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02.08.2021

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Neues Leben in Schloss Schwarzburg

Sanierung von Tectum in Thüringen


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Erstmals seit 80 Jahren ist das Hauptgebäude von Schloss Schwarzburg in Thüringen wieder begehbar. Bei dem am 15. Juli eröffneten Denkort der Demokratie handelt es sich nicht um ein abgeschlossenes Sanierungsprojekt, sondern um eine Initialzündung für den Ausbau der stark zerstörten barocken Anlage auf dem Felsen über dem Schwarzatal. Dass darin nun zwei Säle für Veranstaltungen mit maximal 300 Personen zur Verfügung stehen, ist das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, die die Anlage Mitte der 1990er Jahre übernahm, der IBA Thüringen, die das Projekt vorantrieb, der Gemeinde Schwarzburg und des Weimarer Büros Tectum. Mit nicht mehr als 2,25 Millionen Euro, die jeweils zu einem Drittel über die IBA vom Freistaat Thüringen, von der Stiftung und aus dem Sonderprogramm Nationale Projekte des Städtebaus kommen, wurde hier Bemerkenswertes geleistet.

Das Bild, welches sich den Besucher*innen bietet, ist alles andere als gefällig, zeigt es doch die Spuren einer außergewöhnlichen Schlossgeschichte. Hier befand sich einst der Stammsitz eines der ältesten Adelsgeschlechter Thüringens, das die mittelalterliche Burganlage zum repräsentativen Barockschloss ausgebaut hatte. Hier unterzeichnete Friedrich Ebert nach dem Ende der Monarchie in Deutschland 1919 die erste deutsche demokratische Verfassung, hier rissen die Nationalsozialisten Anfang der 1940er Jahre Wände, Zwischendecken und einen ganzen Flügel ab, als sie das Schloss zum Reichsgästehaus umbauen wollten – und hinterließen eine Ruine, die zu DDR-Zeiten nur notdürftig erhalten wurde.

Seit den 2010er Jahren wurden einzelne Teile sukzessive gesichert, ein Wettbewerb suchte 2012 ein Nutzungskonzept für das Schloss. Die siegreiche Idee des Weimarer Büros Tectum bestand darin, die Zeitschichten in den Räumen sichtbar zu lassen: die Abbruchkanten und Entlastungsbögen ebenso wie die in den Putz geritzten Gedanken der Menschen, die sich in den 1960er Jahren Zutritt zur Ruine verschafft hatten; den Mix aus Schiefer und Mörtel; das brachial eingefügte Mauerwerk und die Betonträger, die die Reste stützen. Die Herausforderung bestand also vor allem darin, mit vergleichsweise minimalem Budget in dem ruinösen Gebäude zunächst zwei Räume für öffentliche Veranstaltungen herzurichten. 

Dafür mussten das Tragwerk bis in die Kellergeschosse hinab ertüchtigt, der 2017 errichtete Treppenturm ausgebaut und ein zweiter Fluchtweg über eine Brücke im Schlossturm eingerichtet werden. Der Emporensaal setzt sich aus ehemals acht Räumen der fürstlichen Familie zusammen. Die radikale Entkernung der 1940er Jahre hatte hier ein riesiges Raumvolumen hinterlassen. Die neue Empore verbindet als Ringanker die Außenwand mit dem Gebäude und bietet 50 Personen Platz. Auch der Ahnensaal, der einstige Hauptsaal der Schwarzburg, kann wieder genutzt werden. Restaurator*innen haben Wandstuck und Deckenstruktur komplett überarbeitet, die Medientechnik ist im neuen Doppelboden integriert. Einige Fenster wurden in historischer Teilung und Profilierung wiederhergestellt. Ein Anfang ist gemacht für Schloss Schwarzburg. Rund 300 Personen können hier nun Konzerten lauschen und über zeitgenössische Themen diskutieren – oder auch über die Pläne eines monströsen Hotelprojekts, für das ein Investor in dem kleinen Ort Schwarzburg derzeit auf Stimmenfang geht.  (fm)


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Kommentare

7

mr-arcgraph | 11.08.2021 16:14 Uhr

Interesse

Mich hätten nun im Vergleich historische Grundrisse interessiert, um den Umfang der Abrisse in den 1940er Jahren nachvollziehen zu können. Die »Sicherungsmaßnahmen aus den 1940er Jahren« sind so unverständlich.

6

Superarchitekt | 03.08.2021 17:13 Uhr

@Pekingmensch

Die unterbleibende Instandsetzung von Denkmalen ist nach meinem Empfinden in vielen Fällen den Ansprüchen an die "denkmalgerechte" Ausführungart und die damit verbundenen Kosten geschuldet.
Etwas mehr Pragmatismus und Kreativität von allen Seiten wäre durchaus hilfreich. Das ganze natürlich unter der Maßgabe, nicht der Bausubstanz zu schaden.

Beim vorliegenden Objekt, beispielsweise, wird allein die Dacheindeckung mindestens 100.000 Euro gekostet haben.
Sieht natürlich hübsch aus und entspricht annähernd der bauzeitlichen Gestaltung. Hätte man aber auch in abstrahierter Form als Metalldach für ein fünftel der Summe machen können und es eine zeitgenössische, meinetwegen temporäre Interpretation nennen können.
Und das ohne Substanzverluste oder fiese Verbundbaustoffe. Nur so als Idee.

Das lässt sich aber nicht immer vermitteln (dem gemeinen Betrachter oder dem akademisch agierenden Denkmalschutzbeamten).

In den Innenräumen dürfen es dafür dann aber die sichbaren Zeitschichten sein, da muss man nämlich keine Entscheidung treffen und verstehen tun es inzwischen auch die meisten.

