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21.11.2022

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Rohstoff Moderne

Rathaus-Ersatzbau in Korbach von heimspiel und agn


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Ein halbes Jahrhundert lang ergänzte ein brutalistischer Zubau, der dem spätmittelalterlichen Rathaus der hessischen Kreisstadt Korbach in Materialität und Kubatur zuwiderlief, das denkmalgeschützte Bestandsgebäude. Neben funktionalen Unzulänglichkeiten veranlassten bauphysikalische Defizite die Verantwortlichen zur Jahrtausendwende, einen Wettbewerb zur Adaption des Erweiterungsgebäudes auszuloben. Da der Annex aber kaum Möglichkeiten zur Verbesserung bot, waren 2017 in einer zweiten Ausschreibung Ideen für einen Ersatzneubau gefordert. Mit dem ersten Preis zeichnete die Jury unter Vorsitz von Ferdinand Heide den Entwurf von heimspiel architekten (Münster) und Christian Thomann (Münster) aus.

Der Wettbewerbsbeitrag sah vor, den Ersatzneubau von der Straße abzurücken. Nun greifen die beiden giebelständigen Neubaukörper die Form des Bestandsgebäudes auf und schreiben sie fort. Dadurch entsteht ein südöstlicher Abschluss des durch diese Operation erst gebildeten Rathausplatzes. Durch einen weiteren Trakt auf der gegenüberliegenden südlichen Seite ließ sich außerdem zusätzlicher Raum für die Stadtverwaltung schaffen und eine historische Wegeverbindung wiederherstellen. Zudem hat, allen Rückgriffen auf die Vormoderne zum Trotz, auf ganz anderem Wege auch die Baugeschichte des 20. Jahrhunderts Eingang in den Neubau gefunden: Von heimspiel architekten in einer ARGE gemeinsam mit agn Niederberghaus & Partner (Ibbenbüren) verwirklicht, diente der abgebrochene Anbau als Rohstoffquelle, sodass der Korbacher Erweiterungsbau als erstes Urban-Mining-Projekt in Deutschland gilt.

Auf die Ermittlung der Baustoffmassen, die aus dem früheren Erweiterungsbau zu gewinnen waren, folgte eine Untersuchung der Recyclingfähigkeit. Nach dem selektiven Rückbau wurden die Materialien getrennt und im Anschluss an eine ortsnahe Aufbereitung zu ressourcenschonendem Beton (R-Beton) verarbeitet. Immerhin 62 % des Abbruchmaterials fanden bei der Errichtung des Ersatzbaus neuerliche Verwendung. Indem dabei Wert auf sortenreine Trennbarkeit gelegt wurde, konnte das Kreislaufpotenzial erhalten und bereits dem nächsten Lebenszyklus Rechnung getragen werden. Auf Putz verzichteten die Architekt*innen beispielsweise, während für die erdberührenden Bauteile statt Verbundabdichtungen wasserundurchlässiger Beton zum Einsatz kam.

Zur erstmaligen Anwendung gelangte im Rahmen des Projekts auch der durch Anja Rosen (Münster) und Annette Hillebrandt (Wuppertal) initiierte Urban Mining Index, der einer Bewertung und Optimierung der „Kreislaufkonsistenz von Baukonstruktionen in der Planung“ dient. (ree)

Fotos: Caspar Sessler


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Kommentare

12

M. | 24.11.2022 10:25 Uhr

also sprach der alte Dick (Feynmann)

For a successful technology, reality must take precedence over public relations, for Nature cannot be fooled.

Fiel mir spontan beim Urbanminingdiagramm ein.
Aber: erstmal besser machen...

11

claus | 23.11.2022 23:13 Uhr

glatt und körnig

Städtebaulich wurden hier einige gute Entscheidungen getroffen. Der Verwaltungsriegel ergänzt das Rathaus gut. Auch die Fortsetzung der Dachform ist wohl die einzig richtige Entscheidung. Schade, dass es kein Foto der Treppe an der Rathausgasse gibt.

Einen leichten Wermutstropfen ist in meinen Augen die etwas zu glatte und zu großmaßstäblich gedachte Fassade. Der Anbau fällt so eigenartig vor der konstruktiven und materiellen Kleinteiligkeit seiner Umgebung ab. Was in der Ansicht auf Bild 14 noch gut funktioniert, also das Auflösen von EG und Beletage und die darüber schwebenden Giebelwände, kommt in den Fotos nicht rüber. So wirkt das neue Rathaus vielleicht etwas zu groß, oder zu bullig für Korbach, besonders in Kontrast zur mineralischen Körnigkeit und dem etwas verkünstelten Auswuchs des Turmerkers am alten Rathaus. Aber vielleicht denke ich da auch Korbach zu klein.

Das ist alles in meinen Augen jedoch Gegrantel auf hohem Niveau und gut zu verschmerzen. Die Innenräume sind wunderbar großzügig, licht und hell. Einer selbstbewussten Kleinstadt mehr als angemessen. Meist bleibt das innere solcher Gebäude weißlich fahl und gedrückt. Hier nicht, es ist schönes Haus.

