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07.07.2009

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Thron oder Schemel?

Rüge und Ausstellung zum Berliner Schloss


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Die Debatte um die Rekonstruktion des Berliner Schlosses kommt immer mehr in Fahrt. Nachdem der Verdacht laut geworden war, dass der Wettbewerbsgewinner Franco Stella womöglich die Teilnahmebedingungen nicht erfüllt habe (siehe BauNetz-Meldung vom 1. Juli 2009), hat jetzt der im Wettbewerb unterlegene Hans Kollhoff gehandelt: Er hat eine formelle Rüge an den Auslober, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, gerichtet. Kollhoff hatte einen von vier „dritten“ Preisen gewonnen.

„Wenn so ein Verfahren Unregelmäßigkeiten zeigt, hat man die Möglichkeit, eine Rüge abzugeben. Das haben wir gemacht“, sagte Kollhoff zur Berliner Zeitung. Seine Rüge bedeute, dass das Bauministerium nun präziser Stellung nehmen müsse zu dem Wettbewerb und der Einhaltung der Teilnahmebedingungen. „Was danach kommt, werden wir sehen.“ Er wünsche sich, dass es noch einmal die Möglichkeit gebe, über das Humboldt-Forum „nachzudenken“, so Kollhoff weiter zur Berliner Zeitung.

Über das Humboldt-Forum „nachgedacht“ haben auch die Institutionen, die dieses Forum inhaltlich bespielen wollen: die Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Diese drei Partner und zukünftigen Akteure des Humboldt-Forums stellen mit der Ausstellung „Das Humboldt-Forum im Schloss: Anders zur Welt kommen“ gemeinsame Leitideen in der Form eines Werkstattblicks vor. Die Ausstellung wird ab dem 9. Juli im Alten Museum in Berlin gezeigt. Ein Journalistenkollege, der die Ausstellung bereits vorab sehen konnte, bezeichnete sie als „uninspiriert“.

Unterdessen mehren sich grundsätzliche Zweifel an der Schlossrekonstruktion und dem Konzept des Humboldt-Forums. Peter Richter kommentierte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 5. Juli 2009:

„Man darf sicher sein, dass der Streit um die Formalien fortgesetzt wird, es geht schließlich um etwas ganz anderes. Es geht um die Formen. Und es geht darum, wie bei einem Strategiespiel, den Aufbau des Gegners zu stören, um andere Optionen offenzuhalten.

Immerhin kam die Aufregung rechtzeitig, bevor die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Stand der Überlegungen zum sogenannten
Humboldt-Forum vorstellen wird. Jetzt rächt sich, dass dem ästhetisch begründeten Wunsch nach einem weitgehend originalgetreu rekonstruierten Schloss nachträglich und wie aus schlechtem Gewissen über die eigenen restaurativen Sehnsüchte ein Nutzungskonzept hinzuerfunden wurde, das bewusst so universell formuliert war, dass man sich alles Mögliche darunter vorstellen konnte.

Die Verehrer des Stadtschlosses trifft es am härtesten: Ihnen war Schlüterscher Barock versprochen worden. Jetzt bekommen sie Franco Stellas italienischen Razionalismo. Beides verhält sich ungefähr so zueinander wie ein Thron zum gipsernen Modell eines Schemels.


Ausstellung „Das Humboldt-Forum im Schloss: Anders zur Welt kommen“ vom 9. Juli 2009 bis 17. Januar 2010, Mo-So 10-18 Uhr
Ort: Altes Museum, Am Lustgarten, Berlin-Mitte