5

Pekingmensch | 03.08.2021 06:25 Uhr

Tourismus

Also, ich habe das "Nature Family Resort" gerade mal gegoogelt und ich finde es weder monstroes noch gar geschmacklos oder gar gestrig (ueber die Architektursprache kann man natuerlich wie immer trefflich streiten). Wie soll denn eurer Meinung nach ein Hotel und Resort im Jahr 2021 aussehen? ---- Was die Schloss-Sanierung anbetrifft: Ich habe mich in letzter Zeit vertieft mit Burgen und Schloessern in den oestlichen Bundeslaendern beschaeftigt. Das Fazit ist erschreckend: Auch 30 Jahre nach der Wende gammeln Dutzende, wahrscheinlich sogar Hunderte wundervolle alte Schloesser und Burgen vor sich hin, sind ungenutzt, unsaniert oder bestenfalls teilsaniert, und oft ungeschuetzt dem Verfall ausgesetzt. Es ist deshalb gut, dass sich hier in Schwarzburg endlich etwas tut - es kommt aber Jahrzehnte zu spaet. Weshalb sich die Frage stellt: Warum mangelt es in Deutschland am Geld, an zielgerichteten staatlichen Investitionen, um solche wichtigen Denkmalobjekte zu sichern und zu sanieren? Warum geniesst der Denkmalschutz keine hoehere Prioritaet in der Politik von Bund und Laendern?

4

latimer | 02.08.2021 23:53 Uhr

Monströs

Tatsächlich besetzt das "monströs" genannte Hotelprojekt eine der schönsten Ecken der Landschaft an der Schwarza, die damit unwiederbringlich verloren geht. Muss Architektur die Landschaft zerstören, von der sie vorgibt, profitieren zu wollen?
Und ebenso tatsächlich läßt die überzogene Architektursprache jede Sensibilität gegenüber dieser Landschaft vermissen. Das Projekt erinnert sehr an einige Projekte der 70er Jahre, die der Landschaft ihren Stempel brutal aufdrückten, was die Halbwertszeit ihrer "Erfolgsgeschichten" nicht gerade verlängerte.
Freilich trägt die simple Grafik der Perspektiven nicht gerade zu einem besseren Verständnis des Projektes bei.
Ich hoffe, dass die Wirkung des Schlosses, von dieser Intervention unbelastet bleibt.

3

max | 02.08.2021 19:53 Uhr

kann ja jede/r googlen

und feststellen dass der begriff "monströs" vielleicht nicht der einzige passende ist, sondern dieses "Nature Family Resort" besser als "geschmacklose/billige/gestrige/rücksichtslose/zerstörerische/ausbeuterische Investorenarchitektur" bezeichnet werden sollte...
dann lieber keinen "neuanfang", bevor man sich so selbst kaputt macht!

2

Kathrin Pabst | 02.08.2021 16:59 Uhr

Kommentar zu Schwarzburg Beitrag

Sehr geehrte Redaktion,
danke für Ihren Beitrag zu Schloss Schwarzburg.
Etwas schade finden wir allerdings Ihren letzten Satz zum "monströsen" Hotelprojekt. Das ist leider stark überspitzt dargestellt und hinterlässt den Leser mit dem Eindruck, dass durch das geplante Projekt das Schwarzatal überbaut werden soll oder gar die Schwarzburg zum Hotel werden soll...
Die enormen öffentlichen Investitionen in die Schwarzburg, wie von Ihnen dargestellt, benötigen auch private Folgeinvestitionen, sodass das Tal und die Region davon profitieren können. Dafür benötigt es einen weiteren touristischen Anker, welcher Perspektiven für einen Neuanfang bietet, auch für die Einwohnenden. Das soll durch ein Nature Family Resort gelingen. Die Pläne sind erst am Anfang und werden auf die Region ausgerichtet sein.
Nichts für Ungut. Ansonsten freue ich mich weiterhin auf Ihren Newsletter.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Pabst

1

Frauke | 02.08.2021 16:48 Uhr

Warum so tendenziös

Kann man nicht einfach die Schlösser die erhalten sind, wieder aufbauen und die, welche nicht mehr erhalten sind weglassen?

Diese denkmaltechnische Fetischiesierung von "geschichtlichen Layern" hat ja in Nachkriegsdeutschland des 20JH Sinn gemacht aber ist doch nicht mehr aktuell und zukunftsgerichtet.

Was ensteht denn im Endeffekt ein nur eingeschränkt nutzbares Provisiorium, dass aufgrund seiner ganzen geschichtlichen Ebenen nur noch sich selbst ausstellen kann.

Auf der anderen Seite wird der Hotelneubau (habe ich grade mal gegoogelt, ein kleinteilges Ensemble mit Gibeldächern in Holzbauweise !!!) dermaßen überzogen auf Baunetz als monströs dargestellt.

Hätte man viellleicht einfach den Investor das Hotel ins Schloss bauen lassen sollen und 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen...

 
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Auf Schloss Schwarzburg unterzeichnete Friedrich Ebert 1919 die erste deutsche demokratische Verfassung. Lange war es eine Ruine.

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Das Portal wurde bereits 2014 komplett überarbeitet. Der Mittelrisalit war viele Jahre in ein Stahlkorsett gefasst.

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Eine neue Treppe ermöglicht die Nutzung für Veranstaltungen.

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Veranstaltungsraum 1: der neue Emporensaal. Die Fachwerkträger sind eine Sicherungsmaßnahme aus den frühen 40er Jahren. Sie wurden als Zeitzeugnis belassen.

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