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23.01.2023

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Genehmigungspflicht für Abrisse

Rechtsgutachten bestätigt Forderung der Deutschen Umwelthilfe


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Dass Bestandssanierungen im Vergleich zu Abriss und Neubau meist günstiger auf die Klimaschutzziele wirkt, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Trotzdem gibt es jenseits einiger sozialer Vorgaben in manchen Bundesländern – Milieuschutzgebiete oder Zweckentfremdungsverbote bei Wohnraum – kaum Möglichkeiten, Abrisse zu verhindern. Oft sind sie in Deutschland noch nicht einmal genehmigungspflichtig. Und falls doch, haben die zuständigen Verwaltungen kaum eine Handhabe, um sich gegen den Willen finanzstarker Investoren durchzusetzen.

Genau an diesem Punkt möchte die Deutsche Umwelthilfe ansetzen, die sich schon länger um das Thema verdient macht. Bereits 2021 forderte der Verein zusammen mit anderen Akteur*innen eine Sanierungsoffensive, und im vergangenen Dezember stellte er mit Architects For Future eine aktuelle Negativliste mit besonders absurden Abrissbeispielen vor. Auch zu den Erstunterzeichner*innen des Abrissmoratoriums gehört die Deutsche Umwelthilfe.

Unter Geschäftsführerin Barbara Metz fordert der Verein zudem eine generelle Genehmigungspflicht für Abrisse, an die eine Analyse der Umwelt- und Klimawirkungen der geplanten Neubaumaßnahmen geknüpft werden soll. Nur wenn sich diese hinsichtlich ihrer Ökobilanz im Vergleich zu einer Sanierung als vorteilhaft erweisen würden, wäre dann eine Genehmigung zu erteilen. In einem kürzlich vorgestellten Rechtsgutachten sieht die Deutsche Umwelthilfe nun die generelle Machbarkeit dieses Ansatzes bestätigt.

Nach Remo Klinger, Rechtsanwalt und Hauptautor des Gutachtens, entkräfte die große Dringlichkeit, CO2-Emissionen zu senken, die Bedenken eines zu starken Eingriffes in die Eigentumsrechte. Die Gesetzgebungskompetenz obliege dabei den Ländern, was eine zeitnahe Einführung im Rahmen der Landesbauordnungen begünstige.

Unter diesen Vorzeichen fordet nun Metz im Namen der Deutschen Umwelthilfe, 2023 müsse das Jahr eines Paradigmenwechsels im Sinne einer klimaschutzbezogenen Gebäudepolitik werden. Und tatsächlich, wenn man bedenkt, dass beispielsweise der Artenschutz schon heute abrissverhindernde Wirkung haben kann, erscheint es umso grotesker, dass dies nicht schon längst auch für negative Auswirkungen auf das Klima gilt. Bis es soweit ist, könnte das bereits erwähnte Moratorium weitere gedankenlose Abrisse verhindern.

Einwände gegen solche Pläne erhebt naturgemäß die Immobilienlobby. Mit einer an ökologische Kriterien gebundenen Genehmigungspflicht drohe eine noch größere Bürokratisierung, war kürzlich in der Immobilien Zeitung zu lesen. Und so manches Bauvorhaben, das eigentlich eine Innenstadt hätte stärken können, wandere vielleicht auf die grüne Wiese – während leere Bestandsbauten weiter vor sich hin modern.

Folgt man solchen Argumenten, wären neben ökologischer Zielsetzungen zumindest flankierend auch ökonomische Anreize wie eine klimabezogene Besteuerung von Baustoffen notwendig. Denn natürlich, wenn sich Neubauten weiterhin als günstiger erweisen, könnte es insbesondere der Bestand jenseits attraktiver Ballungsgebiete schwer haben. Die grundsätzlichen Ziele der Deutschen Umwelthilfe ficht dies allerdings nicht an. (sb)


Zum Thema:

Mehr zur Forderung der Deutschen Umwelthilfe inklusive einer Kurzfassung des Rechtsgutachtens: www.duh.de.


Kommentare

11

Anton Schedlbauer | 28.01.2023 12:38 Uhr

Ökologie ohne Kultur wird uns nicht retten

Das ganze mag durchaus gut gemeint sein, aber man muss auch die Folgen bedenken. Sobald die Tinte unter den Gesetzen und Verordnungen trocken ist, werden die ersten Computerprogramme für die Erstellung der Ökobilanzen auf dem Markt sein. Es ist gut möglich, dass die Erstellung der Ökobilanzen dann in die Zuständigkeit der Energieberater fällt. Die Anforderungen an die Qualifikation von Energiearbeitern sind aber breit gefächert. Architektur und Gestaltung spielen dabei keine Rolle.

