drei Stadthäusern sensible, zeitgemäße Architektur, die des Ortes würdig ist, im Kontext zum Unesco Welterbe Lübecker Altstadt.
Das Preisgericht hat 8 Preise und 6 Anerkennungen vergeben. Annne Hangenbruch wird an 5. Stelle aufgeführt.

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Ab sofort ist die Eingabe einer Email-Adresse zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.




Alle Meldungen

<

12.08.2021

Beton, Ziegel, Palmen

Eine architektonische Reise durchs Tessin

06.08.2021

Auf dem Beton von gestern

Wohnhaus von Studio Noun in der Ostschweiz

>
baunetz interior|design
Monoton monochrom
Stellenmarkt
Neue Perspektive?
Baunetz Architekt*innen
Bez + Kock Architekten
baunetz CAMPUS
Alumni Podcast
BauNetz Xplorer
Ausschreibung der Woche
vgwort