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22.10.2019

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Babyn Yar Holocaust Memorial Center

Querkraft Architekten gewinnen in Kiew


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Babyn Jar, ein schluchtartiger Graben auf dem heutigen Stadtgebiet von Kiew, war 1941 Schauplatz eines der größten deutschen Massaker an jüdischen Männern, Frauen und Kindern. Zentrale Verantwortung für die Erschießung trug neben SS-Truppen vor allem die Wehrmacht, was unter anderem im Kontext der in den 90er Jahren viel diskutierten Wanderausstellungen „Verbrechen der Wehrmacht“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung herausgearbeitet wurde. Das Gedenken an das Verbrechen, für das sich nach dem Krieg keiner der beteiligten Offiziere verantworten musste, wurde in der Sowjetunion allerdings lange unterdrückt.

Von Bürgern und Intellektuellen kamen zwar immer wieder Initiativen für einen Erinnerungsort, aber die politisch Verantwortlichen in Moskau und Kiew unternahmen nichts. Im Gegenteil, das Gelände sollte zunächst mit einem Stadion überbaut werden, später flutete man die Schlucht teilweise und den benachbarten jüdischen Friedhof, der als Sammelstelle für das Massaker gedient hatte, ließ man einebnen und mit einem Fernsehturm bebauen. Als 1976 schließlich doch noch einige hundert Meter von der Schlucht entfernt auf dem Gelände des ab 1942 bestehenden KZ Syrez ein Denkmal errichtet wurde, unterschlug man den hauptsächlich jüdischen Glauben der Opfer des Massakers. Erst mit dem Ende des Kalten Krieges änderte sich diese selektive Geschichtsarbeit und mehrere kleinere Gedenkstätten entstanden im umliegenden Park. Am eigentlichen Ort des Verbrechens waren aber – etwa an Bäumen – weiterhin nur private Zeichen der Erinnerung erkennbar.

Nicht zuletzt in Folge der proeuropäischen Maidan-Revolution beginnt nun allerdings für Babyn Jar eine neue Phase, mit der sich das Land – so lässt sich vermuten – von der Erinnerungspolitik der Sowjetzeit absetzen möchte. Direkt an der Schlucht soll ein neues Memorial samt Besucherzentrum entstehen, für das kürzlich unter Beteiligung des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko ein zweiphasiger internationaler Wettbewerb abgeschlossen wurde. Verantwortlich für dessen Organisation war das Berliner Büro Phase 1, das auch schon den Wettbewerb für das geplante Maidan-Museum betreut hatte. Den 1. Preis erhielt das Wiener Büro Querkraft Architekten , das mit Kieran Fraser Landscape Design angetreten war. Das Ergebnis im Überblick:

  • 1. Preis: Querkraft Architekten mit Kieran Fraser Landscape Design, alle Wien
  • 2. Preis: Dorte Mandrup, Kopenhagen, mit Martha Schwartz Partners, New York
  • 3. Preis: Merz Merz mit Topotek 1, alle Berlin

In Planung ist mit dem Babyn Yar Holocaust Memorial Center, so der englische Titel des Projekts, nicht weniger als eine „Gedenkstätte der nächsten Generation“: Nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch ein Museum und eine Plattform für Forschung, öffentlichen Dialog und Reflexion. Dementsprechend umfangreich war auch das Raumprogramm, das hier möglichst umsichtig in die sensible Topografie eingefügt werden sollte. Das schließlich erfolgreiche Team um Querkraft arbeitet deshalb mit einem unterirdischen Volumen, das um einen agoraartigen Raum herum organisiert wird. Diesen „Ort der Zukunft“ überspannt ein aus dem Boden herausgeklapptes begrüntes Dach. Die Jury, der unter anderem David Adjaye und Wolfgang Lorch angehörten, würdigte insbesondere die Qualität der Vergegenwärtigung der historischen Ereignisse durch Gestaltung. So erreichen die Besucher das Memorial über eine sich verengende dunkle Schlucht, während am Ende der Ausstellung der lichte Zukunftsort steht.

Von den beiden anderen prämierten Entwürfe folgt das Team um Dorte Mandrup einer ähnlichen Strategie mit unterirdischen Volumen, aufklappenden Dächern und einer eingeschnittenen Topografie. Ganz anders näherten sich hingegen Merz Merz der Aufgabe. Sie positionieren ein Volumen aus verschachtelten Kuben auf dem Plateau über der Schlucht, dessen Inneres als „Dialog von Körpern und Leerstellen sowie Brüchen und Struktur“ zu erfahren ist.

