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10.10.2011

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Vision und Wirklichkeit

Schule in Burkina Faso eröffnet


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Es ist wahnsinnig heiß in Ziniaré, so etwa 40° im Schatten. Hinter den dicken Mauern aus roten Lehmziegeln lässt es sich durchatmen – mit 25° Innenraumtemperatur ist es für die Region überraschend kühl. Hier, ca. 30 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Ouagadougou, konnte man sich am Wochenende von den ersten Bauten des „Operndorfs“ überzeugen lassen. Die Lehmwände halten die Hitze ab, die aufgeständerte Dachkonstruktion mit der Gewölbedecke und die luftdurchlässigen Fenster sorgen für Durchzug.

Entworfen wurde der Hybrid aus Schule, Brunnen, Krankenhaus und Kultur von Christoph Schlingensief und dem Architekten Diébédo Francis Kéré; Anfang letzten Jahres starteten die Bauarbeiten (siehe BauNetz-Meldung zur Grundsteinlegung vom 5. Februar 2010); nun wurde der erste von drei Bauabschnitten am Samstag so laut eröffnet, dass sogar deutsche Radiosender stündlich darüber berichteten. Sie scheint ungebrochen, die Magie afrikanischer Buschtrommeln.

Der Lack an den Türen ist gerade getrocknet, die Bücherschränke wurden pünktlich zur Eröffnung geliefert. In den kommenden sechs Grundschuljahren soll die Operndorf-Schule jeweils eine Klasse für 50 Mädchen und Jungen anbieten. Über die regulären Schulfächer hinaus wird es außerdem Film-, Kunst- und Musikklassen geben. Der Schulbau hat keine Fensterscheiben, keine Klimaanlage und auch kein fließendes Wasser. Der Brunnen auf dem Schulgelände ist die zentrale Anlaufstelle. Die Fenster lassen sich durch speziell angefertigte Fensterläden stufenweise öffnen, aber auch komplett verschließen.

Rings um die Schulhausmodule ordnen sich Büros, Aufenthaltsräume und eine Schulkantine; oben auf dem Hang wurden die Wohnhäuser für die Lehrer gebaut, mit Blick über die weite Savanne. Mit weiß-roten Stöcken ist der kreisrunde Platz für das Opernhaus markiert, das als dritter Bauabschnitt nach dem Krankenhaus fertig gestellt werden soll. Erst die Infrastruktur, dann darf die Kultur ins Dorf. „Christoph mochte das Bild eines Schneckenhauses, das sich nach und nach ausbreitet mit dem Festspielhaus als Mittelpunkt – wie ein Organismus, der weiterwächst“, erklärt die Schlingensief-Witwe Aino Laberenz. Die gespendete Bühne der Ruhrtriennale steht verpackt am Dorfrand und wartet darauf, aufgebaut zu werden.

Von den vielen wahnwitzigen Projekten des Christoph Schlingensief ist sein afrikanisches Operndorf vermutlich eins der groteskesten. Was soll ein Bayreuth in Burkina Faso, fragt man sich. Welche Idee steht hinter dem Projekt: eine bewohnbare soziale Plastik, die Vision eines Künstlers, Totales Theater oder am Ende in Kultur verpackte Entwicklungshilfe?

Nach Schlingensiefs Tod hatte das Goethe-Institut eine entscheidende Rolle im Bauprozess übernommen. Doch das Operndorf war schon vor August 2010 nicht das alleinige Projekt Christoph Schlingensiefs. Viele Köpfe tragen die Idee und entwickeln sie mit: der Architekt Francis Kéré, Kampnagel-Intendatin Amelie Deuflehard, Matthias Lilienthal, Chef des Berliner Theaters Hebbel am Ufer, der Rechtsanwalt und Mäzen Peter Raue sowie Antje Vollmer, frühere Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Schlingensief hatte eine große Vision – was davon bleibt und was Wirklichkeit wird, ist den Erben des Operndorfprojekts überlassen. „Die Europäer können Afrika anschubsen, inspirieren, aber sie müssen auch akzeptieren, wenn dabei etwas anderes herauskommt, als sie erwarten“, erklärt Kéré den Medien. Die Schule steht schon mal; es wird getanzt und getrommelt.

www.operndorf-afrika.com


Zum Thema:

Download der Baunetzwoche#102 „Burkina Faso – Im Gespräch mit Francis Kéré”


Eine weitere Schule in Burkina Faso von Francis Kéré unter www.baunetzwissen.de/Gesund-Bauen


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Kommentare

4

Tine | 23.10.2011 10:41 Uhr

Operndorf

Mich würde interessieren aus welchen Familien Kinder in diese Schule gehen. Aus Familien die Geld für die Ausbildung bezahlen können, oder Solche, die in diesem Land keine Chance auf Schulbildung haben? Ich weiss, dass in Burkina-Faso ca. 80% der Bevölkerung weder lesen noch schreiben können.

3

indigo | 13.10.2011 11:05 Uhr

Architekt

Ich wünsche Francis Kéré viel Erfolg bei seiner Arbeit.

2

max | 11.10.2011 15:46 Uhr

operndorf?

ich weiss nicht, bin mir unschlüssig, ob ich dem beipflichten soll. ich bin ein schlingensief-fan der ersten stunde, aber ist dies wirklich ein "relevanter beitrag" zur ARCHITEKTUR? oder ist hieran wirklich alles andere -naja sagen wir besser interessant- aber bestimmt nicht die architektur? einen "relevanten" beitrag, etwas, dass die baugeschichte in irgendeiner form bereichern würde, sehe ich hier nicht. jedenfalls nicht, wenn ich mit konservativen kriterien herangehe (maßstab, proportion, gliederung, kontextualität, raumbildung, etc etc). ich finde das ganze projekt merkwürdig und glaube, hier wird hier etwas verklärt, seit dem tode schlingensiefs.

1

django-r | 11.10.2011 08:23 Uhr

Wundervoll.

Endlich mal wieder einrelevanter Bericht über Architektur. Das Projekt zeigt, wie man mit adäquaten Mitteln eine höchst funktionale Lösung für ein real existierendes Problem herbeiführt.

Wir werden Christoph Schlingensief nie vergessen, er war ein großartiger Künstler. Dass so viele Unterstützer das Projekt getragen haben, ist bewundernswert.

 
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