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13.10.2022

Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft

Patrick Teuffel über nachhaltige Tragwerksplanung


Patrick Teuffel ist Professor für Innovative Structural Design (ISD) an der Technischen Universität Eindhoven und Gründer eines Ingenieurbüros für Tragwerksplanung in Berlin. Seine Expertise aus Forschung und Praxis unter anderem zu Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft in der Tragwerksplanung stellt er als Referent auf dem Klimafestival in Düsseldorf vor.

Herr Teuffel, wie können Tragwerksplaner*innen zu einer klimagerechteren Architektur beitragen?
Lange Zeit drehte sich die Diskussion über nachhaltiges Bauen primär um die Themen Energieeffizienz von Gebäuden oder regenerative Energiequellen, was natürlich angesichts der aktuellen Situation auch sehr sinnvoll ist. Uns als Tragwerksplaner betrifft jedoch in erster Linie die angemessene Materialwahl und die effiziente Tragwerksgestaltung. Damit verbunden die Möglichkeiten, durch reduzierten Ressourcenverbrauch die CO2-Emissionen zu minimieren. 80 bis 90 Prozent der Ressourcen eines Bauwerks stecken im Rohbau, also im Fundament, den Decken, Stützen, Wänden, usw. Das heißt wir als Tragwerksplaner haben erhebliche Möglichkeiten, im Sinne der Nachhaltigkeit zu wirken. Im Tragwerk steckt die Masse.

Um bei den gängigen Konstruktionsmaterialien zu bleiben: Holz, Stahl, Beton oder Mauerwerk: Mit welchem Material oder welcher Kombination würden Sie Ihr nächstes Projekt bevorzugt bauen?
Die Frage ist berechtigt angesichts der Debatte beispielsweise um klimaschädlichen Beton im Vergleich zur ökologischen Holzbauweise. Doch auch Holz ist wie wir wissen nicht beliebig verfügbar und auch in vielen Anwendungen nicht das Material mit den notwendigen Eigenschaften. Meine Antwort lautet deshalb: Es gibt nicht „das eine“ bevorzugte Material, sondern es ist immer jenes zu wählen, das aufgrund von Nutzen und Anforderungen am besten zum nächsten Projekt passt.

Inwiefern spielt da die Kreislaufwirtschaft eine Rolle?
Kreislaufwirtschaft ist ein zentraler Aspekt. So müssen wir als Tragwerksplaner vermehrt dazu übergehen, auch vorhandenes Material auf Bauteilebene in ein sinnvolles Tragwerk zu überführen. Das bedeutet, dass wir gängige Entwurfsphilosophien auch umkehren müssen und uns eher anschauen, was an Baumaterial zur Verfügung steht, etwa durch Urban Mining. Die Prämisse lautet dann: „form follows availability“.

Welche Entwicklungen im Massiv- und Leichtbau gehen in die richtige Richtung und an welchen alternativen Konstruktionsmethoden forschen Sie?
An der Uni Eindhoven erforschen wir beispielsweise gerade die Möglichkeit, Stahlbeton-Fertigteile aus leerstehenden Bürogebäuden für den Wohnungsbau wiederzuverwenden. Und auch im Leichtbau kann ein zirkulärer Materialeinsatz umgesetzt werden. Das Umnutzungspotenzial ganzer Bauwerke oder ein möglichst sortenreiner Rückbau mit dem Ziel einer Wiederverwendung auf Bauteilebene sollten schon bei der Planung berücksichtigt werden, und das betrifft auch uns Tragwerksplaner. Ebenso arbeiten wir an der Entwicklung von Konstruktionen aus biobasierten Baustoffen. Auch das könnte Alternativen zu herkömmlichen Bauweisen bieten.

Wie stehen die zahlreichen Anforderungen an die Bauphysik, darunter vor allem an Wärme- und Schalldämmung, im Widerspruch zu einem reduzierten Ressourceneinsatz?
Das ist eine Herausforderung, da es ja unser Ziel ist, das Tragwerk zu minimieren. Aber es muss kein Widerspruch sein: Auch mit Konstruktionen aus recyclingfähigen und zirkulären Materialien können wir hochwertigen Schall- und Wärmeschutz mit langlebigen Eigenschaften und für einen hohen Nutzerkomfort erzielen.

Das Interview führte Sabina Strambu



Zum Thema:

Auf dem Klimafestival in Düsseldorf sprechen am Donnerstag, 3. November 2022 (13–14 Uhr) Patrick Teuffel und Christian Schlüter über die „Komplexität der Materialwahl“. Im Anschluss begleitet Teuffel gemeinsam mit Julius Schäufele, Ralf Pietsch und Alexandra Quindt einen Workshop zu einem digitalen Entwurfswerkzeug für Planer*innen auf Basis des anthropogenen Materiallagers „Simulator“.

Die Teilnahme am Klimafestival ist kostenfrei. Mehr Informationen und Anmeldung: klimafestival.heinze.de


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