Und auch schön, dass da jemand auch endlich mal die Energie hatte, das mit dem R-Beton nicht nur im Wettbewerb zu behaupten, sondern auch wirklich durchzuziehen, Hut ab!

10

Davide | 22.11.2022 21:15 Uhr

Weniger erreicht als gewollt

Ich kann mir nicht helfen, aber der Neubau - so sehr er sich auch versucht durch die Giebel-Silhouette zu integrieren und ein Gegenentwurf zum Vorgängerbau zu sein - wirkt letztlich dann doch schlecht proportioniert und klobig. Bei der Topografie einfach die gleiche Traufhöhe auf die andere Seite zu ziehen ist dann doch nicht die "sensible Lösung".
Tortzdem gibt es schöne Details und tolle Interiors.

9

Latimer | 22.11.2022 18:31 Uhr

Rohstoff

Zwar fügt sich das neue Gebäude schön ein, die Treppe macht den erwartbar positiven Effekt aber gleich wieder wieder zunichte - schade für die Stadt, die endlich auch mal einen schönen öffentlichen Raum verdient hätte.

8

Aino | 22.11.2022 12:26 Uhr

Städtebau toll, sonst... naja.

Die Fassaden überzeugen leider nicht so richtig, obwohl die Detaillierung an sich gut ist. Eine Baumreihe anstatt der zweiten (überflüssigen?) Treppe am Platz wäre für Aufenthaltsqualität, Stadtraum und -klima besser. Der Versuch zu recyceln ist zwar lobenswert, aber mit Blick auf den Klimawandel reicht das nicht.

Trotzdem finde ich das Gebäude hat lob verdient für die städtebaulich sehr gute Setzung. Das wird im Wettbewerb auch sicher ein überzeugendes Argument für die Arbeit gewesen sein.

Warum, liebe Kollegen, teilen sie nicht ein Foto von der Rückseite mit uns? Immerhin verspricht der Plan auf der Südseite eine städtebaulich schöne Situation! Rückseite Altes Rathaus, die beiden neuen Baukörper, dazwischen der Durchgang zur hinteren Ebene (leider Parkplatz)...

7

Eine Meinung | 22.11.2022 11:36 Uhr

schade

Das mit der Wiederverwendung ist die reinste Heuchelei. Den neuen Entwurf finde ich grauenvoll. Die Volumina des Neubaus kommen wie eine böse Parodie auf den Bestand daher, der Vorplatz ist das nackte Grauen. Wie sieht es wohl von der anderen Seite aus, wo der Ziergiebel des alten Rathauses an den Neubau grenzt? Wird hier mit Absicht kein Foto gezeigt?
Einfach nur traurig was hier passiert ist.

6

Lutz | 21.11.2022 21:21 Uhr

Die Perle von Korbach

...muss gleich mal den wikipedia Eintrag von Korbach editieren.

5

Christian Richter | 21.11.2022 17:32 Uhr

Stand der Praxis

Ein Projekt, das den enttäuschenden Stand der Praxis zur Weiternutzung bestehender Gebäude exemplarisch darstellt: weil das bestehende Gebäude architektonisch und technisch ein klein wenig komplexer gestaltet ist, entscheidet sich der Bauherr für den Abriss. Dann werden gängige und verfügbare Minimallösungen (Materialaufbereitung) als verbale Krücke für diesen Projektverlauf zur Hilfe genommen. Den Architekten ist unter diesen Umständen ein sehr schönes Gebäude gelungen, daran will man gar nicht herumkritteln. Das genauso "schöne", aber ungleich interessantere Gebäude, nämlich der mit gleicher Entwurfsfreude umgebaute Bestand, ist uns leider vorenthalten worden. Das ist gerade bei einem öffentlichen Bauherrn ungemein enttäuschend.

4

Hirsch | 21.11.2022 16:53 Uhr

Es graut so schön

Etwas Grün hätte man dem Rathausplatz schon spendieren dürfen!
Die zwei Bänke mit Aussicht auf die drei Parkplätze haben keine tolle Aufenthaltsqualität, die komplette zweite Treppenanlage wirkt deplaziert, eine geböschte Bepflanzung wäre erheblich sinnvoller gewesen.

3

Fritz | 21.11.2022 16:42 Uhr

Bestand

in sich ein ganz stimmiges Ergebnis finde ich - aber der Bestand hatte auch seinen Charme wenn nicht mehr als der Neubau - und ein bisschen Reibung tut dem Altbau doch ganz gut. Das ist mit dem Neubau jedenfalls verloren gegangen.

2

stauBmeier | 21.11.2022 15:53 Uhr

Bin gespannt,

wenn man eines Tages mal
das Treppenmonstrum ausschlachtet,
was man dann damit gruseliges veranstaltet.

Über den Entwurf des NN Neuen
möchte man sich erst gar nicht
auslassen wollen.

1

Nachbar | 21.11.2022 15:44 Uhr

Nachhaltig

Auch wenn wenn ich der Behauptung glauben mag, daß der Bestand nicht zu verwenden war (!): Bild 15 ist aus meiner Sicht purer Euphemismus.

 
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