Was wird also geschehen? Wie wird das Thema in der Öffentlichkeit aufgenommen? Werden sich Leute, die auch nicht davor zurückschrecken, die Sonnenblumen von Vincent van Gogh mit Tomatensauce zu bewerfen, sich des Themas bemächtigen? Wie viele Prozesse werden durch sämtliche Instanzen gehen, bis die Auslegung der Gesetze und Verordnungen abschließend geklärt ist?

Und wo bleibt die Architektur? Die Architekten sind mit dem Aufkommen der modernen Industriearchitektur aus Stahl und Glas schon einmal beinahe ins Hintertreffen gekommen. Das kann heute sehr schnell wieder geschehen. Sehr, sehr schnell! Ich höre aber nichts, wo bleibt der Aufschrei der Architekten?

Es geht nicht nur um irgendwelche Zahlen, die rot oder grün hinterlegt sind. Es muss als Erstes um Architektur gehen. Alles andere sind nur Hilfsmittel. Solange das nicht sichergestellt ist und entsprechend bereits unumstößlich in der Gesetzgebung verankert ist, wird das ganze nicht gut ausgehen, vor allem nicht für die Architekten.

Ich empfehle jedem, der bei der Genehmigungspflicht für Abrissgebäude so bedingungslos Hurra schreit, zunächst einmal die Zehn Bücher über Architektur von Vitruv zu lesen, um mal einen kleinen Geschmack davon zu bekommen, um was es in der Architektur geht.

PS: In Tokio hat man gerade den Nakagin Capsule Tower abgerissen! Wie kann so etwas in einer modernen Gesellschaft möglich sein?

10

Anton Schedlbauer | 27.01.2023 13:15 Uhr

Erhaltenswürdig, aber nicht denkmalwürdig - Abbruchreif, aber sanierbar

Erhaltenswürdig, aber nicht denkmalwürdig (Bild 3), so ein Unsinn muss jemandem erst mal einfallen. Aber will man wirklich Architektur auf die Ökobilanz reduzieren?
Das wird so nicht gehen. Wo erscheinen in der Ökobilanz der Betrieb und der technische Unterhalt der Gebäude? Was ist mit den Nutzergewohnheiten? Und, und, und.
Wird es dann heißen: Abbruchreif, aber sanierbar?
Das ganze Thema ist doch wesentlich komplexer. Wenn eine Abrissgenehmigung erforderlich ist, dann bitte unter Einschaltung von Architekten, Ingenieuren und Fachplanern mit Prüfung durch die Baugenehmigungsbehörde. Nur ist das ganze auch praktisch umsetzbar, wohl kaum.
Wobei naiv ist anzunehmen, dass die großen Immobilienfirmen keine Wege finden, eine Abrissgenehmigung zu erwirken, die Kosten trägt ohnehin der zukünftige Mieter, während der Häuslebauer quasi enteignet wird. 

9

ZOO | 26.01.2023 17:28 Uhr

Geld

In der Debatte fehlen mir die Kosten für den Abbruch. Offenbar sind Transport nach Polen und die dortige Deponierung (weil in unseren Ballungsräumen die Deponien vollgelaufen sind) immernoch so günstig, dass sich das lohnt. Würde der CO2 Ausstoss derartiger Transporte und die Deponierung so immens verteuert, könnte sich das auch der gierigste Investor nicht mehr schönrechnen.

8

lollo | 24.01.2023 10:53 Uhr

eben doch

(3) 1In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Der Haken sind: "im Einzelfall" und "unter Würdigung nachbarlicher Interessen" - denn da endet die Bereitschaft der Genehmigungsbehörde regelmäßig.

7

Christian Richter | 24.01.2023 10:53 Uhr

Hase und Igel

Es ist bedauerlich mit anzusehen, wie sich die öffentliche Hand die Initiative aus der Hand nehmen lässt. Denn die Genehmigungspflicht oder ein Abrissverbot alleine helfen nicht - wie im Artikel angedeutet braucht es ein Bündel an Maßnahmen, um die Praxis auch mit dem nötigen Instrumentarium und sicher auch den nötigen Fördermitteln auszustatten, damit dieser Schritt auch gelingt. Das passiert leider zu langsam, so dass die Politik sich von Dritten treiben lässt, anstatt selbst den Rahmen auszugestalten.

