Nach zweieinhalb Jahren Sanierungs- und Umstrukturierungsarbeiten wird das landeseigene Kunstgebäude am Schlossplatz in Stuttgart wieder eröffnet. Damit erhält das „Haupt-und Gründungswerk der Stuttgarter Schule“, wie es Kunstführer Dehio 1993 beschreibt, eine erneute zeitgenössische Anpassung.
Erbaut in den 1910er Jahren nach Entwürfen von Theodor Fischer, wurde das Bauwerk mit der markanten Arkade im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte 1956 bis 1961 unter Leitung von Paul Bonatz und Günther Wilhelm, die den Altbau um einen zeitgemäßen White Cube ergänzten. 2018 konnten blocher partners (Stuttgart) den europaweiten Architekturwettbewerb für die Sanierung des historischen Teils des denkmalgeschützten Ensembles für sich entscheiden. Im April 2025 wird der Württembergische Kunstverein seine Ausstellungsräume unter der von einem Hirsch (Bildhauer: Ludwig Habich) gekrönten Kuppel wieder in Betrieb nehmen.
Aufgabe war es, das geschichtsträchtige Kunstgebäude in die
Jetztzeit zu holen, schreiben blocher partners. Unter Wahrung der heutigen Brandschutzverordnung galt es, das Gebäude barrierefrei zu gestalten, Helligkeit hineinzubringen und mehr Nutzungsoptionen zu schaffen. Während die Gebäudehülle saniert wurde, verlegten die Architekt*innen den Haupteingang von der Mittelachse nach rechts. Ein zwischen den Stützen schwebender Ring mit Schriftzug markiert nun das Portal, das von einem dickem Rahmen aus brünierter Bronze gefasst wird.
Ein eingefügtes Treppenhaus samt Aufzug erschließt den zweigeschossigen Bestand. Durch die Unterkellung des Marmorsaales wurden neue Flächen für Garderobe und Sanitär geschaffen. Der Marmorsaal selbst lässt sich nun mittels akustisch wirksamer, teils beweglicher Lamellenwände um den Nachbarraum erweitern. Der Kuppelsaal hingegen wurde lediglich akustisch optimiert. In Anlehnung an die ursprüngliche Planung von Theodor Fischer wurde die Decke über dem Restaurantbereich im Erdgeschoss teilweise entfernt. So sind nun Blicke zum darüberliegenden Ausstellungssaal möglich.
Die Kosten der von der Vermögen und Bau Stuttgart in Auftrag gegebenen Sanierung- und Modernisierungsmaßnahmen werden mit 20,5 Millionen Euro angegeben, bei einer Nutzungsfläche von 3.460 Quadratmetern. Fun Fact zum Bauen im Bestand: Zu Beginn der Arbeiten 2021 stießen Bauarbeiter*innen auf einen weiteren Grundstein des „Neuen Lusthauses“ der Württembergischen Herzoge. Bereits 110 Jahre zuvor, bei Errichtung des Kunstgebäudes im Jahr 1911, war ein Grundstein des Renaissancebaus von Hofbaumeister Georg Beer entdeckt worden, der sich seit 1593 an gleicher Stelle befunden hatte. (kms)
Fotos: Simon Sommer, Joachim Grothus
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DWS, Stuttgart | 25.03.2025 13:45 UhrStuttgarter Schule
Das extrem konservative "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Baden-Württemberg", das Friedrich Piel, Prof. an der LMU- München, 1960/61 schrieb, erwähnte das damals gerade reparierte "Haupt- und Gründungswerk" der Stuttgarter Schule noch mit keiner Silbe. Diese von Theodor Fischer aus Schweinfurt begründete Architekturauffassung entwickelte sich unter dem erst seit 1918 dazugekommenen Schmitthenner vom Regionalismus zum Konservatismus. Am Ende des 1. WK befand sich der funktionale Monumentalbau des Bonatz'schen Hauptbahnhofs schon im Bau. Er ist keine "Talsperre", sondern machte aus der großen Kleinstadt endlich eine kleine Großstadt. Eine kleinbürgerlich-pietistische Grundströmung hatte seit Generationen keine Notwendigkeit für Prunkbauten erkannt, nicht einmal für eine "Kirchendominante". - Auch die Neue Staatsgalerie (1979-84) ist kein "Brocken" in der 600.000 EW-Stadt, sondern ein notwendiges und sinnvolles Zeichen künstlerischer Kultur in der Wirtschaftsmetropole mit der biedermeierlichen Vergangenheit im engen Talkessel, für die auch das kleine Kunstgebäude steht. (Schon die Ausmaße des barocken Schlosses direkt daneben hatten der Herzogsresidenz am Nesenbach einen Platz unter den europäischen Residenzstädten verschafft.)