Kommentare

11

Andreas | 14.07.2009 12:40 Uhr

Konsequenzen

Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe. Natürlich wäre es im Sinne der Verfahrenskultur fatal, wenn sich hier einer mit falschen Eigenerklärungen durchmogelt. Und natürlich kann man sich über eine Bundesbehörde ärgern, die so schlampert mit den von ihr selbst erdachten Verfahrensbedingungen umgeht. Und doch ist schon die Rüge fatal, und ein Gang zur Vergabekammer wäre eine Katastrophe. Denn was wäre die Konsequenz des vermeintlichen Erfolgs? Neben der Aberkennung des Preises und des Auftrags (da freuen sich noch alle, die es immer schon gewusst haben, ohne dass deswegen eine bessere Lösung in Sicht wäre, denn der Sonderpreis DARF vergaberechtlich gar nicht realisiert werden) wird uns womöglich höchstrichterlich bestätigt, dass die Erbsenzählerei (Computerarbeitsplätze, Mitarbeiter, Umsätze...) nicht nur zulässig sondern womöglich sogar zwingend erforderlich ist. Und den Auslobern wird der letzte Spielraum genommen, vielleicht auch mal mit wenigen, sinnvollen Kriterien auszuwählen und diese großzügig auszulegen. Das anschließende Jammern über diese neuerliche Verschärfung des Wettbewerbszugangs möchte ich mir gar nicht vorstellen, es käme aber wahrscheinlich von all denen, die hier gerade frohlocken. Dass Herr Kollhoff mit dieser Konsequenz gut leben könnte, glaube ich gerne, er haut damit aber 95 % seines Berufsstands in die Pfanne.

10

matthias | 10.07.2009 19:26 Uhr

verfahrensfehler?

über sinn und unsinn von zulassungsbeschränkungen bei wettbewerben kann man sicher verschiedener meinung sein.
wenn aber regeln aufgestellt werden, so müssen diese im interesse der gleichberechtigung aller dann auch eingehalten werden. das bundesbauministerium sollte im interesse des projekts, das durch den ganzen bisherigen ablauf schon genug beschädigt ist, schnellstmöglich stellung beziehen. wenn alles in ordnung ist muss stella der rücken gestärkt werden, wenn der im raum stehende vorwurf aber zutrifft, kann es nur eine entscheidung geben, nämlich ihm den auftrag zu entziehen.
ob dann mit den anderen preisträgern verhandelt werden könnte oder der wettbewerb dann komplett hinfällig wäre, müsste rechtlich geprüft werden.
ich halte das ganze projekt jedenfalls für so absonderlich, dass mir ein ende mit schrecken lieber wäre als schrecken ohne ende.

9

exfreiberufler | 10.07.2009 03:02 Uhr

wettbewerbsverfahren

zur zeit realisiere ich einen fuer ein namhaftes büro gewonnenen wbw. nie im leben hätte ich diese möglichkeit unter eigenem namen bekommen, weder an jenem wbw teilzunehmen noch ihn umzusetzen.
kohlhoff soll fuer sein recht eintreten. das ist völlig in ordnung.
aber die bundesbaudirektion soll endlich mit einem freien wbw system allen und somit auch den besten (wie anscheinend stella in diesem fall) die möglichkeit geben, ihre ideen zu präsentieren und zu realisieren.



8

solong | 09.07.2009 08:00 Uhr

T.Kölschbach - und die dummen sind wieder die ehrlichen

die rüge von herrn kollhoff ist mutig und richtig !! es kann nicht richtig und fair sein wenn die meisten architekten infolge mangelnder bürogröße ausgeschlossen werden und derjeniger der sich wie auch immer schlicht darüber hinweg setzt siegt ... oder pflichten sie dem bei was mir letzlich mal ein alternder geschäftsmann aus der provinz sagte " gesetzte sind nur für die, die kein geld haben" ??? - die dummen sind dann wieder die ehrlichen - wo bleict die ethik wenn wir nicht dafür kämpfen ?? auch wenn ich die architekturauffassung des kollegen kollhoff nicht teile ... absoluten respect an ihn !!!

7

T. Kölschbach | 08.07.2009 16:32 Uhr

Bürokratie

Gestaltung hin, Formalien her. Hat Herr Kollhoff mometan eine Flaute oder warum zettelt er solchen abartigen Bürokratenauflauf an. Bevor er rügt, sollte er lieber das Ergebnis akzeptieren. Entscheidend ist der Hirnschmalz den jeder Wettbewerbsteilnehmer eingesetzt hat. Und der scheint bei Herrn Kollhoff nicht ausreichend gewesen zu sein.