Insgesamt hatten sich 165 Büros aus 36 Ländern für den Wettbewerb beworben, von denen schließlich 10 zugelassen wurden. In einer Reihe von Workshops mit dem Team um Querkraft soll das Konzept nun vertieft werden. Erst dann könne man weitere Aussagen hinsichtlich der Umsetzung machen, wie der gemeinnützige Trägerverein des Memorials in der Presseerklärung zum Wettbewerb verlauten ließ. (sb)


Zum Thema:

www.babynyar.org


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Kommentare

4

claus | 25.10.2019 00:11 Uhr

@auch ein

ich finde es schwierig, eigentlich sogar bedenklich, ein so singuläres ereignis wie die shoah verdaubar zu machen, nur um leute nicht abzuschrecken. am ende schwächt man es aber über die museumspädagogik ab, macht es historisch, und so, als etwas vergangenes. der kern ist aber nicht vergangen, er mag tief versteckt liegen, ist aber noch immer sehr präsent.

wenn sich KEIN besucher damit auseinandersetzt, weil es irgendwie zu anstrengend ist, haben wir als gesellschaft ein wirklich gewaltiges problem...

3

auch ein | 23.10.2019 17:16 Uhr

architekt

@claus:
ich finde es besser die nerven nach dem besuch zu beruhigen als wenn KEIN besucher kommt weil er weiss das es NUR gruslig ist.....

2

claus | 23.10.2019 00:05 Uhr

...

Es ist wichtig solche Häuser zu bauen, besonders in einer Zeit in der die letzten Überlebenden, wie auch die letzten Täter sterben und von überall das niederträchtige Gesocks versucht wieder Boden zu gewinnen. Ich bin mir beim Ansatz der prämierten Arbeiten jedoch etwas unsicher.

Ist es richtig bei Querkraft die enge Schlucht entlang zu gehen, immer bedrückender, enger, um Einblicke in den Schrecken des Ortes zu erlangen (als ob das auch nur über eine Ahnung hinaus möglich wäre), nur um dann am Ende glücklich in der lichten Zukunft zu landen? Oder bei Dörte Mandrup eine leichte Glaskiste in den Hain zu stellen, in deren Tiefen man sich beim betrachten des damaligen Erdbodens an der Reling gruseln (Bild 13) kann; nur um der ganzen Sache am Schluss auf dem Dach rum zu tanzen? Und merz merz, wirkt das ganze, nun ja, doch wirklich maximal austauschbar. Die Bilder 16-17 könnte man auch beim einem Guggenheim-Wettbewerb einsenden und hätte am Ende vermutlich keine schlechten Chancen.

Aber ist das für den Ort Angemessen?
Ist ein geschlossener Baukörper hier überhaupt die richtige Herangehensweise?

Es entsteht schnell ein Ort, wo man seine Nerven im Museumscafé bei ‘ner Currywurst und einem Stück Sahnetorte wieder beruhigt (man denke an die „reichhaltige Getränkeauswahl“ im Besucherzentrum Dachau…)

Es handelt sich hier nicht einfach nur um ein Museum über die Taten, den Hintergrund und den zu führenden Dialog, es ist zuerst einer der vielen Mordplätze der Shoah. Müssten diese Plätze nicht eben den dort ermordeten gehören?
Bei den Gedankorten von Belzec, Treblinka und Sobibor scheint mir das jedenfalls angemessener gedacht worden zu sein.

@auch ein: man sollte nicht alles machen, auch wenn man es darf...

1

auch ein | 22.10.2019 17:27 Uhr

architekt

tolle arbeiten!

und der erste preis ist der "hellste" erfrischende (wenn man das in dem zusammenhang so nennen darf...)
zur späteren nutzung nicht nur als gedenkstätte sicher der einladendste

 
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1. Preis: Querkraft Architekten mit Kieran Fraser Landscape Design

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2. Preis: Dorte Mandrup mit Martha Schwartz Partners

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3. Preis: Merz Merz mit Topotek 1

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1. Preis: Querkraft Architekten mit Kieran Fraser Landscape Design

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