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12.07.2019

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Holzhaus am See

Sanierung in Potsdam von Andreas Potthoff und Hertzberg Weber Architekten


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Auch das Wochenende musste mal erlernt werden. Das war – wie so vieles, was unser modernes Leben bis heute prägt – in der Zwischenkriegszeit. Damals gab es eine regelrechte Wochenendbewegung, der es um geordnete Erholung und praktische Tipps für gesunde Aktivitäten im Grünen ging. Für die gehobeneren Schichten bedeutete das nicht zuletzt, sich ein Wochenendhaus zu bauen. Das taten auch die beiden Berliner Ärzte Dr. Munk und Dr. Alexander, nachdem sie 1927 die Ausstellung „Das Wochenende“ im Berliner Messegelände gesehen hatten.

Inspiriert von den dort gezeigten Entwürfen beauftragten sie den Baubetrieb des Berliners Otto Lenz mit der Errichtung zweier kleiner Wochenendhäuser am Ufer des Groß Glienicker Sees in Potsdam. Einen Architekten zogen sie nicht zu Rate, was insofern erstaunt, als Alfred Alexander ein erfolgreicher Arzt und Präsident der Berliner Ärztekammer war. Er hätte wohl über entsprechende Kontakte verfügt, doch sein kleines Holzhauses – das kürzlich denkmalgerecht saniert und nun als interkultureller „Ort der Bildung und Versöhnung“ fungiert – ist vielleicht gerade deshalb so charmant. Es lässt die hemdsärmeligen und sommerlichen Freude des Bauherrn daran erkennen, sich ein fröhliches Häuschen am See zu gönnen. Leider brannte das Haus Dr. Munk bereits vor vielen Jahren ab, so dass das nun als Alexander Haus bezeichnete Gebäude allein für sich steht.

Spielerisch leicht und farbig leuchtend zeugt das knapp 80 Quadratmeter große Alexander Haus von den beschwingten Sommertagen der Familie und ihrer Freunde vor den Toren der Hauptstadt. Sogar Albert Einstein war hier einst zu Gast. Doch die unbeschwerten Tage waren bald vorbei. Die Alexanders wurden als Juden von den Nazis verfolgt und emigrierten 1936 nach Großbritannien. Der Komponist und Verleger Will Meisel, seit Mai 1933 NSDAP-Mitglied, zog ein. Später lag das Grundstück direkt am Mauerstreifen. Statt auf den See blickten die Bewohner auf ein Stück Beton. Das Haus wurde immer wieder umgebaut, blieb ab 2003 unbewohnt und wurde zunehmend ein Opfer von Vandalismus.

2013 entdeckte der Londoner Journalist Thomas Harding, der Urenkel des Bauherren, das Haus wieder, das er viele Jahre zuvor einmal mit seiner Großmutter besichtigt hatte. Ein Jahr später wurde es entrümpelt und unter Denkmalschutz gestellt. Der Berliner Architekt und Denkmalpfleger Andreas Potthoff übernahm die Sanierung. Doch kurz nach Beginn der Bauarbeiten Anfang letzten Jahres hatte er einen tödlichen Bootsunfall. Hertzberg Weber Architekten (Potsdam, Berlin) stiegen daraufhin in das Projekt ein und führten es zu Ende. Mindestens genauso wichtig wie die Architektinnen sind die vielen Freiwilligen, die tatkräftig und finanziell mithalfen. Neben Nachfahren der Familie Alexander halfen auch Menschen aus der Nachbarschaft, dem verfallenen Häuschen wieder neues Leben einzuhauchen. Zwei Drittel der Baukosten wurden durch Spenden abgedeckt.

Das Alexander Haus ist eine zeittypische Pfosten-Riegel-Konstruktion, die auf einem Streifenfundament aus Mauerwerk aufliegt. Innen wie außen gingen die Architektinnen denkmalgerecht vor, ließen den Bestand untersuchen und ersetzten nur, was wirklich nötig war. So konnten sie circa 90 Prozent der Außenhülle und alle Fenster erhalten. Nur die markante Südfassade mit dem Vordach und den dekorativen Stützen ist eine Rekonstruktion auf der Basis alter Fotografien, da dieser Bereich durch spätere Bewohner des Hauses komplett überformt worden war. Auch bei den Böden und Innenwänden gingen sie entsprechend minutiös vor. Eine energetische Ertüchtigung des Hauses fand nicht statt. Sie wäre nicht zuletzt aufgrund der pragmatischen Bauweise und der dünnen Wände nur mit großem Aufwand zu realisieren gewesen. Stattdessen gibt es eine Luftwärmepumpe, die über Auslässe im Boden das Haus heizt. Ganz ähnlich wie schon die originale Heizungsanlage funktioniert hatte.

Träger all dieser Bemühungen ist der Verein Alexander Haus, der das Gebäude am 16. Juni 2019 als interkulturelle Bildungs- und Begegnungsstätte eröffnet hat. Nachdem das Gebäude saniert ist, möchte sich der Verein der Wiederherstellung des historischen Gartens widmen und sucht dafür weitere Unterstützer. Außerdem plant der Verein den Bau eines Seminargebäudes, für das David Chipperfield Architects (Berlin) gewonnen werden konnte. (gh)

Fotos: André Wagner


Zum Thema:

Weitere Informationen zum Sanierungsprojekt und zum Bildungsprogramm des Vereins findet man auf dessen Webseite www.alexanderhaus.org. Wer mehr über die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner erfahren möchte, dem sei Thomas Hardings Buch Sommerhaus am See empfohlen, das bei dtv erschienen ist.


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1927 als Wochenendhaus gebaut, dient das frisch sanierter Alexander Haus in Potsdam nun als interkulturelles Begegnungszentrum.

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Nach der denkmalgerechten Restaurierung erstrahlt das Holzhaus am Ufer des Groß Glienicker Sees wieder unbeschwert und farbenfroh.

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Der Kamin im Wohnzimmer musste weitgehend rekonstruiert werden, nur die Delfter Kacheln überstanden die Jahrzehnte unversehrt.

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Hausherr Alfred Alexander Anfang der 1930er Jahre in Lederhosen beim Wässern des Gartens.

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