6

Jörg Kempf | 08.07.2009 15:40 Uhr

@hinz

Herr Kollhoff hat Herrn Stella nicht verklagt, noch plant er solches. Kollhoff hat das Bundesbauministerium lediglich formal gerügt, was dieses nun zu einer offiziellen Stellungnahme zwingen dürfte, welche dann wieder u.U. Grundlage für eine Klage solcher Bewerber sein mag, die wegen ähnlicher Unzulänglichkeiten vorher ausgesondert wurden und keine Chance bekamen, ihre Lösungen zu präsentieren. Ich meine: Gleiches Recht für alle. Wenn Stella hier absichtlich oder versehentlich mit gezinkten Karten gespielt hat, dann sollte man das nicht einfach nonchalant übergehen. Dann wäre sein 1. Preis unfair und auch unrecht. Ganz egal, ob man bei einer x-beliebigen Kita vielleicht sonst schon mal ein Auge zudrückt. Man kann nicht einerseits immer wieder die Besonderheit und "Würde" der Bauaufgabe betonen und gleichzeitig mit solch entscheidenden Details lax umgehen. Das riecht irgendwie nach Vetternwirtschaft und Einflussnahme. Auf so einen Makel würde ich das Projekt nicht gründen wollen. Und ganz ehrlich: Mein Bedauern hält sich wahrlich in Grenzen, da ich - von den Fassaden mal ganz abgesehen - Vieles an Stellas Entwurf zu kritisieren habe. Ich sage deshalb: Chance nutzen und neu nachdenken.

5

hinz | 08.07.2009 08:48 Uhr

chance vergeben

Es ist schade, dass hier ein guter Entwurf über die Vergaberechtlichen Vorgänge demontiert wird.

Leider ist es aber für eine Rüge nach Ablauf der Informationsfrist und Vertragsabschluss zu spät. Nach dem Vertragsschluss würde es nur noch ein Weg über ein Zivilrechtliches Verfahren geben - nicht aber ein Verwaltungsrechtliches.

Alles was mit der Beschwerde ereichen wird, ist eine weitere Verkomplizierung unseres Vergaberechts - diesmal für die Büros (in Zukunft muss dann jedes kleine Büro sich für die Wettbewerbe einen Gewerberegisterauszug holen, statt Eigenerklärung). Vielen Dank Herr Stella.

Verklagen sollte nicht Herr Kollhoff Herrn Stella, wenn es schon eine Klage gibt, dann von Seiten des Staates gegen Herrn Stella - wegen Urkundenfälschung bei der Eigenerklärung. WO aber noch zu klären wäre inwieweit das BBR für eine Prüfung dieser zuständig ist.

Schade ist es wirklich um einen guten Entwurf, wenn man denn keinen anderen Weg findet sich einig zu werden.


4

Kinschel | 07.07.2009 23:14 Uhr

Verfahrensfehler

Hoffentlich führt das zu einem Überdenken der Gesamtsituation für die neue Mitte Berlins.

3

seltsam | 07.07.2009 16:49 Uhr

hauptstadt

in jedem kleinen wettbewerb wird auf verfahrensfehler geachtet und diese mit recht verfolgt und entsprechend "bespraft" .nicht das ich für kollhoffs kitschzeug wäre aber der traut sich wenigstens das in diesem fall schon verdreckte nest zu beschmutzen.
hoffentlich wird gekehrt....

2

ulf | 07.07.2009 16:21 Uhr

aufregung für nichts

was eine aufregung um einghaltene formalien oder nicht. am ergebnis kann dies schon wegen der politisch substantiell prekären lage nichts mehr ändern. schade.

1

Christian | 07.07.2009 15:44 Uhr

Humboldt-Forum

Kühn Malvezzi sind und werden die wahren Gewinner
bleiben.

 
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