Darüber hinaus ersetzt die Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit keine Abwägung der Sinnhaftigkeit einer solchen Regelung. Dies gilt besonders dann, wenn ein Gesetz von einem monothematischen Lobby-Verband (egal welchem) vorgeschlagen wird - auch wenn es leicht fällt gute Absichten zu unterstellen . Aber die Stadt und ihre Gebäude erfüllen vielfältige Funktionen - sicher darf die Prüfung eines Abrisses nicht nur die Umweltauswirkung berücksichtigen, sondern muss zu einer gesamtheitlichen Entscheidung kommen.

6

peter | 24.01.2023 10:33 Uhr

die kölner oper hätte auch

ein paar "kreative sanierer" gebrauchen können.

5

a_C | 24.01.2023 09:23 Uhr

Mit Bebauungsplänen kann man umgehen...

Liebe #5, das ist Gott sei Dank so nicht richtig. Gerade für den Wohnungsbau kann bei einem bestehenden BPlan bereits heute umfangreich befreit werden, wenn der "angespannte Wohnungsmarkt" festgestellt wurde (aus einem Kommentar bei haufe.de):

"Die Lage eines Grundstückes in einem "Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt" kann aber auch ihr Gutes haben. Sollte in diesem Gebiet ein Bebauungsplan bestehen, kann von dessen Festsetzungen – insbesondere zur Erhöhung des Nutzungsmaßes – unter erleichterten Voraussetzungen zugunsten des Wohnungsbaus eine Befreiung erteilt werden. Bislang durfte eine Befreiung nicht die "Grundzüge der Planung" berühren. Auf diese Voraussetzung wird nun verzichtet (§ 31 Abs. 3 BauGB). Ausdrücklich werden zudem die "Wohnbedürfnisse der Bevölkerung" als Rechtfertigungsgrund für eine Befreiung genannt."

Angesichts der Tatsache, dass die Länder schon umfangreich "Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt" festgestellt haben, ein wichtiges Werkzeug. Zwar nur für den Wohnungsbau, aber immerhin!

4

lollo | 23.01.2023 20:40 Uhr

Erhalt tut uns keinen Abbruch

Man stelle sich ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung vor aus den 60er Jahren inmitten eines Grundstücks von 15 ar.
Einen B-Plan mit Baufenster gibt es auch, mit der Maßgabe max. 2 Wohnungen pro Gebäude, der mglw. in ebendiesem Fenster zwei Zweifamilienhäuser zuließe, also eine Verdreifachung der Wohnfläche auf ebendiesem Grundstück ermöglichen könnte.
- 20 Jahre warten auf eine B-Plan-Änderung?
- alles lassen wie es ist und energetisch sanieren?
Gegen bestehende B-Pläne helfen keine kreativen Sanierer, Herr Meier-Kühn.

3

arcseyler | 23.01.2023 18:28 Uhr

Klimaschrumpfen

Vorbild Japan und China. Westliche Gesellschaften mit dem x fachen Footprint jedes Einzelnen zum Weltdurchschnitt, müssen eh wegen Klima schrumpfen. Was sie auch tun wenn man sie lässt. Hin zu sozialen Non-Flugrenten. Nur so ist das CO2 Ziel zu halten.
Der Bevölkerungsüberhang aus der 2. industriellen Revolution wird so einfach rückgebaut.

2

remko | 23.01.2023 18:07 Uhr

...

Ich kann die Immobilienlobby beruhigen. Wenn man dem Pariser Vorbild folgt, würde der bürokratische Aufwand gegen 0 tendieren. Dort gibt es inzwischen ein generelles Abrissverbot, dass man nur mittels aufwändiger Antragstellung ganz eventuell umgehen kann (also gar nicht).

1

wolfgang meier-kühn | 23.01.2023 16:41 Uhr

Erhalt tut uns keinen Abbruch

Endlich kommt das Thema auf den Tisch!
Neu kann jeder. Wo sind die kreativen Sanierer?
Erhalt sollte gefördert werden.

 
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Ein Beispiel von der Negativliste der Bundesumwelthilfe: der Staudenhof in Potsdam, dessen Abriss für Mitte 2023 geplant ist.

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