Für das Mariinsky Theater in St. Petersburg gibt es einen neuen Entwurf. Nachdem das Projekt von Dominique Perrault 2007 gescheitert ist (siehe BauNetz-Meldung vom 13. Februar 2007), haben die kanadischen Architekten Diamond + Schmitt Architects (Toronto) jetzt den neu ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen.
Statt in eine goldene, amorphe Form gehüllt (siehe Baunetz-Meldung vom 30. Juni 2003), wie Perrault es geplant hatte, wird sich das Theater nun in Form eines Quaders mit Wimpernaufschlag präsentieren, dessen Fassade durch die enorm vielen unterschiedlichen Fensterformate charakterisiert wird. Vom senkrechten Schlitz bis zur geschosshoch aufgelösten Ecke wird das schwere Volumen des Gebäudes immer wieder von ganz unterschiedlichen Öffnungen zerschnitten.
Die Architekten aus Toronto beschreiben ihren Entwurf, der in Zusammenarbeit mit dem St. Petersburger Architekturbüro KB ViPS entstanden ist, als „zeitgenössische Version des St. Petersburger Stadtbildes“. Der Leiter des Mariinsky-Theaters lobte den Entwurf. Angetan war er auch von einem ähnlichen Projekt des kanadischen Büros, dass kürzlich fertiggestellt wurde: Dem „Four-Seasons-Center“, das erste Theater in Kanada für Oper und Ballett.
Das neue Opern- und Ballett-Theater mit 2.000 Sitzplätzen wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite des alten Theatergebäudes aus dem Jahre 1860 stehen. Zwei Blöcke weiter östlich befindet sich die Konzerthalle (Entwurf: Xavier Fabre) die 2007 eröffnet wurde.
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peter | 03.08.2009 23:51 UhrAde, Avantgarde
Ob sich der Perrault'sche Entwurf auf besagtem Grundstück gut eingefügt hätte, will ich hier nicht beurteilen, aber zukunftsweisend und prägend wäre er gewesen, und zwar weit über St. Petersburg hinaus. Sollte das hier gezeigte Projekt wirklich gebaut werden (und so, wie der Entwurf aussieht, kann er sich darauf gute Chancen ausrechnen), kann man sich wenigstens einer Sache sicher sein: Dem grandiosen baukünstlerischen Gesamtkunstwerk der Petersburger Innenstadt im allgemeinen und dem Altbau des Mariinski wird er zumindest keine Konkurrenz machen.
Russland zeigt hier einmal mehr, was es leider immer noch ist und offenbar auch bleiben möchte: die große Provinz am Rande Europas, trotz Öffnung und Internationalisierung weit entfernt, einen neuen Anspruch in gebauter Form auszudrücken.
Wie schon zu Sowjetzeiten hinkt der Architekturgeschmack dem Zeitgeist um mindestens 15 Jahre hinterher, ganz abgesehen davon, dass im Fall des Mariinski eine Formensprache gewählt wurde, die man eher für ein weiteres Shopping-Center halten könnte als für ein Theater von Weltruf. Die "Oprik" richt übel nach Investor, der womöglich nebenan auch noch ein Spaßbad mit Multiplexkino betreibt.
Beispiele wie dieses zeigen leider, dass der Weg zurück geht. Zurück in Plattitüden, unmotivierte Dekoration (das Skelett auf dem Dach!) und schlechte Anbiederungen an historische Vorbilder (plattierte Steinfassaden!). Gute Nachrichten immerhin für die C- und D-Ligisten aus dem Westen - sie bekommen im Osten immer wieder eine Chance.
Gäbe es nicht Leute wie Alexander Brodsky, Jewgeni Ass und Juri Grigorjan - das neue Russland wäre keines Blickes würdig.