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28.01.2019

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Grünes Habitat

Psychiatrische Tagesklinik von Richter Architectes in Metz


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„Sobald man die Psychiatrie betritt, beginnt die Pflege”, sagt Architektin Pascale Richter. „Sie beginnt nicht erst im Therapieraum oder im Besprechungszimmer der Psychologinnen, sondern direkt im Foyer.“ Pascale Richter und ihr Bruder Jan Richter betreiben gemeinsam das Büro richter architectes et associés in Straßburg. Für ihre Planung einer psychiatrischen Tagesklinik für Kinder und Erwachsene erhielten sie kürzlich den Equerre d'argent, die wohl wichtigste Auszeichnung für Architektur in Frankreich.

Der preisgekrönte Neubau mit 2.200 Quadratmetern Nutzfläche und Gesamtkosten von 5,4 Millionen Euro ist für eine Psychiatrie denkbar ungünstig gelegen: Tankstelle gegenüber, Autohändler nebenan, ein Hypermarché mit großem Autoparkplatz nur einige Meter entfernt. „In eine solche Tagesklinik kommen die Patienten regelmäßig die Woche, manche täglich. Sie muss gut angebunden sein.“, erklärt ein Mitarbeiter des Bauherrn CHS (Centre hospitalier spécialisé), das verschiedene psychiatrische Einrichtungen im Departement Moselle unterhält. CHS wählte auch den Standort für das Centre de soins psychiatriques in einem Gewerbegebiet nahe am Zentrum von Metz.

So waren richter architectes et associés 2013 beim Wettbewerb zum Neubau mit der Aufgabe konfrontiert, eine Architektur zu schaffen, die trotz viel befahrener Schnellstraße und Gewerbegebiet einen schützenden Raum für die Patienten bietet. Das Straßburger Büro umwickelte den mehrflügeligen Bau mit einer Hülle aus Beton, an einigen Stellen sogar in zwei Schichten, und hegten somit das Gelände physisch, atmosphärisch und akustisch ein. Pascale Richter spricht von einer „Ummantelung“.

Was von außen als einheitliche Figur erscheint, ist hinter der Betonhülle ein vielschichtiger Gebäudekomplex mit sechs unterschiedlich großen Innenhöfen. Tetrisartig haben die Architekten den Bau aus zwei- und eingeschossigen Gebäudeelementen zusammengelegt. Alle Räume richten sich zum Innenhof. Von jedem Zimmer aus, auch von den Fluren, fällt nun der Blick auf einen Baum oder zumindest auf Bodengewächs. Der Straßburger Landschaftsarchitekt Bruno Kubler gestaltete die Außenflächen. Wo die Therapiezimmer in langen Fluren hintereinandergereiht sind, haben die Richters durch Glassegmente in den Trennwänden tiefe Raumfluchten geschaffen.

Dass die Hülle aus Beton nicht nur eine Hülle bildet, sondern gleichsam künstlerische Fläche sein kann, hatten Richters bereits im Wettbewerb angedacht und hierfür mit dem Künstler Grégoire Hespel zusammen gearbeitet. Den Beton tönten sie moosgrün. Mit expressiven schrägwinkligen Einschnitten und Knicken formten sie die Außenwand plastisch aus. Auf der Baustelle, als der Beton noch feucht war, bearbeitete Hespel die Fassade an einzelnen Stellen mit einem Wasserhochdruckgerät derart, dass von der glatten Oberfläche die Kieselsteinschicht sichtbar wurde. An anderen Stellen drang Hespel ganz durch die Wand durch. Nun sind rundherum kleine mäandernde Löcher im moosgrünen Beton, als hätten sich Tierchen hindurchgefressen. Der Bau wird zum grünen Habitat in einer industriellen Umgebung. (sj)

Fotos: Luc Boegly


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Kommentare

3

sb-gau | 29.01.2019 23:21 Uhr

'wir behandeln die falschen' . . .

ich werd' verrückt!

2

peter | 29.01.2019 22:06 Uhr

stone-washed

der effekt an der fassade ist ja ganz interessant, und einerseits könnte man meinen, er wäre für das eingangsgebäude zu einem truppenübungsplatz passender gewesen (vielleicht noch mit ein paar echten einschusslöchern vom letzten granathagel).

man kann sich aber auch vorstellen, dass diese gestaltung für eine psychotherapieeinrichtung kein zufall ist. wenn man nicht deutsch-bierernst an an die sache herangeht, kann man ja auch sagen: super, genau richtig! das leben ist eben wie diese fassade, mit löchern und spuren, vielleicht demnächst auch ein bisschen veralgt, und trotzdem ist das ein schönes stück architektur, das nicht nur schick funkeln will, sondern einfach zu seiner imperfektion steht.

und am ende wird diese fassade gegenüber dem perfekt aussehen wollenden sichtbeton gewinnen, denn in 15-50 jahren wird der beton ganz natürlich seinen kies preisgeben, bemosen und patina ansetzen. ich denke, das haus kann seinen patienten sogar mut machen: ich hab meine probleme, aber das gehört zu mir, und eigentlich bin ich auf den zweiten blick sogar weiter als die, die denken, sie könnten nie kiesnester oder abplatzungen kriegen.

1

Superarchitekt | 28.01.2019 16:30 Uhr

Sichtbeton-GAU

Eine, gelinde gesagt, unglückliche Wahl für die Fassade.
Der Beton ist für den Betrachter nicht grün pigmentiert sondern er wirkt veralgt. Die Kunst am Bau versteht man wohl auch eher als Ausführungsmangel denn als gewollte Verschönerung der Oberfläche.
Als wären psychatrische Einrichtungen nicht stigmatisiert genug, wird hier durch die Architektur dem Stigma nicht entgegengewirkt, sondern dem negativen Bild durch ein abweisendes, für Laien vermutlich abstoßendes Gebäude sogar noch Vorschub geleistet.

Auch wenn die Umgebung unwirtlich sein sollte, gerade für eine psychatrische Einrichtung ist dieser Entwurf in seiner Außenwirkung für Passanten, aber insbesondere für Patienten unsensibel und unpassend. Denn die Therapie beginnt wohl nicht erst im Foyer, wie im Text beschrieben, sondern schon mit dem ersten Blick aufs Gebäude.

 
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Die Gebäudehülle aus grün getöntem Beton formten richter architectes et associés plastisch aus.

Die Gebäudehülle aus grün getöntem Beton formten richter architectes et associés plastisch aus.

Künstler Grégoire Hespel bearbeitete den Beton mit einem Hochdruckgerät und legte stellenweise die Kieselschicht frei.

Künstler Grégoire Hespel bearbeitete den Beton mit einem Hochdruckgerät und legte stellenweise die Kieselschicht frei.

Die Betonwand bildet eine Art Ummantelung für die Gebäudestruktur mit sechs Innenhöfen.

Die Betonwand bildet eine Art Ummantelung für die Gebäudestruktur mit sechs Innenhöfen.

Glaselemente bilden bei kleinen hintereinander gereihten Therapieräumen eine tiefe Sichtachse und viel Licht.

Glaselemente bilden bei kleinen hintereinander gereihten Therapieräumen eine tiefe Sichtachse und viel Licht.

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